Collaboration à la Coffee Shop

Gastbeitrag von | 22.11.2018

Als Sie das letzte Mal in einem Coffee Shop waren, haben Sie da mal genau hingesehen? Fünf Menschen treffen sich auf einen Kaffee, aber jede*r trinkt etwas anderes. Decaf Caramel Latte? Klar. Triple Shot Flat White? Sicher. Non-Fat Chai Latte? Immer gern. Die Variationen scheinen unendlich zu sein. Und doch trinken am Ende alle miteinander Kaffee. Oder zumindest irgendein Heißgetränk. Während wir uns früher mit der Kanne Filterkaffee an einen Tisch setzten, ist es heute selbst zu Hause schon normal, für fast jeden Geschmack das passende Heißgetränk zubereiten zu können. Massenindividualisierung ist in den letzten Jahren der Quasi-Standard geworden und wird von immer mehr Menschen auch in anderen Bereichen erwartet. Nun muss sie Einzug in die Arbeitswelt halten, nämlich da, wo es nicht so simpel ist: in der Zusammenarbeit.

Nichts ist so stet wie der Wandel

Die Menschen sind individuell. Es ist ein Geschenk des Zeitgeistes, dass wir sie auf diese Weise auch immer mehr wahrnehmen wollen. Wir gestalten Arbeitsorte und -plätze nach Bedarf, flexibilisieren Arbeitszeiten und -phasen, experimentieren mit Inhalten und Methoden, kurzum: Wir schütteln unsere moderne Arbeitswelt kräftig durch. Das hat viel Gutes, denn endlich nehmen wir wahr, wie viel Staub sich auf so manchem Status Quo schon angesammelt hat. Gleichsam stehen wir nun aber vor neuen Herausforderungen – denn Individualität kann auch trennen. Wenn wir unser Augenmerk jedoch auf die einhergehenden Chancen legen und Vielfalt als Mehrwert und sogar Voraussetzung für zukünftigen Erfolg verstehen, dann lohnt sich der Weg in diese Richtung.

Aus den Augen, aus dem Sinn

Als vor vielen Jahren die Arbeit aus dem Homeoffice gehypt wurde, da gab es auch eine Kehrseite: Wer nicht da ist, der arbeitet nicht. Wer nicht stapelweise Akten und Papiere auf dem Tisch abarbeitet, der hat auch nichts geschafft. Und auch die fortschreitende Digitalisierung zahlt natürlich auf diese Arbeitsmärchen ein. Mitarbeiter*innen sind verunsichert, Kolleg*innen irritiert. Das Wie unserer Arbeit gerät mittlerweile massiv ins Wanken. Arbeit war bisher gut sichtbar, wurde „im Vorbeigehen“ wahrgenommen und oft auch darüber wertgeschätzt. Unsere Tätigkeitsfelder verschieben sich jedoch zunehmend. Ein neues Verständnis von Produktivität und Wertschöpfung wird verbreitet. Auch der leidige Präsentismus stirbt glücklicherweise immer mehr aus. Nichtsdestotrotz weht ein rauer Wind in dieser Veränderung, doch wir schaffen es immer häufiger, andere Perspektiven zu suchen und einzunehmen.

Ein Grundpfeiler der digitalisierten Zusammenarbeit ist Transparenz. Wer arbeitet woran? Wann wird was fertig? Was haben wir schon geschafft? Der Offenheit von Bürotüren, Instant Messengern und Zusammenarbeitsportalen muss vor allem jene im Kopf folgen. Von „Mindset“ sprechen wir heute und meinen unsere Haltung, z.B. gegenüber Veränderungen, anderen und auch uns selbst. Noch heute gibt es hier Aufholbedarf, stecken wir doch zu oft noch fest in überholten Strukturen und Arbeitsweisen, die uns an sinnstiftender, wertschöpfender Arbeit hindern. Gleichermaßen herausfordernd gestaltet sich der Balanceakt zwischen der individuellen Freiheit und der Verbindung – ja Verbundenheit – zur Organisation. Den kleinsten gemeinsamen Nenner zu finden und darauf aufzubauen, ist eine Kunst, die praktiziert werden will.

Der Weg ist das Ziel

Was bleibt letztlich, wenn sich alles ändert? Richtig, unsere Haltung dazu, unser Umgang damit. Insbesondere der Wechsel vom passiven Ausführen hin zum aktiven Gestalten bringt uns in eine selbstbestimmte Position und ermöglicht uns eine neue Qualität von Selbstwirksamkeit. Damit einher geht natürlich auch die Verantwortung – für unsere Zufriedenheit, für unseren Erfolg, für Innovation und Fortschritt. Eine Verantwortung, die wir erst zu tragen lernen müssen, vor allem dann, wenn sie uns doch so nachdrücklich in den letzten Jahrzehnten abgenommen wurde.

U. a. agile und soziokratische Ansätze helfen zu experimentieren, zu irren und sich zuversichtlicher auf das Unbekannte einzulassen. Dadurch erhöhen wir unsere Wirksamkeit, besinnen uns auf gemeinsame Werte und handeln nach sinnvollen Prinzipien.

Erwartungsmanagement ist ein weiterer Schlüssel zum Erfolg. Wenn wir nicht mehr davon ausgehen, dass Dinge für die Ewigkeit gemacht sind, dass sie perfekt sein müssen und unerschütterlich, dann haben wir die Freiheit und den Gestaltungsraum für das, was wir wirklich benötigen im jeweiligen Umfeld und Kontext. Und dann können wir tatsächlich flexibel auf sich ändernde Bedürfnisse und Rahmenbedingungen eingehen, da sie uns nicht mehr überrollen, sondern wir bereits nach ihnen Ausschau halten und sie uns zunutze machen.

Du, ich, wir – das sind drei Paar Schuh

Auch wenn wir auf dasselbe Ziel zusteuern, heißt das nicht unbedingt, dass wir zwangsläufig im selben Boot sitzen. Wie wir dieses Ziel erreichen, kann individuell sehr unterschiedlich sein. Daher ist es für individualisierte Zusammenarbeit so essentiell, dass wir einander wirklich verstehen – Empathie ist hierfür eine Schlüsselkompetenz. Warum nehmen Sie dieses Tool? Welche Vorteile bietet Ihnen jene Methode? Was macht Ihren Ansatz für Sie so erfolgreich? Wenn wir die Gründe verstehen, die Ideen und Erwartungen, die andere mit ihren Arbeitsweisen verbinden, dann können wir uns überhaupt erst annähern und unsere Schnittmenge und Schnittstellen finden, um trotz unterschiedlicher Herangehensweisen ein sinnvolles, nützliches Ergebnis gemeinsam erwirken zu können. Dies setzt natürlich voraus, dass wir selbst wissen, wie wir am besten arbeiten können und vor allem wollen. Dazu gehört meist ein bisschen Erfahrung, einige Experimente und so manche Kurskorrektur. Und auch dann ist nichts für die Ewigkeit – auch hier ändern sich unsere Präferenzen aus den verschiedensten Gründen. Selbstverständlich hat auch dies seine Berechtigung, denn wann immer wir ahnen, dass etwas nicht mehr ganz passt, ist es das Natürlichste der Welt, den Status Quo zu hinterfragen.

Der erste Schritt ist der schwerste

Es gibt glücklicherweise kleine, schnell umsetzbare Anpassungen, die zu einer grundlegenden Veränderung beitragen können. Nicht alle passen immer, und sie gelingen auch nicht immer, denn – Sie ahnen es womöglich – die Menschen und Situationen sind individuell. Wenn Sie aber noch am Anfang dieser Reise stehen, dann können Ihnen die folgenden Vorschläge den Einstieg erleichtern:

  • Überprüfen Sie die bisherigen Regelungen und Arbeitsweisen und verabschieden Sie sich von allem, das Ihnen im Wege steht oder stehen könnte.
  • Schaffen Sie gemeinsam klare, verbindliche Grundlagen und geben so einen sinnstiftenden Rahmen vor.
  • Vergrößern Sie den darüber liegenden Gestaltungsspielraum – auch auf den verschiedenen organisatorischen Ebenen.
  • Handeln Sie wertschöpfungsorientiert und fokussieren Sie den Output, nicht den Input.
  • Ermöglichen Sie Experimente, Lernschleifen und Anpassungen. Ermutigen Sie einander und vertrauen Sie auf die wertvollen Erfahrungen der gemeinsamen Reise.
  • Begrüßen Sie die Vielfalt, denn sie ist Voraussetzung für neue Ideen, Innovationen und Ihre Zukunft.

 

Fazit

Um es mit Heinrich von Kleist zu sagen: „Ein jeder hat seine eigne Art, glücklich zu sein, und niemand darf verlangen, dass man es in der seinigen sein soll.“ Wenn wir dies tun und diesen Weg beschreiten, auf strukturierte Art und Weise, dann können wir nur gewinnen – wir als Unternehmen, wir als Teil des Ganzen, wir als Kunden und Lieferanten. Zumindest kann individualisierte Zusammenarbeit einen großen Anteil daran haben, dass wir wirksamer werden. Und das ist doch ein Experiment wert. Was meinen Sie? Vielleicht sinnieren Sie darüber bei Ihrem nächsten Americano. Oder Ihrem Pumpkin Spice Latte. Oder was auch immer Sie mögen.

 

Hinweise:

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Christina de Vries hat einen weiteren Beitrag im t2informatik Blog veröffentlicht:

t2informatik Blog: Raus aus dem Labor - rein ins Leben

Raus aus dem Labor – rein ins Leben

Christina de Vries
Christina de Vries

Christina de Vries begeistert Menschen und Organisationen für moderne Zusammenarbeit. Nach dem sie 9 Jahre bei der itacs GmbH aktiv war und 1,5 Jahre für Microsoft gearbeitet hat, ist sie seit 2022 als Senior Customer Success Manager bei Adobe tätig.