Warum Alt und Jung gemeinsam stärker sind
Vom Wert des Alten in einer neuen Welt: Eine Star Trek Parabel
Letzte Woche wurde auf Tele 5 eine spannende Folge von Star Trek The Next Generation ausgestrahlt. Darin trifft die Enterprise des 24-ten Jahrhunderts auf Bordingenieur Scotty der Enterprise aus Staffel 1, die im 23. Jahrhundert spielt. Gleich zu Beginn befreit die Crew des neuen Raumschiffs den erfahrenen Ingenieur aus einem Transporterpuffer, in dem er über 70 Jahre lang – ohne zu altern – auf dem Weg in den Ruhestand festsaß.
Was dann in dieser Episode passiert, ist wieder einmal ein spannend aufbereitetes Lehrstück gerade für einen lösungsorientierten Umgang mit aktuellen Krisen, Ungewissheit und dem Zusammenwirken von Alt und Jung innerhalb von Organisationen.
Fast-Rentner trifft auf motivierten Jungingenieur
Der im Vergleich zu Staffel 1 sichtlich gealterte Scotty ist zunächst völlig fasziniert von der Entwicklung der Enterprise. Gleichzeitig erzeugt dies bei ihm ein Gefühl der Überforderung und des Aus-der-Zeit-Fallens. Dieses Gefühl wird durch den jungen Bordingenieur Geordi la Forge noch verstärkt, indem er dem „alten Mann“ das Gefühl gibt, ihn mit seinen Fragen bei wichtigen Aufgaben zu stören. Scotty zieht sich verständlicherweise zurück und verbringt seine Zeit mit holografischen Projektionen „seiner“ Enterprise und guten alten Drinks.
Captain Picard, der Kommandant des Schiffes, zeigt Mitgefühl, er erkennt, dass sich der alte Scotty nutzlos und wohl auch überflüssig fühlt. Er motiviert Geordi, mit Scotty eine scheinbar weniger vorrangige Mission durchzuführen und Scottys völlig veraltetes Raumschiff wieder in Betrieb zu nehmen. Geordi zögert und lässt sich erst durch die Aussage, dass jeder Mensch nützlich sein will, überzeugen, den Auftrag anzunehmen.
Kurz nachdem Scotty und Geordi die Enterprise verlassen haben und auf das alte Schiff gebeamt sind, wird die Enterprise in eine Art Falle (eine Dyson-Sphäre) gezogen, aus der sie sich aus eigener Kraft nicht befreien kann. Als Geordi und Scotty dies erkennen, gelingt es ihnen nach anfänglichen Zweifeln (vor allem bei Geordi) gemeinsam und mit Hilfe des inzwischen reaktivierten alten Schiffes, die Enterprise durch eine Art Tor aus der Sphäre zu befördern. Dabei bündeln sie nicht nur ihr altes (Scotty) und neues (Geordi) Wissen, der „Alte“ motiviert den „Jungen“ sogar, trotz der veralteten Technik seines Schiffes Risiken einzugehen und sich der Ungewissheit zu stellen. Die Befreiung der Enterprise gelingt, dabei geht das alte Schiff drauf, Geordi und Scotty werden natürlich gerettet – und wie immer sind am Ende alle erleichtert und froh.
Alt und Jung miteinander oder gegeneinander?
Diese Episode hat mich einige Tage beschäftigt, obwohl ich sie nicht zum ersten Mal gesehen habe. Aber sie ist heute aktueller als je zuvor in meinem Leben.
Im Vordergrund steht natürlich die gefühlte Nützlichkeit des Einzelnen, heute sprechen wir auch vom Sinn, den wir in unserem Leben erkennen wollen, um glücklich zu sein. Und ebenso offensichtlich ist der Generationenaspekt, bei dem sich die einen „outdated“ und die anderen gestört fühlen. All dies erleben wir täglich in der betrieblichen Praxis, wo Alt und Jung aufeinandertreffen.
Die Älteren haben zwar langjährige Erfahrung, sind aber aus Sicht der Jüngeren oft nicht mehr zeitgemäß oder gar lästig. Die Jungen wiederum sind für die moderne Zeit gut ausgebildet, haben Erfahrung mit der neuen Technologie. Da scheinen die Alten nicht mithalten zu können. Scotty formuliert es so: „Früher konnte ich am Vibrieren der Deckplatten spüren, wie es meiner Enterprise geht, mit der neuen Technik ist das unmöglich.“ Seine Erfahrung ist also nichts wert, denkt er – und diese Einstellung verbindet ihn mit Geordi, der das ziemlich ähnlich sieht. Wir kennen das auch in Unternehmen, die Erfahrung der Alten ist scheinbar nutzlos, weil sie die innovativen Technologien und Arbeitsweisen nicht mehr beherrschen.
Und wir kennen auch die mitfühlende Führungskraft – den Unternehmens-Picard – der den Alten noch einmal das Gefühl geben will, gebraucht zu werden, bevor er sie in den Ruhestand schickt.
Mit einem guten Gefühl in den Ruhestand
Hier könnte die Episode mit der heute so oft zu beobachtenden Moral enden: Der alte Mann, dessen Wissen und Erfahrung nicht mehr zu taugen scheinen, weil sie veraltet sind, und dessen Gespür für neue Technologien fehlt, trifft auf einen fürsorglichen Manager, der ihm das Gefühl gibt, noch einmal gebraucht zu werden. Es folgt das Rentnerdasein auf einem schönen Planeten. That’s it: Alter Mann zieht sich weise über die gebaute Brücke zurück und genießt vergnügt das freudvolle und arbeitsarme Rentner-Dasein – eine Art Kreuzfahrtidylle à la Science Fiction.
Und genau dieser Vorstellung folgen heute viele Unternehmen und Beschäftigte. Den Alten (und damit meine ich Menschen ab spätestens Mitte 50) wird der (vorzeitige) Übergang in den Ruhestand angeboten und sie sind froh, endlich aufhören zu können. Im guten Fall gibt man ihnen vorher noch einmal das Gefühl, gebraucht zu werden – und sei es nur, um den Jüngeren eine Chance auf einen Arbeitsplatz zu geben. Manchmal lässt man sie auch noch etwas länger etwas tun, weil sie noch etwas jung für die Rente sind, beschäftigt sie irgendwie mit niederprioritären Aufgaben, nach dem Motto, die schaffen das bestimmt noch. Alle sind glücklich, die Jungen, weil die Alten nicht stören und die Alten, weil sie nun bald ihren Ruhestand genießen können und sich im besten Fall sogar noch ein bisschen nützlich fühlen.
Eine etwas andere Geschichte
Doch halt, die Episode legt diesen Verlauf zunächst nahe, doch dann kommt es ganz anders, denn plötzlich tritt das Unbekannte in Form einer Krise auf den Plan. Neu gerät in Gefahr, die Enterprise wird bei der Erforschung der unbekannten Sphäre – rückblickend gerade wegen ihrer modernen Technologie – in diese hineingezogen und sitzt in der Falle. Sie kommt nicht zurück, das Tor zur Sphäre schließt sich hinter ihr.
Geordi und Scotty reparieren derweil Scottys veraltetes Raumschiff außerhalb der Sphäre. Bald stellen sie den Verlust des Mutterschiffes fest. Geordi ist kurz davor aufzugeben, aber Scotty überzeugt ihn, dass es immer eine Lösung gibt, auch wenn die Ressourcen und die Chancen gering sind. Scotty zeigt Mut und Zuversicht und steckt Geordi damit an. Gemeinsam gelingt es ihnen, mit ihrem Wissen aus Alt und Neu das Schiffswrack zu reaktivieren und dann mit Hilfe des alten Schiffes den Zugang zur Sphäre so lange aufzuhalten, bis die Enterprise das Gate passieren kann.
Was für ein geniales Bild, das Alte hält dem Neuen in der Krise die Tür auf. Alt und Jung arbeiten zusammen. Und wie genial ist auch der kleine, aber feine Hinweis auf Entschleunigung, denn durch den Einsatz des konventionellen, langsamen Antriebs wird das alte Schiff nicht in die Sphäre gezogen.
Scotty und Geordi werden im letzten Moment auf die Enterprise zurückgebeamt, bevor das sich schließende Tor das alte Schiff zerstört.
Ende gut, alles gut, denkt sich der erfahrene Unternehmensmensch spätestens jetzt, jetzt kann der alte Scotty doch noch in Ruhe zu seinem Pensionsplaneten fliegen und dort seinen wohlverdienten Ruhestand antreten. Picard stellt ihm zum Dank sogar ein Shuttle der Enterprise zur Verfügung.
Und was macht Scotty stattdessen? Er verkündet, dass er eigentlich immer noch Spaß an Entdeckungen und Abenteuern hat. Und vielleicht kann er ja auch noch irgendwo wirken. Er nimmt sein neues Spielzeug gerne an und fliegt ins Unbekannte los, um neue Welten kennenzulernen. Später ist ja noch genug Zeit für den Ruhestand.
Parabel oder Fantasie?
Ein ziemlicher Unterschied zu dem, was wir heute aus Unternehmen kennen, eine Perspektive, die uns auf den ersten Blick ungewöhnlich erscheint, eher Fantasy als Realität, die aber interessante Aspekte für eine angemessene Unternehmenskultur in Krisenzeiten enthält.
Heute sehen wir unsere Wirtschaft bedroht, viele Unternehmen befinden sich im Umbruch, manche in existenziellen Krisen. In meinen Coachings und auch im Freundeskreis erlebe ich, dass Menschen ab Anfang, spätestens Mitte 50 schwer(er) vermittelbar werden, in jungen, hippen Start-Ups keinen Platz finden und in großen Konzernen aussortiert und abgefunden werden.
Viele von denen, die bereits jenseits der 60 sind, fliegen entspannt zum Renten-Planeten und genießen das Leben. Diejenigen, die noch arbeiten wollen oder aus Altersgründen müssen, werden oft mit ihrem veralteten Wissen belächelt und betonen nicht unerwartet ihre Erfolge der Vergangenheit – übrigens auch dieses Muster zeigt die Episode am Anfang in der Beziehung Scotty – Geordi.
Fazit
Die Star-Trek-The-Next-Generation-Episode lädt zum Perspektivwechsel ein, den ich Unternehmen ans Herz legen möchte:
Das Alte kann gerade in Krisenzeiten ein Türöffner für das Neue sein. Es verlangsamt phasenweise (und manchmal unfreiwillig) den Prozess, was in der Krise mehr als hilfreich ist. In der Krisenbewältigung geht Altes, Gewohntes durchaus kaputt, muss sogar bewusst losgelassen werden, ist aber nicht wertlos oder museumsreif. Die Alten selbst können mit neuen Werkzeugen/Prozessen weitermachen, vielleicht keine großen Raumschiffe mehr fliegen, aber für den Flug im kleinen Shuttle reicht es allemal. Und so eröffnet sich die Chance, dass die Alten wie Scotty noch etwas ganz Großes für die Enkelgeneration erfinden (bei Scotty war es die Transwarp-Technologie).
Perspektivenvielfalt ist nicht nur eine Frage von Geschlecht, Hautfarbe und Spezies (Kultur), sondern auch eine Frage von jung und alt im Sinne von technologisch In- und Outdated.
Selbsterkenntnis spielt ebenfalls eine wichtige Rolle. Es erfordert Mut, sich einzugestehen, dass man in bestimmten Bereichen nicht mehr mithalten kann. Gleichzeitig kann gerade diese Erkenntnis dazu führen, auf bewährte Stärken zu vertrauen – etwa auf die Fähigkeit, in schwierigen Situationen Lösungen zu finden und nicht vorzeitig aufzugeben. Wer jahrelang Krisen gemeistert hat, bringt wertvolles Wissen mit, das gerade in unsicheren Zeiten von unschätzbarem Wert sein kann.
Älter sein bedeutet zudem nicht zwangsläufig weniger Selbstvertrauen und Mut zum Unbekannten. Die Erfahrung, schon einiges durchgestanden zu haben, kann in krisenhaften und unbekannten Situationen erfolgsentscheidend sein. Und Mut zum Unbekannten ist eine gute Basis, um auch im Alter noch Neues zu entdecken.
Und zu guter Letzt: Gute Führungskräfte motivieren manchmal unter völlig falschen Annahmen, vor allem aber motivieren sie zu Zusammenarbeit und (intergenerationeller) Vielfalt.
Hinweise:
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Astrid Kuhlmey hat weitere Beiträge im t2informatik Blog veröffentlicht, u. a.:

Astrid Kuhlmey
Dipl.Inf. Astrid Kuhlmey verfügt über mehr als 30 Jahre Erfahrung im Projekt- und Linienmanagement der Pharma-IT. Seit 7 Jahren ist sie als systemische Beraterin tätig und begleitet Unternehmen und Individuen in notwendigen Veränderungsprozessen. Ihr liegen Nachhaltigkeit sowie gesellschaftlicher und wirtschaftlicher Wandel und Entwicklung am Herzen. Gemeinsam mit einem Kollegen hat sie einen Ansatz entwickelt, Kompetenzen zum Handeln und Entscheiden in Situationen der Ungewissheit bzw. Komplexität zu fördern.
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