Agilität funktioniert nicht ohne Resilienz!
Agilität als Kompetenz ist in aller Munde. Viele altbewährte Unternehmen, auch außerhalb der IT, wollen in Zeiten hoher Marktdynamik so agil wie Start-ups sein. Sie investieren viel Zeit, Energie und Geld in Transformationen und die Unterstützung durch sogenannte Agile Coaches. Eine besondere Rolle kommt dabei der Resilienz zu, denn sie ist ein Schlüsselfaktor für die nachhaltig funktionale Agilität von Unternehmen.
Agilität und Resilienz – eine kurze Begriffsklärung
Agilität wird häufig als Fähigkeit verstanden, sich an Umweltveränderungen anzupassen, und beinhaltet die proaktive Partizipation an zukünftigen Entwicklungen.
Besonders hervorzuheben sind die beiden Wesenskerne der Agilität:
- Iteration und
- schnelles Feedback.
Im Unterschied zum traditionellen Projektmanagement wird im agilen Projektmanagement in kurzen Sprints und Zyklen gearbeitet. Es geht nicht um die Aufstellung von großen Plänen, die in der Folge monate- oder gar jahrelang abgearbeitet werden, sondern um ein schrittweises Vorgehen auf Sicht. Zudem steht der Mensch im Fokus und das regelmäßige Feedback und die offene Lernkultur bilden die Basis für die gemeinsame Arbeit.
Resilienz ist die Kompetenz eines Systems bei schadhaften Umwelteinflüssen den eigenen Wesenskern zu erhalten. „Resilienz 2.0“ legt besonderen Wert auf Flexibilität und versteht Krisen als Wachstumsmöglichkeit. Dabei ist die Kombination aus Wirtschaft und Psychologie hervorzuheben:
- Menschen und ihre Bedürfnisse dürfen in den Mittelpunkt gestellt werden.
- Und: Resilienz befähigt zur Weiterentwicklung, da Beteiligte an Herausforderungen wachsen.
In der Tendenz hat Agilität eine offensivere Konnotation und Resilienz eine eher defensive Natur. Ähnlich wie beim Kampfsport kann aber nicht klar unterschieden werden. Ganz im Sinne von: Angriff ist die beste Verteidigung.
Der Zusammenhang der beiden Zukunftskompetenzen ist sehr stark: Agile Unternehmen können sich Marktdynamiken anpassen und damit Rückschläge überstehen. Resiliente Unternehmen lassen sich nicht sofort von Veränderungen umwerfen. Die Kenntnis von Agilität und Resilienz sowie die Abhängigkeit untereinander helfen Unternehmen dabei, in einem dynamischen Marktgeschehen erfolgreich zu bestehen. Dabei dürfen Synergieeffekte genutzt, zentrale Bestandteile gestärkt und die Grundlage für den wirtschaftlichen Erfolg geschaffen werden. Um im Bild des Kampfsports zu bleiben: Die Beinarbeit zahlt sowohl auf den Angriff als auch auf die Abwehr ein.
Warum scheitern agile Transformationen?
Legt man den 15th Annual State Of Agile Report¹ von Digital.ai mit weltweit 1.380 Teilnehmenden zugrunde, dann lassen sich folgende Herausforderungen bei agilen Transformationen festhalten:
- Inkonsistenz der Prozesse 46%
- kulturelle Konflikte mit den agilen Werten 43%
- Veränderungsresistenz 42%
- fehlende Erfahrungen mit der Agilität 42%
- fehlende Teilhabe der Führung 41%
- unpassende Unterstützung durch das Management 40%
- fehlendes Training und Ausbildung 40%
- Durchdringung von traditionellen Ansätzen 35%
- fehlendes Geschäft/Kundschaft/Produkt 31%
- verstreute Tools und Daten 30%
- fehlende Lernkultur 22%
- wenig Kollaboration und geteiltes Wissen 17%
- rechtliche oder politische Probleme 13%
Für mich wird an erster Stelle offensichtlich, dass eine kulturelle und organisatorische Grundlage vorhanden sein darf. Agilität einzuführen bedeutet Aufwand, und leicht kann in der transformativen Phase das Gefühl von Chaos aufkommen. Leider wird mit einer übermäßigen Veränderungsresistenz keine Veränderung möglich sein.
In vielen Gesprächen wurde mir von fehlender Erfahrung mit Agilität berichtet, dennoch würde ich diesen Punkt in Klammern setzen, denn alles was neu ist, ließe sich sonst nicht erlernen, da per Definition bei neuen Themen noch keine Erfahrungen vorhanden sein kann.
Agile Transformationen sind in einer Hinsicht analog zum Reinigen einer Treppe. Im Idealfall beginnt man bei der obersten Stufe, sinnbildlich für das Management, und arbeitet sich Stufe für Stufe hinunter. Ist die oberste Treppenstufe blockiert, wird die Arbeit erheblich erschwert. Aus diesem Grund fallen meiner Meinung nach die Punkte „fehlende Teilhabe der Führung“ und „unpassende Unterstützung durch das Management“ besonders schwer ins Gewicht.
Oft wird auch versucht, Agilität „überzustülpen“; dies wird durch den Punkt „fehlendes Training und Ausbildung“ klar.
Und die genannten Herausforderungen wie „Durchdringung von traditionellen Ansätzen“, „fehlendes Geschäft/Kundschaft/Produkt“, „verstreute Tools und Daten“, „fehlende Lernkultur“ und „wenig Kollaboration und geteiltes Wissen“ finden sich auch relativ häufig in Unternehmen. Sind diese Unternehmen zusätzlich noch diffus und aufgrund interner Probleme wenig leistungsfähig aufgestellt, ist der Weg zum nächsten Leistungslevel relativ weit. Zudem stellt auch eine bewusste Steifigkeit ein massives Problem für einen Wandel dar, insbesondere wenn auch externe Aspekte wie rechtliche oder politische Hindernisse relevant sein können.
Von der Komfortzone zur Wachstumszone
Grundsätzlich verlassen wir in Transformationen unsere Komfortzone. Nach dem 4-Zonen-Modell „lauert“ nach der Komfortzone die Angstzone. Unser Gehirn favorisiert Routine, da es durch sie Energie sparen kann. Energieeinsparung ist ein überlebenswichtiger Faktor in der menschlichen Evolution. Dabei darf man sich vor Auge führen, dass das Gehirn etwa 5% vom menschlichen Gesamtgewicht ausmacht, jedoch etwa 20% der Gesamtenergie verbraucht. Viel zu denken, kostet also viel Kraft. Wir brauchen somit Sinn und daraus folgend Mut, um uns unseren Ängsten stellen. Essenziel dafür ist das Selbstvertrauen in eigene Fähigkeiten im Umgang mit neuen Stressoren und das Wachstum daran. Wer sich seinen Ängsten stellt, kann lernen und daran wachsen.
Wie entsteht echte Agilität?
In der agilen Arbeit sind kurze Feedbackschleifen und schnelle Iterationszyklen ein notwendiger Wesenskern. Zudem kommen noch eine Kultur des Experimentierens und der Umgang mit Kritik.
Kritik zu äußern und zu erfahren, setzt jedoch mehr voraus als man vielleicht denkt. Die Sorge, jemand anderen zu verletzen oder durch die Reaktion des Gegenübers selbst verletzt zu werden, findet sich häufig in der Praxis. Das Spiegeln, die Identifikation von blinden Flecken und auch ein Sparring ist als Einzelperson jedoch nicht möglich. Dem Konstruktivismus folgend darf ein möglicher Konflikt gewinnbringend für alle Beteiligten angegangen werden.
In möglichst kurzer Zeit Ergebnisse zu erbringen, die dann auch noch gemeinschaftlich bewertet werden, kann auch für einen erheblichen Druck sorgen. Dabei ist geteiltes Wissen bekannterweise doppeltes Wissen. Auch hier spielt die Angst für Fehler bestraft, ausgegrenzt oder belächelt zu werden, eine wesentliche Rolle.
Erst wenn sich Mitarbeitende berechtigt fühlen, Neues auszuprobieren, selbständig Lösungen zu finden und sich notwendige Ressourcen selbst zu organisieren, kann eine Experimentierkultur entstehen. Vermeintliche Rückschläge werden über eine resiliente Grundhaltung als Wachstumschance interpretiert. Nur so kann echte Agilität entstehen.
Fazit
Agilität ist ein bedeutender Trend in stürmischen Zeiten. Dass die einzige Konstante unserer heutigen Zeit die Veränderung ist, ist jeden Tag ersichtlich. Leider reicht es nicht, Agilität als solches zu definieren oder anzuordnen. Oberflächliche Maßnahmen greifen nicht bei der Wurzel an und wirken entsprechend häufig nicht nachhaltig genug. Tiefe Probleme in der Kultur des Unternehmens, ob nun auf Kommunikations- oder Organisationsebene, behindern eine Veränderung erheblich. Hier darf die eigene Resilienz erst aufgebaut werden.
Um Mitarbeitende nicht nur zu befähigen und mitzunehmen, sondern sie so zu stärken, dass sie sich selbst weiterentwickeln, bedarf es Selbstführungskraft. Ohne eine resiliente Haltung, mit der Fehler zum Lernerfolg gemacht werden, trauen sich Mitarbeitende oft nicht einmal aus ihrer Komfortzone heraus. Notwendige Impulse werden so vermieden und das Lernen kann nicht stattfinden. Oder zusammenfassend formuliert: Agilität funktioniert nicht ohne Resilienz.
Hinweise:
Wenn Ihnen der Beitrag gefällt oder Sie darüber diskutieren wollen, teilen Sie ihn gerne in Ihrem Netzwerk.
Die Kombination aus Agilität und Resilienz beschreibt Tim Robert Zander gerne mit dem Wort Start-up-Geist. Eine Herangehensweise, die dafür ausgelegt ist, nach vorne zu gehen, und Hinfallen nutzt, um zu lernen, so dass steter Fortschritt möglich wird.
Falls Sie mehr über Tim Robert Zander und den Start-up Geist erfahren wollen, könnten Sie seinen lesenswerten Newsletter auf LinkedIn abonnieren, auf resilienz.consulting vorbei schauen oder ihm eine Nachricht an info@agilität.consulting schicken.
Tim Robert Zander
Tim Robert Zander ist Jungunternehmer und im Bereich Beratung, Training und Ausbildung tätig. Während seines Studiums an der Technischen Universität Berlin begann er Fördermittel zu akquirieren, um im Rahmen vom Change-Management-Projekten zu forschen, nachhaltige Lösungen zu entwickeln und die Lehre zu reformieren. Mit hervorragenden Ergebnissen und dem Wunsch gesellschaftlich noch mehr zu bewirken, begab er sich in die Start-up-Welt. Dort gründete er mehrfach eigene Unternehmungen und begleitete Gründerinnen und Gründer auf ihrem Weg. Durch die vielen Projekte konnte er sehr viel lernen, Kompetenzen aufbauen und das Gefühl für einen Start-up-Geist entwickeln.
Aktuell arbeitet Tim Robert Zander als Mitgründer im Agilität Consulting und im Resilienz Consulting. Dabei liegt sein Fokus auf der Verbindung von Agilität und Resilienz. Er nutzt dies, um Unternehmen beispielsweise im Vertrieb oder Marketing neu aufzustellen oder Führungskräfte zum Resilienz Coach Business auszubilden. Zudem fungiert er als Sparringspartner für unternehmerische Fitness und ist als Boxtrainer tägig. All das fasst er unter der Personenmarke „Start-up-Wikinger“ zusammen.