Drei Fragen über digitale Transformation
Ein Gespräch mit Sandra Brauer über die digitale Transformation
Sandra Brauer hat sich als Veränderungsbegleiterin auf die Unterstützung von Einzelpersonen und Teams in digitalen Transformationsprozessen spezialisiert. Mit ihrem umfassenden Angebot als systemische Beraterin, Coach und Stolpersteintrainerin bietet sie individuelle Lösungen zur Stärkung digitaler und sozialer Kompetenzen.
Ihre Arbeit zielt darauf ab, Führungskräfte und Organisationen durch den Wandel zu führen, indem sie emotionale Stabilität und digitale Resilienz fördert. Sandra Brauer ist somit die genau richtige Ansprechpartnerin für die folgenden drei Fragen:
Wie kann ich Menschen für digitalen Wandel begeistern?
Sandra Brauer: Oftmals ist es nicht nur fehlende Begeisterung, sondern auch Widerstand, der im Kontext der digitalen Transformation erlebt wird. Einen Umgang mit diesem zu entwickeln, kann so manches Mal ein steiniger Weg sein. Meine Empfehlung wäre, vom Widerstand zunächst über die Akzeptanz hin zur Begeisterung zu gelangen.
Hinter jedem Widerstand verbirgt sich häufig ein guter Grund. Dieser könnte einerseits in der Persönlichkeit verankert sein oder oftmals durch die Erfahrungen der Beteiligten in Vorgängerprojekten entstanden sein.
Nach dem Riemann-Thomann-Modell¹ gibt es nach Dauer und Beständigkeit oder nach Wechsel und Veränderung ausgerichtete Persönlichkeiten. Widerstand oder vielleicht auch ausbleibende Begeisterung für Neues könnte daher im Persönlichkeitstypus begründet liegen. Gegen diese Grundausrichtung eines Menschen anzukämpfen, wäre für mich der falsche Weg und würde sich gegen die Bedürfnisse der Beteiligten richten. Für mich ist dies ebenso der Fall bei Widerstand, der in den Vorerfahrungen der Personen begründet liegt. Vielleicht wurden die Erwartungen an bisherige IT-Projekte nicht erfüllt, das Engagement in der Vergangenheit wurde nicht entlohnt, die Vorhaben sind sehr belastend gewesen oder sogar gescheitert. Für mich wären daher der Widerstand und die ausbleibende Begeisterung verständliche Reaktionen. Somit würde ich hier immer für die Akzeptanz sämtlicher aufkommender Emotionen werben. Den Perspektivwechsel einzunehmen und die gute Absicht der Widerständler:innen erkennen zu wollen, könnte hierbei helfen. Dies würde auch bedeuten, dass ich als Begleiter:in oder auch Gestalter:in im Wandel nah an den Beteiligten dran sein muss, um aufkommende Emotionen überhaupt wahrzunehmen. So sollte ich daher regelmäßig das Gespräch suchen, mich im Zuhören und in empathischem Verhalten üben.
In einem zweiten Schritt sollten die Vorzüge der Digitalisierung und die daraus für die Beteiligten resultierenden Möglichkeiten in den Vordergrund gestellt werden. Ein Schlüsselaspekt ist die Vermittlung, wie die zukünftig eingesetzten digitalen Werkzeuge und Prozesse den Arbeitsalltag vereinfachen oder ganz allgemein verbessern können. Es ist wichtig, eine offene und unterstützende Kultur zu schaffen, in der Lernen und Experimentieren gefördert werden. Zudem kann durch die Stärkung des Teamzusammenhalts die Motivation und auch häufig in IT-Projekten nötiges Durchhaltevermögen gesteigert werden.
Herausfordernd kann es werden, wenn Lernen und Weiterentwicklung über Jahre nicht auf der Agenda der Mitarbeitenden standen. Insbesondere Führungskräfte sollten stets als Vorbilder agieren, ihre eigenen digitalen Kompetenzen erweitern, kontinuierlich in die Weiterbildung und Weiterentwicklung ihrer Teams investieren sowie Neugier und Interesse an technologischen Trends zeigen und auch weitergeben und Zuversicht beim Blick in Richtung Zukunft vermitteln.
Es geht vor allem darum, den Menschen zu zeigen, wie sie aktiv Gestaltende des digitalen Wandels werden können, statt diesen nur zu erleben oder sogar zu erdulden.
Welche Kompetenzen sind für unsere digitale Arbeitswelt der Zukunft besonders relevant?
Sandra Brauer: Gerade im Hinblick auf die Geschwindigkeit der technologischen Entwicklung sehe ich vor allem, wie eben bereits angedeutet, die Bereitschaft zum lebenslangen Lernen und sich weiterentwickeln zu wollen. Gerade auch in Bezug auf die Sorge, die immer wieder in Studien zitiert wird, dass der eigene Job irgendwann wegfallen wird, braucht es Selbstverantwortung und Engagement, um die eigene Zukunft mitgestalten zu wollen.
Und nicht nur das. Unsere Arbeitswelt ändert sich mit fortschreitender Digitalisierung rasant. Grenzenloses – von Zeit und Ort unabhängiges Arbeiten – erfordert ein gutes Abgrenzungsvermögen und als Grundlage dessen Achtsamkeit und Selbstreflexion, um die eigenen Grenzen und Bedürfnisse nicht aus dem Blick zu verlieren.
Zudem sehe ich auf der sozialen Ebene Kompetenzen, wie die Fähigkeit zur Zusammenarbeit und Kommunikation in virtuellen Teams. Hilfreich ist gewiss auch kritisches Denken, um Informationen bewerten und Entscheidungen treffen zu können und zum Beispiel auch nicht jedem Digitalisierungstrend zu folgen.
Für die digitale Arbeitswelt der Zukunft und die entsprechende Transformation sind zudem Anpassungsfähigkeit, also Agilität im Hinblick auf sich ständig ändernde Bedingungen und Anforderungen von außen notwendig. Die Fähigkeit, Veränderungen zu navigieren und Resilienz in Zeiten des Wandels zu zeigen, wird wichtig sein. Sich in Flexibilität zu üben, mit den Wellen und nicht gegen den Strom zu schwimmen, könnte hier ein passendes Bild sein.
Wie bleibe ich gesund in digitalen Zeiten?
Sandra Brauer: Ich denke bei dieser Frage vor allem an unser mentales Wohl. Natürlich gibt es weitere Einflussfaktoren, wie Sport, Ernährung und andere physische Rahmenbedingungen, die darüber hinaus in den Blick genommen werden sollten. Wir wissen, dass das physische Wohl unser mentales Wohl beeinflusst und umgekehrt.
Zwei Aspekte beachte ich bei mentaler Gesundheit besonders:
1. Digitale Achtsamkeit
Höher, schneller, weiter – der digitale Strukturwandel verändert so rasant unsere Arbeitswelt und nimmt dabei auch Einfluss auf unser Privatleben. So wird es meines Erachtens immer wichtiger, Selbstwahrnehmung und Achtsamkeit, ja, vielleicht sogar eine digitale Achtsamkeit zu entwickeln.
Nur, was ist dabei eigentlich unser Ziel? Was streben wir an? Eines meiner Mantren ist „Lass uns die (digitale) Arbeitswelt der Zukunft so gestalten, dass sie uns Menschen mehr stärkt als schwächt“. Es ist angelehnt an die Grundhaltung des New-Work-Ansatzes von Frithjof Bergmann. Als Untertitel würde hier für mich stehen: „Wie kann ich möglichst zufrieden und gesund – beruflich als auch privat – mein Leben gestalten?“
Habe ich für mich selbst ein Ziel definiert, kann ich nun immer wieder achtsam innehalten und hinterfragen:
- Wie geht es mir eigentlich wirklich gerade?
- Will ich das, was ich gerade tue, wirklich?
Will ich die E-Mails auch am Wochenende bearbeiten? Tut es mir gut, wenn ich auf meinem Privat-Handy mit Kolleg:innen, Vorgesetzten oder auch Kund:innen kommuniziere? Sollte ich wirklich “Ja” zur Beteiligung am KI-Projekt sagen?
Wenn “ja”, dann weiter so – wenn nein, was lässt sich ändern? Gerade auch diese Fragen, immer wieder im Hinblick auf die Arbeit im Team, zu klären, kann helfen, die innere Ausrichtung, den inneren Kompass im Hinblick auf Werte, also Motive, Ziele und Bedürfnisse, nicht aus dem Blick zu verlieren.
Für mich ist die Retrospektive² aus dem Scrum eine wunderbare Methode, die die Team-Achtsamkeit stärkt. Gemeinsam im Team die Stop-Taste drücken und sich den folgenden Fragen widmen:
- Können wir so gut miteinander arbeiten oder
- müssen/sollten wir etwas verändern?
Die digital-sozialen Kompetenzen wie Selbstreflexionsfähigkeit, Agilität und Teamzusammenhalt können dadurch positiv beeinflusst werden. Auch die Stärkung des Team-Zusammenhalts (siehe Antwort auf Frage 1) wirkt positiv auf unsere Widerstandsfähigkeit im Wandel und in Krisen und macht uns digital resilient.
2. Digitale Pausen
Oftmals wird von „Digital Detox“, der digitalen Entgiftung, gesprochen. Dies versuche ich persönlich zu vermeiden, da ich Digitalisierung nicht als Gift wahrnehmen möchte. Sie ist für mich eher eine Möglichkeit, die unser Leben bestenfalls erleichtert.
Um die mentale Gesundheit zu bewahren, ist es essentiell, sich in digitaler Achtsamkeit zu üben und bewusst Pausen von digitalen Geräten und digitaler Interaktion einzulegen. Auf diese Weise können wir eine Reizüberflutung und damit möglicherweise Stress vermeiden.
Achtsamkeitsübungen, Progressive Muskelentspannung, Meditation und Sport als auch Musik können helfen, Stress zu reduzieren und zudem die Konzentration zu verbessern. Die Priorisierung von ausreichendem Schlaf und die Entwicklung von Routinen, die Offline-Zeit beinhalten, unterstützen ebenfalls ein gesundes, mentales Gleichgewicht.
Hinweise:
[1] Riemann-Thomann-Modell
[2] Verschiedene Arten von Retrospektiven
Hier finden Sie einen Podcast von Sandra Brauer und Dierk Söllner über die Kunst, nein zu sagen.
Hier beschreibt Sandra Brauer, wie Sie digitalen Stress einfach mal abschalten.
Und hier nennt Sandra Liane Braun 19 Fragen zur Selbstreflexion zum Stressfaktor Digitalisierung.
Wünschen Sie sich etwas Unterstützung im digitalen Wandel? Dann sprechen Sie Sandra Brauer einfach an.
Im t2informatik Blog hat Sandra Brauer unter anderem Beiträge über den Umgang mit Veränderungen oder systemisches Denken und Handeln am Arbeitsplatz veröffentlicht.
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Es gibt weitere Beiträge aus der t2informatik Blogserie „Drei Fragen …“:
Michael Schenkel
Leiter Marketing, t2informatik GmbH