WIIFM
Wissen kompakt: WIIFM steht für What’s in it for me und adressiert die Frage nach dem persönlichen Nutzen, der eine Botschaft relevant und nachvollziehbar macht.
WIIFM: Der Nutzen im Blick
„Der Preis für einen Kaffee in Caracas ist seit Jahresbeginn um zehn Prozent gestiegen.“ Diese Information lässt Sie vermutlich kalt. Sie betrifft Ihren Alltag nicht, sie verändert keine Entscheidung und sie hat für Sie keinen erkennbaren Wert.
Würden Sie jedoch in Venezuela leben, dort geschäftlich unterwegs sein oder Preisentwicklungen in instabilen Volkswirtschaften beobachten, wäre die gleiche Information plötzlich interessant. Sie würde einordnen helfen, ob sich lokale Lebenshaltungskosten verändern oder ob sich eine wirtschaftliche Entwicklung abzeichnet, die für Sie relevant ist. Die Botschaft bleibt objektiv identisch, aber ihr Wert verändert sich durch Ihren Kontext.
Dieses einfache Beispiel zeigt das Prinzip hinter WIIFM. WIIFM steht für What’s In It For Me und beschreibt ein Kommunikationskonzept, das den erlebten Nutzen einer Botschaft in den Mittelpunkt stellt. Es geht um die Frage, welchen Vorteil, welche Bedeutung oder welche Orientierung eine Information für die empfangende Person hat.
Der Begriff stammt aus Marketing und Change Kommunikation. Ursprünglich wurde er genutzt, um Kundinnen und Kunden besser abzuholen und Veränderungen in Organisationen verständlicher zu machen. Heute findet WIIFM Anwendung in nahezu allen Bereichen, in denen Aufmerksamkeit, Akzeptanz oder Motivation eine Rolle spielen: in Produktkommunikation, Führung, Recruiting, Projektarbeit und interner Kommunikation.
Im Kern beschreibt WIIFM ein grundlegendes Wahrnehmungsprinzip. Menschen schenken Informationen nur dann Beachtung, wenn sie verstehen, warum diese Informationen für ihre eigene Situation relevant sind. Nutzen schafft Aufmerksamkeit. Relevanz entsteht durch Kontext. Ohne beides bleibt eine Botschaft wirkungslos, selbst wenn sie objektiv korrekt oder wichtig wäre.
Die Ebenen des Nutzens
Ein wirksames WIIFM erschöpft sich nicht in einem allgemeinen Vorteil. Menschen reagieren auf unterschiedliche Formen von Nutzen. Je klarer diese Ebenen benannt werden, desto verständlicher und überzeugender wird eine Botschaft. In der Praxis lassen sich fünf zentrale Nutzenarten unterscheiden.
1. Persönlicher Nutzen
Dies betrifft konkrete Vorteile, die direkt spürbar sind. Dazu gehören Zeitgewinn, weniger Aufwand, einfachere Abläufe oder bessere Ergebnisse. Persönlicher Nutzen wirkt sofort, weil er eine unmittelbare Entlastung oder Verbesserung verspricht.
2. Kontextbezogener Nutzen
Manche Vorteile entfalten sich erst im Zusammenspiel von Menschen, Teams oder Abteilungen. Dazu zählen klarere Zuständigkeiten, transparenter Informationsfluss oder effizientere Zusammenarbeit. Diese Form des Nutzens stärkt das gemeinsame Arbeiten und verbessert Prozesse.
3. Symbolischer Nutzen
Symbole beeinflussen Selbstbild und Außenwirkung. Ein neues Werkzeug, eine neue Rolle oder eine neue Form der Zusammenarbeit kann Anerkennung vermitteln, Status klären oder die eigene Kompetenz sichtbar machen. Symbolischer Nutzen wirkt oft subtil, aber stabil.
4. Emotionale Sicherheit
Menschen achten auf Signale, die Unsicherheit reduzieren. Eine Veränderung wird eher akzeptiert, wenn sie Orientierung bietet, Risiken senkt oder die Verlässlichkeit im Alltag erhöht. Emotionale Sicherheit ist ein unterschätzter Bestandteil jeder Nutzenkommunikation.
5. Erwartungsbezogener Nutzen
Dieser Nutzen entsteht, wenn Menschen nachvollziehen können, welche Ergebnisse eine Maßnahme realistischerweise bringen soll. Klare Erwartungen reduzieren Missverständnisse und erleichtern Entscheidungen. Ein WIIFM, das diese Ebene adressiert, schafft Klarheit statt Interpretationsräume.
Diese fünf Ebenen erklären, warum Nutzenkommunikation differenziert sein muss. Je genauer Organisationen verstehen, was Menschen in einer konkreten Situation als Nutzen wahrnehmen, desto gezielter und wirksamer können sie kommunizieren.
Psychologische Grundlagen von WIIFM
WIIFM wirkt nicht, weil Menschen eigennützig sind, sondern weil unser Gehirn Informationen nach Relevanz sortiert. Aufmerksamkeit folgt Mustern, die tief verankert sind. Wer diese Muster kennt, versteht, warum Nutzenkommunikation wirkt und warum Botschaften ohne erkennbaren Wert kaum Beachtung finden.
Aufmerksamkeitsökonomie
Menschen können nur einen Bruchteil der verfügbaren Reize verarbeiten. Unser Gehirn filtert daher konsequent. Inhalte, die keinen Bezug zur eigenen Situation haben, rutschen durch dieses Raster. Inhalte mit erkennbarem Nutzen hingegen werden bevorzugt verarbeitet. WIIFM sorgt dafür, dass eine Botschaft überhaupt wahrgenommen wird.
Verlustaversion
Menschen reagieren stärker auf mögliche Verluste als auf mögliche Gewinne. [1] Wird ein Nutzen nicht klar benannt, erscheint eine Veränderung oft als Risiko. Ein WIIFM, das Aufwand, Unsicherheit oder Komplexität reduziert, nimmt dieser Wahrnehmung die Schärfe und erhöht die Akzeptanz.
Kognitive Entlastung
Das Gehirn bevorzugt einfache, nachvollziehbare Informationen. Ein klares WIIFM zeigt, worum es geht, warum es relevant ist und was konkret erwartet werden kann. Dadurch sinkt der mentale Aufwand. Je geringer die Belastung, desto eher wird eine Botschaft verstanden und verarbeitet.
Soziale Motivation
Menschen orientieren sich an Zugehörigkeit, Status, Fairness und Autonomie. Diese Bedürfnisse beschreibt unter anderem das SCARF-Modell. Botschaften, die diese Bedürfnisse ansprechen, erzeugen Vertrauen und Offenheit. Ein WIIFM kann daher auch sozialer Natur sein, etwa durch mehr Einfluss, mehr Orientierung oder mehr Sicherheit im Team.
Bedeutung und Orientierung
Das Gehirn reagiert positiv auf Informationen, die helfen, Situationen einzuordnen und Entscheidungen zu treffen. Ein klarer Nutzen schafft Bedeutung. Bedeutung erzeugt Orientierung. Orientierung stabilisiert Verhalten. Ein WIIFM, das diesen Zusammenhang bedient, wird als hilfreich und unterstützend erlebt.
Diese Mechanismen zeigen, warum Menschen Botschaften bevorzugen, die ihnen einen nachvollziehbaren Vorteil bieten. Nutzen schafft Aufmerksamkeit, reduziert Unsicherheit, erleichtert Entscheidungen und stärkt Orientierung. WIIFM funktioniert deshalb nicht als rhetorischer Trick, sondern als Ausdruck grundlegender Wahrnehmungsprozesse. Wer versteht, wie diese Prozesse wirken, kann Kommunikation so gestalten, dass sie anschlussfähig wird.
Typische Fehler beim Einsatz von WIIFM
Obwohl das Prinzip simpel klingt, bleibt WIIFM in vielen Organisationen wirkungslos. Das liegt selten am Konzept, sondern meist an seiner Umsetzung. Die folgenden Fehler gehören zu den häufigsten:
- Nutzen wird behauptet, aber nicht gezeigt. Viele Botschaften enthalten Formulierungen wie Das macht alles einfacher oder Das führt zu mehr Effizienz. Solche Aussagen bleiben abstrakt und erzeugen keinen erlebbaren Vorteil. Ein WIIFM wirkt erst dann, wenn der Nutzen konkret, sichtbar und nachvollziehbar ist.
- Vorteile bleiben zu allgemein. Ein Nutzen, der für alle gelten soll, erreicht oft niemanden. Wenn Menschen ihre eigene Situation nicht wiederfinden, verpufft die Botschaft. Je spezifischer die anvisierte Zielgruppe ist, desto präziser lässt sich der Nutzen formulieren.
- Funktionen statt Effekte. In vielen Kommunikationen stehen Funktionen im Mittelpunkt. Doch Funktionen sagen wenig darüber aus, was sich für die empfangende Person tatsächlich verändert. WIIFM beschreibt nicht, was etwas kann, sondern was es bewirkt.
- Nutzen kommt zu spät. Der Nutzen wird häufig erst am Ende einer Botschaft erwähnt, manchmal sogar nur als Ergänzung. Aufmerksamkeit entsteht jedoch am Anfang. Wenn der Vorteil erst nach mehreren Absätzen auftaucht, haben viele Lesende gedanklich bereits abgeschaltet.
- Individuelle Perspektiven fehlen. In Teams treffen unterschiedliche Rollen, Erwartungen und Arbeitsrealitäten aufeinander. Eine einzige WIIFM Botschaft reicht selten aus. Was für eine Entwicklerin hilfreich ist, ist für eine Produktmanagerin möglicherweise irrelevant. Organisationen unterschätzen häufig, wie stark sich Perspektiven unterscheiden.
- Fehlende Glaubwürdigkeit. Ein WIIFM setzt Vertrauen voraus. Werden Vorteile überhöht dargestellt oder lassen sie sich im Alltag nicht erleben, sinkt die Akzeptanz. Menschen reagieren sensibel auf Widersprüche zwischen Ankündigungen und Realität. Ein WIIFM, das nicht mit dem Erleben übereinstimmt, verliert sofort an Wirkung.
Diese Fehler zeigen, dass WIIFM mehr ist als das schnelle Ergänzen eines Vorteils. Es ist eine bewusste Übersetzung einer Maßnahme in konkrete Bedeutung für eine Zielgruppe.
WIIFM in der Praxis
Ein wirksames WIIFM zeigt nicht, was eine Organisation plant, sondern was eine Maßnahme für die beteiligten Menschen bedeutet. Entscheidend ist die Übersetzung vom Vorhaben zur konkreten Wirkung im Alltag. Die folgenden Beispiele verdeutlichen, wie sich dieser Perspektivwechsel umsetzen lässt.
Beispiel: Change-Kommunikation
Schlecht: Wir führen ein neues System ein.
Gut: Sie arbeiten schneller, weil das neue System Routineaufgaben übernimmt und wichtige Informationen leichter auffindbar sind.
Schlecht: Wir vereinheitlichen unsere Prozesse.
Gut: Sie benötigen weniger Rückfragen, weil Abläufe eindeutiger sind und Entscheidungen schneller getroffen werden können.
Beispiel: Internes Projektmanagement
Schlecht: Wir ändern unsere Reporting-Struktur.
Gut: Sie sparen Zeit, weil Wiederholungen entfallen und Informationen an einer Stelle zusammenlaufen.
Schlecht: Wir führen neue Meeting-Regeln ein.
Gut: Sie gewinnen mehr Fokus, weil Treffen kürzer werden und Entscheidungen klarer dokumentiert sind.
Beispiel: Führung und Zielklärung
Schlecht: Wir erwarten mehr Eigenverantwortung.
Gut: Sie erhalten mehr Einfluss auf Entscheidungen und können Abläufe direkter steuern.
Schlecht: Wir passen unsere Rollen an.
Gut: Sie erhalten mehr Klarheit darüber, welche Aufgaben Priorität haben und wo Sie Unterstützung bekommen.
Beispiel: Recruiting
Schlecht: Wir suchen Verstärkung für unser Team.
Gut: Sie arbeiten in einem Umfeld, das Verantwortung fördert und Raum für persönliche Entwicklung bietet.
Schlecht: Wir bieten flexible Arbeitszeiten.
Gut: Sie können Ihre Arbeit besser an Ihr privates Umfeld anpassen und bleiben im Alltag beweglicher.
Beispiel: Interne Kommunikation
Schlecht: Wir veröffentlichen neue Richtlinien.
Gut: Sie vermeiden Fehler und Unsicherheiten, weil Regeln verständlicher und leichter zugänglich sind.
Schlecht: Wir erweitern unser Intranet.
Gut: Sie finden wichtige Informationen schneller, weil Inhalte strukturierter dargestellt und besser durchsuchbar sind.
Diese Beispiele zeigen ein Muster: Eine schlechte Formulierung beschreibt eine Maßnahme. Eine gute Formulierung beschreibt eine konkrete Veränderung für die Zielgruppe. Erst durch diese Übersetzung erhält eine Botschaft Relevanz, Orientierung und Wirkung.
Impuls zum Diskutieren
Dient WIIFM eher der Klarheit oder wird es eher genutzt, um Maßnahmen attraktiver erscheinen zu lassen, als sie sind?
Hinweise:
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[1] Warum wiegen Verluste schwerer als Gewinne?
Hier finden Sie ein interessantes Video: How To Apply The WIIFM What’s In It For Me Principle In Your Marketing
Hier finden Sie ergänzende Informationen aus unserem t2informatik Blog:



