Wie nachhaltig sind Softwareunternehmen?

Gastbeitrag von | 10.08.2023

Technik wird uns helfen, in einer besseren Welt zu leben. Sind die Softwareunternehmen bereit, ihre Verantwortung für eine nachhaltige Transformation der Weltwirtschaft wahrzunehmen?

Einer meiner Lieblingsfilme aller Zeiten ist „Imitation Game“.1 Er dreht sich um das Leben des Mathematikgenies Alan Turing2, der während des Zweiten Weltkriegs die berühmten „Enigma“-Codes der Nazis entschlüsselt und so viele Menschenleben gerettet hat. Turing entwickelte später einige der frühesten Computerprogramme, bevor es überhaupt Computer gab. Er blieb ein Held, der motiviert war, einige der größten Probleme der Welt zu lösen, und verstand es, die Wissenschaft und insbesondere die Technologie in die Lösung einzubeziehen. Er war auch einer der ersten Forscher auf dem Gebiet der künstlichen Intelligenz.

Ich kann mir nur vorstellen, wie lohnend es für Erfinder und Programmierer sein muss, leistungsstarke Software zu entwickeln, schwerwiegende Probleme zu lösen oder Cyberangriffen zu verhindern. Ich fand dennoch einen Weg, an der aufregenden Welt der Software teilzuhaben – und das tue ich auch weiterhin als Nachhaltigkeitsberaterin für Technologieunternehmen.

Nachhaltigkeit bedeutet zum einen, negative Auswirkungen auf Umwelt und Gesellschaft zu minimieren. Zum anderen bedeutet es, die guten Auswirkungen unseres Handelns zu maximieren. Wir versuchen immer, ein Gleichgewicht zwischen diesen beiden Aspekten zu finden, und das gilt auch für Unternehmen.

Wenn wir über nachhaltiges Wirtschaften sprechen, berücksichtigen wir zwei Teile:

  1. Die Art und Weise, wie ein Unternehmen seinen eigenen Betrieb führt (der „Fußabdruck“).
  2. Wie seine Produkte und Dienstleistungen anderen Organisationen zu mehr Nachhaltigkeit verhelfen (der „Handabdruck“).

 

Wie können Softwareunternehmen die Nachhaltigkeit ihrer eigenen Betriebe messen und berichten?

Wie nachhaltig ein Unternehmen arbeitet, hängt von seinem spezifischen Geschäftsmodell, seiner Branche, seiner Größe und seiner geografischen Reichweite ab. Die Nachhaltigkeitskriterien, die zur Messung und Verbesserung verschiedener Aspekte verwendet werden, tragen zu dem bei, was wir den „Fußabdruck“ eines Unternehmens nennen.

Die von den International Financial Reporting Standards (IFRS)3 und dem kürzlich gegründeten International Sustainability Standards Board (ISSB)4 herausgegebenen Standards für die Nachhaltigkeitsberichterstattung enthalten branchenspezifische Kennzahlen. Sie ermöglichen die Vergleichbarkeit innerhalb einer Branche und bilden die Grundlage für die Bewertung der Wesentlichkeit. Die SASB-Standards, die jetzt Teil der IFRS sind, führen die folgenden Offenlegungsthemen für Software und IT-Dienstleistungen auf:

  • Ökologischer Fußabdruck der Hardware-Infrastruktur
  • Datenschutz und Freiheit der Meinungsäußerung
  • Datensicherheit
  • Rekrutierung und Management einer globalen, vielfältigen und qualifizierten Belegschaft
  • Schutz des geistigen Eigentums & Wettbewerbsverhalten
  • Umgang mit systemischen Risiken durch technologische Unterbrechungen

Wenn Sie mit dem Akronym ESG5 vertraut sind, werden Sie feststellen, dass sich diese Themen über alle Buchstaben erstrecken – von Environment bis hin zu Sozialen und Governance-Themen.

Die Analyse der für Software und IT spezifischen Kriterien der Nachhaltigkeit ist ein pragmatischer Weg, um Ihre Berichterstattung zu beginnen. Sie schafft Transparenz für Investoren, die an diese Art der Berichterstattung gewöhnt sind, und für die Aufsichtsbehörden. Außerdem erhalten alle Stakeholder einen klaren Überblick über die Nachhaltigkeitsleistung eines Unternehmens. Klare Metriken und KPIs ergänzen die Richtlinien mit echten Leistungsdaten, die im Zeitverlauf und innerhalb der Branche vergleichbar sind.

Einer der wichtigsten Offenlegungsbereiche, die sowohl von europäischen als auch von globalen Standards gefordert werden, ist die Beschreibung der Unternehmensstrategie, einschließlich einer Analyse der nachhaltigkeitsbezogenen Auswirkungen, Risiken und Chancen. Diese Analyse geht über die Grenzen des Unternehmens hinaus und erstreckt sich auf die Lieferkette, das Partner-Ökosystem, die Kunden und die Umwelt.

Positive Auswirkungen maximieren

„Handabdruck“ ist ein Begriff, der als Ergänzung zum allgemein bekannten „Fußabdruck“ verwendet wird und sich auf die positiven Auswirkungen von Organisationen konzentriert. Er wurde vom Centre for Environment Education6 in Indien entwickelt und ist „ein Maß dafür, was wir individuell und gemeinsam tun können, um das Gleichgewicht zwischen Verbrauch und Belastbarkeit des Planeten wiederherzustellen.“

Laut dem Portal klimafakten.de ist der Handabdruck ein Konzept, das für mehr Optimismus sorgen kann, indem es die positiven Auswirkungen des Klimaschutzes sichtbar und greifbar macht. Es bringt Inspiration statt Frustration, Aktion statt Lähmung. Darüber hinaus spielt die Kommunikation über die Bemühungen und Ergebnisse zur Förderung positiver Auswirkungen eine zentrale Rolle.

Die meisten Softwareunternehmen sind bestrebt, ihren positiven Einfluss zu maximieren, indem sie ihren Kunden, Unternehmen oder Endnutzern, Werkzeuge zur Verfügung stellen, um nachhaltiger zu werden. Viele Menschen, die für diese Unternehmen arbeiten, sehen ihren Sinn darin, Teil einer größeren Mission zu sein – die Welt zu verändern. Ich weiß, dass ich das tue.

Nachhaltige Transformation: Menschen, Prozesse und Technologie

Damit ein Unternehmen erfolgreich sein kann, muss es das Dreieck aus Menschen, Prozessen und Technologie berücksichtigen. Nachhaltige Transformation berührt die gleichen Aspekte:

  1. Menschen: ESG ist nicht die Aufgabe einer einzelnen Person (des Direktors für Nachhaltigkeit), sondern Teamarbeit, die sich über alle Abteilungen erstreckt und von der Geschäftsführung geleitet wird.
  2. Prozesse: Nachhaltigkeit sollte in alle Abläufe integriert werden. Wenn sie auf eine einzelne Abteilung beschränkt ist, bleibt es oft in der CSR (Corporate Social Responsibility) Abteilung.
  3. Technologie: Wie bei den Menschen und den Prozessen sollte auch die Software für nachhaltige Abläufe in alle anderen Managementinstrumente des Unternehmens integriert werden.

Ein Beispiel ist die Nachhaltigkeitsberichterstattung: Sie basiert auf Daten aus verschiedenen Abteilungen, die in unterschiedlichen Systemen gespeichert sind – von ERP bis CRM, von HR bis Produktion.

Ein weiteres Beispiel ist die Kreislaufwirtschaft. Wenn die derzeitige Planungssoftware nur die klassischen Modelle der Herstellung und des Verkaufs unterstützt, das Unternehmen aber plant, zu einem Subskriptionsmodell überzugehen, d. h. zu mieten, statt zu besitzen und zu reparieren, statt zu ersetzen, wird die Umstellung schwierig sein. Niemand möchte ein komplettes ERP-System abreißen und ersetzen.

Das Recycling von Produkten ist ein weiterer Bereich, der eine grundlegende digitale Transformation erfordert. Die Art und Weise, wie Unternehmen gebrauchte Produkte zurücknehmen, demontieren und die Bestandteile wiederverwenden, muss sich in der Buchhaltung, der Materialwirtschaft und allen anderen relevanten Systemen widerspiegeln.

Den Software- und IT-Dienstleistern kommt dabei eine entscheidende Rolle zu, denn sie können diesen Wandel einleiten oder verhindern.

Softwareunternehmen: Den Benutzern helfen, nachhaltig zu werden

Was bedeutet das nun für Softwareunternehmen? Sie müssen die Nachhaltigkeit in ihre Softwarelandschaft integrieren. Wenn sie Nischenlösungen wie ESG-Berichterstattung oder Emissionsmessung und -management anbieten, müssen sie sicherstellen, dass die Lösung in bestehende Systeme integriert werden kann. Nischenlösungen können manuelle, Excel-basierte Berichte ersetzen – sie sollten aber nicht für sich alleinstehen oder von den Kernsystemen des Unternehmens getrennt sein.

Damit Nachhaltigkeit im Kern des Unternehmens funktioniert, muss sie in alle Prozesse integriert werden. Vorhandene Softwarelösungen müssen also flexibel genug sein, um tiefgreifende Veränderungen in der Organisation zu unterstützen.

Die gute Nachricht für Softwareunternehmen und ihre Führungskräfte ist, dass ihr Angebot ein Multiplikator für das Positive ist, da es vielen ihrer Kunden helfen wird, nachhaltiger zu werden. Software muss das Fundament einer nachhaltigen Betriebsführung sein. Das ist die neue digitale Transformation. Ihr Vermächtnis als Führungskraft in der Softwarebranche ist Ihr positiver Einfluss auf die Nutzer. Ihr Handabdruck wird mehr zu Ihrem Vermächtnis beitragen als Ihr Fußabdruck.

Alan Turing hat den Hype, den ChatGPT und andere KI-Tools in diesem Jahr ausgelöst haben, wahrscheinlich nicht vorhergesehen. Aber seine frühen Forschungen und sein berühmter „Turing-Test“, mit dem sich überprüfen lässt, ob ein Computer in der Lage ist, wie ein Mensch zu denken, haben Generationen inspiriert.

Firmen in der sogenannten „Green Tech“-Branche entwickeln Tools für verschiedene Bereiche der Nachhaltigkeit, wie Emissionsmessung, Transparenz in der Lieferkette und Berichterstattung. Es gibt neue und innovative Anwendungen von KI in der Nachhaltigkeit. Software- und Technikunternehmen haben zahlreiche Chancen, einen nachhaltigen Einfluss auf Firmen und die Gesellschaft auszuüben. Die immensen Möglichkeiten, mit denen Software die Welt verändern kann, sind heute eine Verpflichtung.

 

Hinweise:

Wollen Sie Ihren positiven Einfluss auf Umwelt, Soziales oder Governance verstärken? Dann lohnt sich ein Besuch auf der schönen Website von Dunn & Falkenstein Consulting.

[1] The Imitation Game
[2] Alan Mathison Turing war ein britischer Mathematiker, Informatiker und Kryptoanalytiker. Er beschrieb einen wesentlichen Teil der theoretischen Grundlagen der Informations- und Computertechnologie und gilt als einer der einflussreichsten Theoretiker der frühen Computerentwicklung. Der nach ihm benannte A. M. Turing Award ist die höchste Auszeichnung im Bereich der Informatik und ist vergleichbar mit dem Nobelpreis oder der Fields-Medaille.
[3] IFRS – International Financial Reporting Standards
[4] ISSB – International Sustainability Standards Board
[5] ESG – Environmental, Social and Governance
[6] Centre for Environment Education

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Olivia Falkenstein
Olivia Falkenstein

Olivia Falkenstein ist Mitbegründerin von Dunn & Falkenstein Consulting und unterstützt Führungskräfte bei der Entwicklung und Kommunikation ihrer Nachhaltigkeitsstrategien. Während ihrer beruflichen Laufbahn in Technikunternehmen hat sie ein Gespür dafür entwickelt, Geschäftsmöglichkeiten und Herausforderungen zu erkennen und festzustellen, wie Unternehmen eine positive Wirkung erzielen können. Ihre Beratung konzentriert sich auf die Verbindung zwischen Zweck und Gewinn.