Was macht Entscheidungen so schwierig?

Gastbeitrag von | 27.02.2025

Unser Leben ist geprägt von Entscheidungen – im Großen wie im Kleinen. Gesalzene oder ungesalzene Butter? Mist, auf dem Einkaufszettel steht Frühlingsquark xyz, kann ich auch einen anderen nehmen, wenn xyz ausverkauft ist? Und entscheide ich das einfach alleine oder bespreche ich das vorher mit meinem Partner oder meiner Partnerin?

Im privaten Kontext kann eine falsche Entscheidung zu eisigem Schweigen am Frühstückstisch führen. Im unternehmerischen Kontext sind die Konsequenzen aber oft viel weitreichender, weshalb es nahe liegt, Entscheidungen gut vorzubereiten. Wäre da nicht die Psychologie, die es uns immer wieder schwer macht, Entscheidungen zu treffen.

Entscheidungsaversion bzw. Entscheidungsprokrastination

Viele Menschen tendieren dazu, Entscheidungen aufschieben. Sie wollen noch einmal über das Thema nachdenken, weitere Informationen abwarten, sich eventuell noch einmal mit einigen Teammitgliedern beraten. Je weitreichender die (unternehmerische) Entscheidung ist, desto eher wird sie aufgeschoben. Natürlich spielen auch Hierarchien und Entscheidungsprozesse im Unternehmen eine Rolle, wie die folgende Grafik von Nucleus Jena verdeutlicht [1]:

Entscheidungsformen - Bessere Entscheidungen im Team treffen

Grundsätzlich gilt aber: Das Schlimmste ist, keine Entscheidung zu treffen. Denn wer sich entscheidet, kann verlieren. Wer sich nicht entscheidet, hat schon verloren.

Wie ich neulich beim Quizduell ganz banal beobachten konnte: Die Moderatorin hatte eine letzte Frist von 10 Sekunden eingeräumt, das Kandidatenteam konnte sich nicht einigen – Zeit um, keine Punkte.

Der innere Konflikt: FÜR das eine entscheiden? Oder GEGEN das andere?

In dem Bestreben, aus einer Vielzahl von Möglichkeiten (möglichst allen denkbaren) eine fundierte Entscheidung treffen zu können, schafft man sich oft durch die selbst verabreichte Alternativenvielfalt ein Maximum an Unsicherheit. Dabei werden oft Faktoren zu bestimmenden Determinanten, die im Gegensatz zu denen, die man auswählt, als Leitplanken fungieren sollten: Oft sind es Faktoren, die man im Unternehmen nicht beeinflussen kann. Budget, Zeitplan, Qualität.

Auch hier spielen mehrere Faktoren eine Rolle: Zum einen wird die Entscheidung dadurch erschwert, dass man im Idealfall alles will. Die perfekte Lösung. Es entsteht der innere Konflikt, dass man danach strebt, OBWOHL man weiß, dass es diese Lösung nicht gibt. Und oft dominiert im Kopf nicht die Freude über die getroffene Entscheidung und die damit gewählte Lösung, sondern der (Phantom-)Schmerz, sich GEGEN die Alternative entschieden zu haben. Dass diese vielleicht besser gewesen wäre, obwohl man nach bestem Wissen und Gewissen entschieden hat.

Eine Unsicherheit, die sich ein durchdachtes Produktmarketing seit Jahren zunutze macht, um den Kunden in seinem Kauf zu bestärken und die „Nachkaufdissonanz“ in Überzeugung und im Idealfall Markenloyalität umzuwandeln: Der Brief oder die E-Mail, die den Käufer nach dem Kauf beglückwünscht, die Produktvorteile noch einmal hervorhebt und gegebenenfalls Testberichte zitiert. Im Grunde eine kontrollierte Postrationalisierung, die positiv bestätigt. Und nicht dazu führt, dass der Entscheider oder die Entscheiderin zur Bekräftigung der Entscheidung die Alternativen im Nachhinein als minderwertig betrachtet. Ein deutlich positiveres Mindset für zukünftige Entscheidungen.

Worüber sich auch Entscheider und Entscheiderinnen in Unternehmen oder Entscheidungsgremien ganz besonders bewusst sein sollten: Wir haben diese Entscheidung getroffen. Sie wird unserem Unternehmen gut tun. Wir haben sie nicht leichtfertig getroffen. Sondern aus Überzeugung. Und wir stehen zu dieser Überzeugung.

Kognitive Störfaktoren

Grundsätzlich macht sich jeder Mensch im Vorfeld einer Entscheidung ausreichend Gedanken, wobei ausreichend sicher von der Tragweite einer Entscheidung und deren Implikationen abhängt (neues Paar Socken vs. neues Kassensystem im Lebensmitteleinzelhandel). Dennoch spielen im Rahmen der Psychologie weitere individuelle Faktoren eine Rolle, die unsere Entscheidungen unbewusst in eine bestimmte Richtung lenken und nur scheinbar objektiv erscheinen lassen.

a) Bestätigungsfehler

Ein Paradebeispiel hierfür ist der sogenannte „Confirmation Bias“ oder auch Bestätigungsfehler/ Bestätigungstendenz, ein Begriff aus der Kognitionspsychologie.

Er bezeichnet im Wesentlichen einen Trichter, den wir uns im Entscheidungsprozess einrichten und der dazu führt, dass wir die für die Entscheidung notwendigen Informationen so identifizieren, auswählen und schließlich interpretieren, dass sie unseren eigenen Erwartungen entsprechen. Wir sprechen hier von einer gefühlten Wahlfreiheit, die wir aber selbst einschränken oder sogar sabotieren. Eine Art kognitive Diktatur. Auch dem kann entgegengewirkt werden, indem man sich dieser Sabotage bewusst wird und gezielt nach Gegenmeinungen und abweichenden Sichtweisen sucht und diese auch tatsächlich in den Prozess einfließen lässt.

b) Verlustaversion

Ein weiterer Faktor ist die sogenannte Verlustaversion, also die stärkere Gewichtung eines negativen Ereignisses gegenüber einem vergleichbaren positiven Ereignis, hier sehr anschaulich dargestellt von The Decision Lab [2]:

Loss Aversion - die stärkere Gewichtung eines negativen Ereignisses gegenüber einem vergleichbaren positiven Ereignis

Auch hier muss im Entscheidungsprozess eine Umkehrung des Denkens geschaffen werden, die die positiven Aspekte der getroffenen Entscheidung gegenüber den potentiell negativen Aspekten der Entscheidung gegen die Alternative überwiegt. Freude über die getroffene Entscheidung und ihre positiven Auswirkungen. Und nicht nur eine rückwärtsgewandte „Hätten wir doch…“-Haltung, wobei eine Überprüfung der Entscheidung, insbesondere der korrekten Umsetzung der Entscheidung, natürlich zwingend ist.

c) Gruppendenken nach Janis

Der Psychologe Irving Janis hat 1982 den Begriff Groupthink maßgeblich geprägt. Unter Groupthink versteht er „eine Denkweise, die meist dann auftritt, wenn in einer Gruppe das Harmoniebedürfnis bei Entscheidungen stärker ist als die realistische Abwägung von Alternativen.“ [3]

Dieses Verhalten kennen wir auch aus der Arbeitswelt: Es wird ein Kompromiss geschlossen, um eine mehrheitsfähige Entscheidung herbeizuführen.
Dies kann natürlich faktisch auf Basis eines Punktesystems erfolgen, aber auch die Punktevergabe durch die Gruppenmitglieder ist wieder ein subjektiver Prozess. Und wenn es eine dominante und redegewandte Persönlichkeit in der Gruppe gibt, kann diese den Prozess steuern und in eine bestimmte Richtung lenken.

Fazit: Die Kunst der Entscheidung – Bewusst treffen, überzeugt handeln

Entscheidungen zu treffen ist selten einfach, doch sie sind der Motor unseres Handelns – im privaten Alltag ebenso wie im unternehmerischen Kontext. Oft zögern wir aus Unsicherheit oder lassen uns von psychologischen Mechanismen wie Bestätigungsfehler, Verlustaversion oder Gruppendenken beeinflussen. Wer diese Denkfallen erkennt, kann bewusster und fundierter entscheiden.

In einfachen Situationen helfen Mehrheits- oder Konsensentscheidungen. Bei komplexen Fragestellungen sind konsultative Einzelentscheide oder Entscheidungen sinnvoll, bei denen niemand gravierende Einwände erhebt.

Perfekte Entscheidungen gibt es selten – doch statt sich von der Angst vor Fehlentscheidungen lähmen zu lassen, lohnt es sich, den Fokus auf die positiven Auswirkungen der getroffenen Wahl zu richten. Denn letztlich zählt nicht nur der Entscheidungsprozess, sondern auch die Überzeugung, mit der man hinter einer Entscheidung steht – und die Freude daran, sie getroffen zu haben.

Hinweise:

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[1] Nucleus Jena: Entscheidungsformen
[2] The Decision Lab: Loss Aversion
[3] Online Lexikon für Psychologie und Pädagogik: Groupthink

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Carsten Riechert
Carsten Riechert

Carsten Riechert ist Diplom-Kaufmann und entwickelt als Marketing-Fachmann seit 1998 Kommunikations- und Markenstrategien für Unternehmen. Seit Beginn seiner Selbständigkeit 2017 liegt sein Fokus zudem auf Change Prozessen und neuen Formen des Projektmanagements. Seine Leidenschaft für Kino und Filme hat er schon seit er im Alter von 6 Jahren „Godzilla und die Urweltraupen“ sah.

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