Streiten Sie noch oder kommunizieren Sie schon?

Gastbeitrag von | 27.06.2022

Sie sind ein Unikum. Einzigartig und wundervoll. Mit treffsicherer Annahme sind Sie völlig anders als ich. Sie sehen nicht nur anders aus als ich, sondern denken auch anders. Sie haben zu verschiedenen Dingen eine andere Meinung als ich und werden mit Sicherheit nicht alles gutheißen, was ich oder andere Personen tun oder wie wir denken und argumentieren. Eigentlich könnte diese Diversität ein wundervoller Vorteil sein, doch als Konfliktmanagerin beobachte ich seit einiger Zeit eine Entwicklung: Menschen hören einander nicht mehr zu und kommunizieren aneinander vorbei. Viele beurteilen und verurteilen Menschen, ohne sich mit dem Gegenüber und seiner konkreten Situation ernsthaft auseinanderzusetzen. Folglich laufen viele Diskussionen ins Leere.

Kommunizieren mit Experten in allen Lebenslagen

Subjektiv empfunden leben wir in einer Gesellschaft, in der jeder eine Meinung zu jedem Thema zu haben scheint. Wir sehen uns als Experten und geben unseren ungefilterten, aber durchaus scharfen Senf zu allen möglichen Themen hinzu. Und jeder scheint dabei zu glauben, seine Meinung sei wichtig und richtig, was fast automatisch bedeutet, dass die Meinung des Gegenübers, wenn sie anders ist, nicht richtig ist.

Wir haben uns daran gewöhnt, in den Sozialen Medien alles zu kommentieren. Wir freuen uns über Kommentare auf unsere Kommentare und sammeln Likes, als wären sie Luft zum Atmen. Wir sind Wirtschaftsexperten, Außenpolitiker, Virologen und Umweltschützer in Personalunion. Wir sind Ankläger und Richter, Psychologen und Oberlehrer. Und wehe, eine Person wagt es, eine Position jenseits des Mainstreams anzunehmen, dann argumentieren wir mit unserem Halbwissen gerne an der Gürtellinie.

“Halt!”, werden Sie vielleicht einwenden. “Nicht alle sind so! Nicht jeder muss zu allem seinen Senf hinzugeben. Und natürlich gibt es auch jene Menschen, die galant über die Fehler anderer hinwegsehen und einfach versuchen, ernsthaft zuzuhören.” Stimmt, diese Menschen gibt es natürlich auch. Vielleicht sind sie in den Sozialen Medien nicht sonderlich sichtbar. Vielleicht gehen sie nicht auf Demos. Und vielleicht sind in ihren Augen alternative Fakten einfach Unwahrheiten. Diese Menschen sind häufig bereit, eigene Positionen zu hinterfragen und die Meinung des Gegenübers als das stehen zu lassen, was sie nun einmal ist: seine Meinung.

Die Fähigkeit zur Kommunikation

Stellen Sie sich vor, Sie haben die Wahl zwischen zwei Optionen:

Option A: Wir suchen den Konflikt in einer Diskussion. Wir beurteilen uns gegenseitig und jeder beharrt auf seiner Position. Natürlich wissen wir stets, was der andere meint oder wieso er „falsch“ denkt. Kurzum: wir machen einander das Leben schwer.

Option B: Wir üben uns in konstruktivem Dialog und begegnen uns mit Empathie und Transparenz. Wir tauschen uns zu einem konkreten Thema aus und wissen, dass Kommunikation nicht einfach ist, obwohl wir uns in derselben Sprachen austauschen. Wir versuchen den Anderen zu verstehen, bevor wir die eigene Meinung und Perspektive kommunizieren. Und: die persönliche Meinung ist nicht wichtiger als die Meinung des anderen.

Welche Option finden Sie erstrebenswerter? Meiner Erfahrung nach setzt Option B die Fähigkeit zur Kommunikation voraus. Diese Fähigkeit basiert auf einem echten Interesse am Gegenüber und am Austausch von Perspektiven und Einschätzungen. Hinzu kommt das Wissen, dass Meinungen stets subjektiv sind und für einen sinnvollen Dialog Toleranz gegenüber anderen Meinungen und Erfahrungen notwendig ist.

Die Zutaten für einen sinnvollen Meinungsaustausch

Wer dahin kommen möchte, Meinungen anderer als solche zu akzeptieren, der braucht Ehrlichkeit und Klarheit. Er muss wissen, was er möchte, und es klar kommunizieren. Natürlich dürfen Positionen auch standfest und durchaus kontrovers vertreten werden. Es geht jedoch primär um den Austausch von Perspektiven, nicht um Recht haben oder bekommen. Damit ein sinnvoller Meinungsaustausch gelingt, sind einige Zutaten – wir könnten sie auch als Gedankenstützen bezeichnen – sehr nützlich:

Es braucht zwei Personen, um einen Streit zu führen, und nur eine Person, um einen Streit zu beenden!

Es ist nie der Gegenüber alleine schuld, wenn gestritten wird! Wenn zwei sich streiten, dann hat JEDER der Beteiligten seinen Anteil daran. Es ist ein aberwitziger Irrglaube, dass wir uns alleine wegen des Kontrahenten streiten. Jede Partei hat den gleichen Anteil, das lässt sich dadurch belegen, dass der Konflikt sofort beendet ist, wenn die eine Hälfte komplett aufhört zu streiten. Also den Konflikt für beendet erachtet. Für einen Streit braucht es immer mindestens zwei Personen, alleine streiten geht nicht. Als Konfliktmanagerin behaupte ich sogar, es gibt überhaupt keine Schuld, sondern nur verschiedene Definitionen von Situationen und Menschen.

Die Schuldfrage ist mitunter ein beliebtes Instrument, um einen Streit am Kochen zu halten. Um nicht nachgeben zu müssen – einfach ausgedrückt, um sich nicht konstruktiv mit einer möglichen Lösung beziehungsweise Klärung zu beschäftigen. Was definitiv sinnvoller und ergebnisweisender wäre.

Sprechen Sie über Sinn und Ziele!

Mit Sicherheit haben Sie andere Werte, Bedürfnisse und Interessen als ich. Sie sind so, wie Sie sind, und ich bin so, wie ich bin – wir könnten uns gegenseitig in Ruhe lassen und den Gegenüber nicht verändern/erziehen. Wenn unsere Meinungen, Sichtweisen und Bedürfnisse und auch unsere Interessen nicht unter einen Hut zu bringen sind, dann könnten wir uns fragen, ob wir überhaupt ein gemeinsames Ziel finden.

Beispiel: Wir unterhalten uns darüber, welcher Antrieb besser ist: Diesel oder Elektro? Ihnen geht es um den größtmöglichen Umweltschutz, um Nachhaltigkeit und den Einklang von Mensch und Natur. Ich muss von A ins weit entfernte B kommen und möchte dabei möglichst unabhängig von anderen sein. Wäre mir Umweltschutz unwichtig (ist es nicht), dann können wir mit unserer Diskussion auf keinen gemeinsamen Nenner kommen. In einem solchen Fall führt der Austausch von Argumenten, Daten und Fakten praktisch automatisch ins Leere.

Für das Gelingen eines Austauschs ist es essenziell, zu Beginn der Kommunikation das Ziel der jeweils anderen Partei zu erfragen. Ohne gemeinsames Ziel kann ein Austausch nicht gelingen. In einem solchen Fall können Sie sich auch gleich die Zeit für den erfolglosen Diskurs sparen.

 

Anmerkung:

In dem Moment, wo Sie es geschafft haben, ihr Gegenüber wieder als Menschen wahrzunehmen und wertzuschätzen, zeigt sich Ihnen auch die Lösung zur Klärung des Konflikts.

Menschen mögen und schätzen es sehr, wenn man sich für sie interessiert und ihnen zuhört. Wenn Ihr Gegenüber Ihnen noch nicht zuhört, dann hört Ihnen Stephanie Huber gerne zu. Sie verhilft Ihnen zu einer anderen Perspektive. Oftmals ist das schon ausreichend, damit Sie selbst die Klärung generieren können. Sie erreichen Sie unter https://konsensation.de/ oder info@konsensation.de.

Hinweise:

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Stephanie Huber hat weitere Beiträge im t2informatik Blog veröffentlicht, u.a.

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Stephanie Huber
Stephanie Huber

Stephanie Huber ist Gründerin und Geschäftsführerin der konSENSation GmbH. Sie arbeitet mit Begeisterung als Mediatorin mit dem Schwerpunkt Wirtschaftsmediation und Konfliktmanagement und hilft Firmen und Führungskräften, das Betriebsklima zu verbessern.