Psychologische Sicherheit fördern
Effektiver führen und bessere Entscheidungen treffen mit psychologischer Sicherheit
Wenn Führungskräfte effektiv führen wollen, sollten sie in der Lage sein, ihre Mitarbeiter:innen zu inspirieren und zu motivieren. So weit so klar. Aber wie entwickeln sie ein High-Performance-Team? Und was unterscheidet ein Team mit durchschnittlicher Leistung von einem High-Performance-Team?
Durchschnittliche und Low-Performance-Teams machen weniger Fehler! Moment, klingt das nicht widersprüchlich? Nur auf den ersten Blick. Bei genauerer Betrachtung lässt sich feststellen, dass Teams mit mäßiger bis schlechter Performance gar nicht weniger Fehler machen, sondern einfach nicht über sie sprechen. High-Performance-Teams dagegen geben ihre Fehler zu und sprechen offen über sie. Dadurch kann das gesamte Team von den Fehlern seiner Mitglieder lernen und sich verbessern.
Warum spricht ein Team darüber und ein anderes nicht? Weil sich die Teammitglieder sicher genug fühlen und keine negativen Konsequenzen fürchten. Die Harvard-Professorin Amy Edmondson führte dafür den Begriff „psychologische Sicherheit“ ein.¹
Als Führungskraft tragen Sie eine große Verantwortung, wenn es darum geht, ein Arbeitsumfeld zu schaffen, das psychologische Sicherheit fördert. In diesem Artikel möchte ich Ihnen wertvolle Tipps und Informationen an die Hand geben, wie Sie als Führungskraft psychologische Sicherheit in Ihrem Team aufbauen und erhalten können, damit Sie Ihr Team effektiver führen und häufiger die richtigen Entscheidungen treffen.
Psychologische Sicherheit kurz und knapp
Psychologische Sicherheit beschreibt das Gefühl, sich in einem Arbeitsumfeld frei äußern und Ideen und Meinungen teilen zu können, ohne Angst vor negativen Konsequenzen haben zu müssen. Es geht also um ein Umfeld, in dem Mitarbeiter:innen sich sicher fühlen, Fehler zugeben, um Hilfe bitten oder kreative Lösungen vorschlagen können.
Eine hohe psychologische Sicherheit im Unternehmen hat viele Vorteile: Mitarbeiter:innen sind motivierter, engagierter und produktiver, wenn sie sich in ihrem Arbeitsumfeld sicher und respektiert fühlen. Eine offene Kommunikation fördert zudem die Zusammenarbeit und das Teilen von Wissen und Erfahrungen. Kreativität und Innovation werden ebenso gefördert, wenn Mitarbeiter:innen ohne Angst vor Kritik oder negativen Konsequenzen neue Ideen einbringen können. Insgesamt trägt psychologische Sicherheit dazu bei, dass sich Mitarbeiter:innen wohlfühlen und ihr volles Potenzial ausschöpfen können.
Es ist wichtig, zwischen psychologischer Sicherheit und Vertrauen zu unterscheiden. Vertrauen ist eine persönliche Eigenschaft, die auf einer Beziehung zwischen Personen beruht, während psychologische Sicherheit auf Teamebene bewertet wird und somit ein Merkmal des Arbeitsumfeldes ist. Es ist also möglich, dass Mitarbeiter:innen einer Führungskraft vertrauen, aber sich dennoch in einem Umfeld unsicher fühlen, in dem Kritik oder unterschiedliche Meinungen nicht akzeptiert werden.
Wie können Sie psychologische Sicherheit in Meetings schaffen?
Meetings sind eine wichtige Möglichkeit für Teams, Ideen auszutauschen und Entscheidungen zu treffen. Leider können Meetings auch dazu führen, dass sich Mitarbeiter:innen unsicher oder unwohl fühlen, insbesondere wenn es um heikle oder kontroverse Themen geht. Hier sind einige Tipps, wie Sie als Führungskraft psychologische Sicherheit in Meetings schaffen können:
- Geben Sie dem Meeting eine klare Struktur: Stellen Sie sicher, dass alle verstehen, was das Ziel des Meetings ist und welche Ergebnisse erwartet werden. Eine kurze Agenda und Timeboxen helfen, das Meeting zu strukturieren und Erwartungen zu klären.
- Setzen Sie klare Meeting-Regeln: Klare Meeting-Regeln sind entscheidend, um eine Umgebung zu schaffen, in der sich alle Mitarbeiter:innen sicher fühlen können. Stellen Sie bspw. sicher, dass alle Mitarbeiter:innen die Möglichkeit haben, ihre Meinungen und Ideen auszudrücken, ohne unterbrochen oder abgewertet zu werden. Vermeiden Sie es, dass Meinungsmacher die Diskussion dominieren. Und achten Sie darauf, das Feedback immer konstruktiv und respektvoll formuliert wird, denn so vermeiden Sie, dass sich Mitarbeiter:innen angegriffen fühlen und Demotivation entsteht.
- Achten Sie auf eine ausgewogene Verteilung der Redezeit: In einem sicheren Arbeitsumfeld sollten alle Mitarbeiter:innen die Möglichkeit haben, ihre Meinungen und Ideen zu äußern. Achten Sie darauf, dass nicht nur die lautesten Stimmen gehört werden, sondern auch die Meinungen von introvertierten oder schüchternen Mitarbeiter:innen Berücksichtigung finden. Und fassen Sie sich ab und an auch an die eigene Nase. Viele Führungskräfte neigen dazu, den höchsten Redeanteil in einem Meeting für sich zu beanspruchen. Fragen Sie hierzu Ihr Team, wie es die Verteilung des Redeanteils wahrnimmt oder lassen Sie sich Feedback über ein Dot-Voting geben.
- Behandeln Sie Probleme konstruktiv: Probleme oder Konflikte können während eines Meetings auftreten. Als Führungskraft sollten Sie sicherstellen, dass Probleme nicht ignoriert oder vertuscht, sondern konstruktiv behandelt werden. Auf diese Weise können Sie das Vertrauen und die Sicherheit Ihrer Mitarbeiter:innen stärken.
- Loben Sie das Eingeständnis von Fehlern: Fehler sind menschlich und unvermeidlich. Als Führungskraft sollten Sie das Eingeständnis von Fehlern fördern und loben, statt es zu bestrafen oder zu ignorieren. Dies schafft ein Umfeld, in dem Mitarbeiter:innen offen über Fehler sprechen und gemeinsam Lösungen finden können.
- Bieten Sie Unterstützung an: Eine Führungskraft sollte ihren Mitarbeiter:innen Unterstützung anbieten und ihnen helfen, sich weiterzuentwickeln. Durch eine offene und respektvolle Arbeitskultur sowie die Förderung von offener Kommunikation und Fehlerkultur kann die psychologische Sicherheit im Unternehmen gestärkt werden.
Meetings sollten ein Ort sein, an dem alle Mitarbeiter:innen ihre Meinungen und Ideen ohne Angst vor Ablehnung oder Konsequenzen äußern können. Sie sollten außerdem ein Ort sein, an dem wichtige und langfristige Entscheidungen getroffen werden.
Und wie hilft psychologische Sicherheit Organisationen dabei, bessere Entscheidungen zu treffen?
Bessere Entscheidungen treffen mit psychologischer Sicherheit
Wer verstehen möchte, warum so häufig Entscheidungen getroffen werden, die nachteilig für eine Organisation sind, sollte sich näher mit den Erkenntnissen von Dr. Niklas Keller beschäftigen. Der deutsche Forscher und Berater hat sich auf die Bereiche Führung, Entscheidungsfindung und Veränderungsmanagement spezialisiert. In seinen Forschungen hat er herausgefunden, dass defensives Entscheiden ein häufiges Problem in vielen Organisationen ist. Dabei handelt es sich um eine Denkweise, bei der Entscheidungen auf der Grundlage von Unsicherheit, Angst und dem Wunsch nach Selbstschutz getroffen werden, anstatt auf der Grundlage von Fakten und logischem Denken.²
Um defensives Entscheiden zu vermeiden, ist es wichtig, dass Führungskräfte ein psychologisch sicheres Umfeld schaffen. Hier sind einige exemplarische Maßnahmen, die dazu beitragen können:
- Sorgen Sie für eine umfassende Informationsbasis: Der alte Glaubenssatz “Wissen ist Macht” kann im Zweifelsfall schädlich für eine Organisation sein. Daher sollten Führungskräfte sicherstellen, dass ihre Mitarbeiter:innen einen niederschwelligen Zugang zu erforderlichen Informationen und Ressourcen haben.
- Schaffen Sie ein Umfeld, in dem Risiken eingegangen werden können: Risiken sind unvermeidlich, wenn es darum geht, Entscheidungen zu treffen. Gerade wenn es nicht möglich ist, genaue Informationen zu beschaffen und Ungewissheit ausgehalten werden muss. Führungskräfte sollten ihre Mitarbeiter:innen ermutigen, Risiken einzugehen und hinter ihnen stehen, wenn doch nicht das erhoffte Ergebnis eintritt.
- Ermutigen Sie kritisches Denken und offene Diskussionen: Kritisches Denken ist ein wesentlicher Bestandteil der Entscheidungsfindung. Wenn es darum geht, kritisches Denken und offene Diskussionen zu fördern, können Sie als Führungskraft verschiedene Techniken anwenden. Zum Beispiel können Sie die Mitarbeiter:innen ermutigen, Fragen zu stellen, Ideen zu hinterfragen und alternative Lösungen zu prüfen. Sie können auch die Bedeutung von Feedback und konstruktiver Kritik betonen, um sicherzustellen, dass alle Teilnehmer:innen ihre Meinungen auf eine respektvolle Weise äußern können. Indem Sie kritisches Denken und offene Diskussionen fördern, können Sie sicherstellen, dass die Lösungen und Entscheidungen, die im Rahmen des Meetings getroffen werden, besser durchdacht und informierter sind.
Kurzum: Mithilfe psychologischer Sicherheit lässt sie die Zusammenarbeit von Mitarbeiter:innen konstruktiv gestalten, was zu besseren Entscheidungen und Lösungen führt, die wiederum das gemeinsame Vorhaben und das Team als solches voranbringen.
Fazit
Psychologische Sicherheit ist ein wesentlicher Faktor für das Miteinander in Organisationen. Es ist die Grundlage für effektive Führung und erhöht die Wahrscheinlichkeit für gute Entscheidungen. Als Führungskraft können Sie maßgeblich dazu beitragen, dass sich Ihr Team weiterentwickelt und mit den komplexen Herausforderungen der heutigen Zeit umgehen kann.
Hinweise:
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[1] Edmondson, A. (2018): The fearless organization
[2] Kurswechsel Podcast Folge 211: Warum Organisationen schlechte Entscheidungen treffen – mit Dr. Niklas Keller
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Natalia Krüger
„Work smarter, not harder“ lautet die Devise von Natalia Krüger, die sie als Agile & Leadership Coach Teams vermittelt. Ihre Erfahrungen reichen von der Führungskräfteentwicklung im internationalen Konzern, über Inhouse Consulting im Lean Management bis hin zur Abteilungsleitung im öffentlichen Sektor. Als Psychologin ist sie immer auf der Suche nach Lifehacks und baut ihre Methoden stets auf empirischer Evidenz auf. Keine Küchenpsychologie, keine Esoterik, kein Bullshit. Dafür eine Kombination aus Fakten, Pragmatismus und Humor.