Menschen sind verschieden. Und jetzt?

Gastbeitrag von | 04.02.2021

Menschen sind ziemlich verschieden und das macht Kommunikation manchmal ganz schön schwierig, oder? Aneinander vorbeizureden geht leicht. Aber wodurch wird das beeinflußt?

Nehmen wir unsere Sinnesorgane. Die wichtigsten für die Kommunikation sind die Augen, die Ohren und die Hände, wir sehen, wir hören und wir begreifen unsere Umwelt. Aber jeder Mensch hat seine eigenen Präferenzen. Eine Person liest sich gerne etwas durch oder schaut sich ein Video an, eine andere vertieft sich lieber in ein Hörbuch oder einen Podcast oder redet gleich drüber und eine dritte Person muss dabei unbedingt etwas in der Hand haben, ein richtiges Buch oder mindestens einen Ausdruck oder hilfsweise einen Stift, Dokumente am Rechner anzuschauen geht gar nicht. Das sind die Augenmenschen, die Ohren- und die Gefühlsmenschen. Man nennt das auch Repräsentationssysteme.

Für rund 60% der Menschen ist die optische Wahrnehmung die wichtigste. Etwa 30% bevorzugen den akustischen Kanal und die restlichen 10% nehmen primär gefühlsmäßig oder kinästhetisch wahr.

Die jeweils anderen Kanäle werden natürlich auch genutzt, aber der Wohlfühlmoment liegt beim primären Kanal. Und wenn genau dieser Kanal nicht bespielt wird, ist die Chance für Irritation und wachsende Unzufriedenheit groß – die überhaupt nichts mit dem Inhalt zu tun haben, sondern nur mit dessen Verpackung.

# 1: Welcher Typ sind Sie?

Was können Sie tun? Welcher Typ sind Sie? Falls Sie es noch nicht herausgfunden haben, testen Sie sich als erstes selbst. Mit welcher Art von Informationen fühlen Sie sich wohl, wo fehlt Ihnen etwas, wo werden Sie unruhig? Zur Not nutzen Sie die Hilfe von Menschen, die Sie gut kennen. Vorteil: Die Erkenntnis hilft dabei herauszufinden, warum so manche Gesprächssituationen nicht so gut gelaufen sind. Und das hilft Ihnen in der Zukunft dabei, bereits vorher zu erkennen, was in bestimmten Situationen passieren wird, und entsprechende Informationswünsche zu formulieren.

Franklin D. Roosevelt wusste offenbar sehr gut, dass er ein Hörtyp war, denn er ließ sich alles vorlesen und widmete sich erst dann den Akten, wenn er einen ersten Eindruck über seinen primären Wahrnehmungskanal gewonnen hatte. Ganz im Gegensatz dazu forderte John F. Kennedy vor jeder Diskussion erst eine schriftliche Stellungnahme von seinen Beratern ein. Und von Ronald Reagan hieß es, am liebsten wären ihm Filme für das Briefing gewesen.

Auch wenn Sie nicht der Präsident der USA sind, können Sie daraum kümmern, Informationen zuküntig in der für Sie passenden Form zu erhalten. Aber noch viel wichtiger – Sie können ab jetzt Ihre Informationen auch für andere passend aufbereiten:

  • Dem optischen Typ geben Sie etwas zum Lesen und Anschauen, Text, Grafiken und Bilder.
  • Für den akustischen Typ bereiten Sie eine kurze mündliche Zusammenfassung vor.
  • Dem Gefühlsmenschen bringen Sie etwas zum Anfassen mit, und wenn es nur das ausgedruckte Dokument in einer haptisch interessanten Mappe ist statt der üblichen Schnellhefter oder gar einer Mail.

Ganz wichtig: Wenn man sein eigenes Muster nicht kennt, nicht darüber nachdenkt, oder im Streß nicht dazu kommt, dann benutzt man exzessiv seinen eigenen primären Kanal, und das kann, je nach Publikum, ganz schön schief gehen.

Die Sprache verrät viel über uns

Den Typ des anderen herauszufinden geht übrigens auch durch die Sprache selbst. Der eine „hat ein gutes Gefühl“ bei einem Projekt, für den nächsten „sieht es gut aus“ und der dritte meint nach der Präsentation, das das alles „sehr gut klingt“.

Der visuelle Typ spricht darüber, dass er sich eine Situation anschauen muss, davon ein Bild machen, einen Blick darauf werfen, genauer ansehen. Ihm muss etwas klar werden, er will sich einen Überblick verschaffen, eine Übersicht erstellen, die Perspektiven wechseln oder eine Entwicklung vorhersehen. Er muss es sehen können, physisch oder vor seinem inneren Auge, um Durchblick zu bekommen. Er zieht sich Ihre Unterlage heran oder skizziert etwas in seinem Notizbuch.

Sieht das gut für Sie aus?

Der akustische Typ muss sich etwas anhören, er will zuhören und fragt nach. Er will, dass man ihm etwas erzählt oder mal ein Ohr leiht. Es muss stimmig sein, gut klingen, harmonisch sein. Leise entwickelt sich eine Idee und er ist sensibel für Geräusche und wenn er sich konzentriert macht er auch schon mal die Augen zu.

Klingelt da was bei Ihnen?

Der kinästhetische Typ geht eine Situation durch, spürt Spannungen und ob etwas zusammenpasst oder nicht. Es wird langsam wärmer, wenn er ein gutes Gefühl von der Sache bekommt. Falls nicht, dann bringt ihn etwas vielleicht durcheinander und er will sich mit der Thematik noch mehr beschäftigen, die Unterlagen noch einmal sorgfältig durchgehen, um es in den Griff zu bekommen.

Wie fühlt sich das für Sie an?

Die Sprache der anderen hilft Ihnen, deren Kommunikationspräferenzern zu dekodieren und sie kann Ihnen ebenfalls helfen, typgerecht zu sprechen, wenn Sie das wollen.

Die Sozialen Dialekte

Ein zweites Modell finde ich noch spannender. Dieses sehr einfache Modell menschlicher Verhaltensweisen geht auf den Psychologen C.G. Jung zurück und kombiniert zwei Dimensionen:

  1. Wie gehen wir auf andere zu – sind wir extrovertiert/bestimmend oder introvertiert/fragend?
  2. Wie gehen wir mit uns um – leben wir unsere Emotionen aus oder sind wir sachlich/kontrolliert?

In dieser klassischen 4-Felder-Matrix werden daraus vier Typen oder Soziale Dialekte, die in dem Modell in Reinkultur beschrieben werden:

  • der sachlich bestimmende Macher,
  • der sachlich hinterfragende Analytiker,
  • der emotional hinterfragende Sensible und
  • der emotional extrovertierte Expressive.

Kommt Ihnen da schon etwas bekannt vor?

Soziale Dialekte

# 2: Welcher Typ sind Sie?

Diese knappe, aber trotzdem schon aufschlussreiche Beschreibungen können wir noch um einen weiteren markanten Aspekt ergänzen. Jeder dieser vier Typen hat noch ein ganz bestimmtes oberstes Ziel, auf das er zustrebt:

  • Die Macher sind fixiert auf Ergebnisse,
  • die Analytiker suchen nach den Details,
  • die Sensiblen brauchen Harmonie und
  • die Expressiven leben für die Unterhaltung.

Hat ein Typ sein Ziel erreicht oder ist dessen Erreichung verlässlich in Aussicht gestellt, ist er ein aufmerksamer Gesprächspartner. Ist das jedoch noch offen, dann hat die Arbeit daran Vorrang vor allen anderen Fragen – was die anderen Beteiligten oft als störend empfinden. Ist die Zielerreichung eher unwahrscheinlich, erlischt das Interesse am Gespräch. Das kann sich sehr unterschiedlich äußern, die Palette reicht von innerer Emigration bis zum aktiven Stören.

Natürlich besitzen wir unterschiedlich große Anteile von jedem dieser Sozialen Dialekte und bei jedem sieht die Verteilung anders aus. Außerdem werfen wir unterschiedlich viel von den einzelnen Typen in die Waagschale, je nach Situation, Aufgabe und beteiligten Personen. Gleichzeitig haben wir einen oder zwei Ausprägungen, die wir bevorzugt einsetzen.

Interessant ist es jetzt, genau über diese Verteilung und ihre situative Abwandlung nachzudenken, sich selbst zu hinterfragen. Wie gut kennt man sich, wie weit kennt man andere? Woran erkennt man einen der vier Typen und wie schnell?

Wer ist wer? Typen-Schnellerkennung

In vielen Situationen machen wir ein wenig Small Talk. „Wie war das Wochenende? War der der Film so toll, wie alle erzählen? Wie geht es der Familie?“ Wenn Sie in Zukunft nicht nur auf den Inhalt hören, sondern auch darauf, wie sie die Geschichten erzählt bekommen, dann erfahren Sie sehr viel über die aktuellen kommunikativen Gesprächsbedürfnisse, denn jeder beantwortet die Frage im von ihm gerade bevorzugten Dialekt.

Stellen Sie sich vor, zu Beginn einer geschäftlichen Unterhaltung mit einem neuen Gesprächspartner fragen Sie „Wie war die Anreise?“ oder „Worum geht es Ihnen bei unserem Gespräch, was ist Ihnen wichtig?“. Und jetzt gehen Sie bitte im Kopf mal durch, wie die vier Typen antworten werden. Sie bekommen ziemlich genaue Informationen, in welchem Sozialen Dialekt Sie das Gespräch weiterführen sollten, oder?

Wertfreie Bestandsaufnahme

Bei aller Analyse ist eins ganz wichtig. Beide Modelle sind wertfreie Bestandsaufnahmen. Eine Wertung kommt erst durch zwei Fragen ins Spiel:

  1. Bin ich mit meiner Wirkung auf andere Personen zufrieden oder nicht?
  2. Habe ich die richtigen Voraussetzungen, um einen bestimmten Job gut zu machen?

Die Antwort auf beide Fragen kann bedeuten, sich mit der eigenen sozialen und kommunikativen Kompetenz näher zu beschäftigen.

Noch viel wichtiger ist vielleicht etwas anderes. Wenn Sie die Verhaltensmuster, die Sie bei anderen stören, einem bestimmten Typ zuordnen können, kommen Ihnen möglicherweise zwei Erkenntnisse:

  • Klar, der ist einfach so und macht es nicht, um mich zu ärgern!
  • Und: Vielleicht gehe ich anderen mit ein paar von meinen „speziellen Ausprägungen“ manchmal auch ganz schön auf den Keks?

Die Erkenntnisse helfen enorm, um gelassener und schließlich auch akzeptierter durchs Leben zu gehen.

 

Hinweise:

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Conrad Giller
Conrad Giller

Conrad Giller ist seit ca. 30 Jahren unterwegs als Trainer, Coach und Berater für fast alle Herausforderungen der mündlichen Kommunikation: Konflikt, Team, Führung, Storytelling, Präsentieren, Moderieren, Medien, etc. Gerne gibt er seine Erfahrungen online und offline in Workshops weiter.