Digitale Assistenten und Mitarbeiter im Requirements Management

Gastbeitrag von | 30.07.2020

„Aber, Boss, ich kann mich doch nicht klonen!“ Diesen Satz kennen wir alle aus den Projekten, wenn auf einmal ein Engpass entsteht, bspw. wenn ein Kunde ein großes Update des Lastenhefts macht und die Anforderungen schnell evaluiert werden sollen, und man keine qualifizierten Mitarbeiter findet. Was können wir in einer solchen Situation tun? Eine Möglichkeit ist die Arbeit mit digitalen Assistenten und Mitarbeitern.

Künstliche Intelligenz, Robotic Process Automation und Chatbots verändern zunehmend, wie wir arbeiten. Digitale Assistenten oder Mitarbeiter – auf Englisch als Digital Employees, Digital Assistants oder Digital Workers bezeichnet – sind bereits auf dem Markt. Der Stand der Technik in der Künstlichen Intelligenz erlaubt es schon heute, notwendige Skills, die bspw. ein Digitaler Requirements Manager benötigt, zu implementieren. Ein Digitaler Mitarbeiter entlastet das Team von Routine-Aufgaben und verschafft so mehr Zeit für die wichtigen Aufgaben beim Arbeiten mit Anforderungen.

Digital Workforce

Software Bots, Digitale Assistenten und Digitale Mitarbeiter

Digital Workforce beschreibt eine Vielzahl der Lösungen für die Automatisierung von Aufgaben. In den meisten Fällen ist die Digital Workforce ein virtueller Software Robot, der entweder autonom im Hintergrund die Aufgabe ausführt oder mit den anderen Mitarbeitern interagiert. Der Einsatz von Digital Workforce erhöht die Produktivität und Effizienz der Arbeit.

Die Digital Workfoce kann in folgenden Kategorien unterteilt werden:

  • Software Bots – Erledigung von Einzelaufgaben
  • Digitale Assistenten – überwachte Erledigung der Job-Rolle (attended automation)
  • Digitale Mitarbeiter – Autonome Erledigung der Job-Rolle (unattended automation)

Robotic Process Automation ist die am meisten verbreitete Lösung für Automatisierung. Software Bot oder RPA-Bot ist eine Software, die so programmiert ist, dass sie menschliche Handlungen nachahmt und einzelne Aufgaben ausführt. Software Bots basieren auf Robotic Process Automation und wenn notwendig auch auf Künstlicher Intelligenz.

Der Digitale Mitarbeiter ist eine Software, die menschliche Job-Rollen modelliert und übernimmt, so wie End-to-End Aufgaben. Digitale Mitarbeiter basieren auf Artificial Intelligence und Robotic Process Automation. Die Digitalen Mitarbeiter befreien die menschlichen Mitarbeiter von repetitiven Aufgaben und verschaffen mehr Zeit für die Erledigung wertvoller Arbeiten.

Im Vergleich mit dem Digitalen Mitarbeiter, der autonom seine Aufgaben erledigt (unattended automation), braucht ein Digitaler Assistent die Überwachung, bzw. menschliche Eingaben, um seine Aufgaben auszuführen (attended automation).

Digitale Mitarbeiter/Assistenten sind bereits heutige vielfach im Einsatz, bspw. für Aufgaben im Projektmanagement, der ERP Administration, im Order-To-Cash, Source-To-Pay und der Talent Akquisition Payroll Administration.

Der Stand der Technologie

Digital Workforce wird von manchen Firmen schon angeboten, meistens als Software Bots, aber auch als Mitarbeiter auf Monatsbasis. Wer eigene Workforces entwickeln möchte, dem stehen Software-Tools zur Verfügung. Auch die Cloud Plattformen wie Google, IBM oder SAP können entsprechend genutzt werden. Zum Beispiel unterstützt die IBM Plattform dediziert die Entwicklung von Digitalen Mitarbeitern: „A human-centered automation tool for building intelligent digital workers.“.

Digitaler Requirements Manager

Job-Rolle modellieren

Um die Aufgaben an einen Requirements Manger zu delegieren, bzw. eine Software für Requirements Manager zu entwickeln, müssen wir erstmal die Job-Rolle untersuchen, also

  • die Reihenfolge der Aufgaben,
  • die Dauer der Aufgaben und
  • die Interaktionen mit den anderen Job-Rollen.

Basierend auf den Erkenntnissen der Untersuchung lassen sich konkrete Aufgaben und Key Performance Indicators (KPIs) definieren.

Bei unserem Requirements Manager, der bei einem Lieferanten für Steuergeräte aktiv ist, wäre z. B. ein solcher Ablauf möglich:

Ein Requirements Engineering Prozess
Aus diesem Arbeitsablauf lassen sich die Aufgaben identifizieren, die wiederholend und routiniert ausgeführt werden, denn solche Aufgaben sind gute Kandidaten für die Übernahme durch einen digitalen Mitarbeiter: Import der neuen Kundenanforderungen in das Requirements Management Tool, Vergleich der Customer Requirements mit dem letzten Stand, Untersuchung der neuen, modifizierten oder gelöschten Anforderungen, Erkennen von Anforderungsduplikaten. Auch die Zuordnung zu den entsprechenden Experten für eine Analyse ist eine Aufgabe, die ein digitaler Mitarbeiter ausführen kann.

Der digitale Requirements Manager wird geboren

Um die identifizierten Aufgaben aus dem Job-Modell ausführen zu können, muss der digitale Mitarbeiter alle notwendigen Fähigkeiten (Skills) erlernen. Manchmal ist es auch notwendig, ganz neue Skills zu entwickeln.

Die Fähigkeiten, die unser digitaler Requirements Manager bekommen soll, sind:

  • Identifizierung von Anforderungen aus Dokumenten (Word, PDF),
  • Klassifizierung von Anforderungen in „functional“ und „non-functional“,
  • Zuordnung von Anforderungen zu den Experten-Bereichen,
  • semantische Suche von Anforderungen
  • Vergleich und Suche nach den ähnlichen Anforderungen,
  • Übersetzung von Anforderungen in eine andere Sprache,
  • Emails lesen und senden,
  • Starten eines RPA-Bots, sowie
  • Aufwandsschätzung für zugeteilte Aufgaben.

Den digitalen Requirements Manager ins Team eingliedern

Das Management der Digitalen Mitarbeiter unterscheidet sind nicht viel vom Management menschlicher Mitarbeiter. Am Anfang würde man dem Digitalen Mitarbeiter eine weniger wichtige Aufgabe geben und die Ergebnisse einem Review bzw. einer Prüfung unterziehen, um so die Funktionsfähigkeit zu überprüfen. Die KPI lassen sich überwachen wie bei menschlichen Mitarbeitern. Unser Digitaler Requirements Manager konnte bspw. nach jedem Import von Anforderungen eine Einladung zum Review per Email versenden.

Der digitale Requirements Manager als interner oder externer Mitarbeiter

Digitale Mitarbeiter können firmenintern implementiert und genutzt werden, also On-Premise. In einem solchen Setting sollte sich grundsätzlich die IT um die Maintenance, die Weiterentwicklung und den Support kümmern. Alternativ kann man den digitalen Mitarbeiter auch wie einen externen Mitarbeiter beauftragen. Die Firma sucht sich einen Anbieter und schließt einen Vertrag auf Monatsbasis ab, ähnlich wie bei einer Software as a Service Vereinbarung (SaaS). Anders als beim SaaS, gibt es in diesem Fall eine Onboarding-Phase, in der bspw. E-Mail und Tool Zugänge erteilt werden, und firmenspezifische Abläufe sowie eventuell auch Fachbegriffe angelernt werden. Welche Option sinnvoller ist, ist von Unternehmen zu Unternehmen unterschiedlich. Dies gilt auch für den Requirements Manager als Digital Workforce. Ob eine interne oder externe Lösung besser ist, hängt von der IT Strategie des Unternehmens ab.

Fazit

Die Digital Workforce ist keine Zukunft, sie ist Gegenwart. Ein Digitaler Requirements Manager kann sinnvoll eingesetzt werden, um die menschlichen Mitarbeiter bei sich wiederholenden, low-impact Aufgaben zu entlasten. So lässt sich mehr die Zeit für kreative Aufgaben gewinnen und die Effizienz und Produktivität des Teams steigern. Und wie in anderen Bereichen der Digitalisierung gilt auch hier: Unternehmen sollten nicht mit der Einführung eines digitalen Requirements Managers warten.

 

Hinweise:

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Dr. Marija Kopf
Dr. Marija Kopf

Dr. Marija Kopf ist promovierte Informatikerin und verfügt über umfassende Erfahrung auf den Gebieten der Process Automation, Software-Prozesse und Methoden. Sie fokussiert sich auf Künstliche Intelligenz, insbesondere Machine Learning, Sprach- und Bildverarbeitung und deren Anwendungsmöglichkeiten. Und sie ist Geschäftsführerin und Gründerin des Start Up REQBEES (https://reqbees.com) und der Beratung Dr. Kopf GmbH (https://drkopf.de).