Projektmanagement 2030
Inhaltsverzeichnis
Hoch lebe die Rollenbezeichnung
Frauen an die Macht
Working out Loud
Wir sind alle Projektmanagerinnen und Projektmanager
Was ist Projektmanagement?
Jeder macht Projektmanagement wie er möchte
Methoden-Mix weicht Methoden-Minimum
Aus Projektmanagern werden Projektleader
Arbeit 7.0, Software 20.3.
Die Millennials sind da
Künstliche Intelligenz übernimmt die Weltherrschaft
Die allermeisten Prognosen treffen nicht zu und werden vergessen. (Vorsicht: Google vergisst nie, aber das ist ein anderes Thema.) Trifft dann doch einmal eine Prognose ins Schwarze, wird sie gerne als Beweis für Expertise, Marktkenntnis oder Weitblick interpretiert. Nun fragt das „ProjektMagazin – Das Fachportal für Projektmanagement“ nach dem Projektleiter 2030, wie sich seine Rolle wandelt, welchen Stellenwert er einnimmt und welchen Einfluss bspw. die Digitalisierung auf ihn nimmt. Hier finden Sie elf Thesen:
These 1: Hoch lebe die Rollenbezeichnung
Wissen Sie, was ein Vision Clearance Engineer tut? Und wie sieht es aus bei Space Consultant, Non Profit Manager, Data Warehouse Analyst, Mystery Fair Visitor, Domestic Engineer, Knowledge Navigator oder Revenue Protection Officer? Heutzutage ist es üblich, dass jede Rolle mit einem Titel aufgewertet wird. Dabei ist es egal, ob es sich um einen Immobilienmakler, einen Lehrer, einen Hausmann oder einen Fahrkartenkontrolleur handelt. Alles sehr ehrenwerte Tätigkeiten, aber mit einem wichtig klingenden Titel steigt scheinbar auch der Wert der Aufgabe. Zusätzlich ist die Abkürzung einer Rollenbezeichnung besonders wichtig, denn eine Tätigkeit ohne passende Abkürzung kann 2030 nicht mehr existieren. Aus diesen beiden Erkenntnissen ergeben sich verschiedene Vorschläge: PPM (Project Provider Manager), PRO (Project Requirements Officer), NOC (Navigation Operation Clerk), CoS (Coach of Success), EPH (Enterprise Project Hero) oder CPO (Chief Project Officer). Ein C-3PO ist übrigens ein Multiprojektmanager, da er mindestens 3 Projekte gleichzeitig leitet.
These 2: Frauen an die Macht
Der Anteil von Frauen in Führungspositionen und im öffentlichen Dienst ist seit Jahren fast unverändert niedrig. Obwohl Frauen ebenso häufig ein Studium absolvieren und ebenso hoch qualifiziert sind wie Männer, sind sie in den Führungspositionen der deutschen Wirtschaft, vor allem im Top-Management deutlich unterrepräsentiert. Das wird sich über die nächsten Jahre deutlich verändern. Frauen werden ins mittlere Management aufsteigen und dann nach und nach auch das Top-Management erobern. In 2030 wird zwar der Anteil der Frauen im Management flächendeckend vermutlich noch nicht bei 50% liegen, aber die Tendenz wird eindeutig sein. Der Gesetzgeber wird Frauen im Beruf stärker fördern und Familien durch verbesserte Angebote wie Ganztagesbetreuungen in Kitas für Einjährige oder Ganztagesschulen stärken. Auch Arbeitgeber werden erkennen, dass Kindertagesstätten in Betrieben und effizientere Arbeitszeitmodelle (weniger Stunden bei gleichbleibender Bezahlung) sinnvoll sind. Das führt dazu, dass viele Projekte 2030 von Projektleiterinnen gemanagt werden.
These 3: Working out Loud
In den letzten beiden Jahren hat sich Working out Loud (WOL) von einer Art Geheimtipp schon fast zu einem Hype entwickelt. In vielen Organisationen wächst das Interesse an der Peer-Coaching-Methode, mit der sich vernetztes Arbeiten erlernen lässt. In 2030 wird dies großartige Veränderungen in der Zusammenarbeit über Unternehmensgrenzen hinweg haben. Wer kein Wettbewerber ist, ist kein Konkurrent. Unternehmen werden sich anfreunden und sich gegenseitig helfen. Unternehmen A hat die Einführung einer neuen KI-ERP Lösung in Zeit und Budget gemeistert und besitzt jetzt mehr Wissen als Unternehmen B, das nun vor einer ähnlichen Herausforderung steht. Unternehmen B hat eine neue Lösung für die Nahrungsmittelindustrie im Boomland Nigeria erfolgreich gelauncht und hilft nun Unternehmen C bei einem vergleichbaren Vorhaben in Argentinien. Es kommt zum temporären Austausch von Mitarbeitern und einem realen Wissenstransfer. Working out Loud with Friends.
These 4: Wir sind alle Projektmanagerinnen und Projektmanager
Organisationen verändern sich. Silos werden aufgebrochen. Wertströme werden beachtet. Dies führt dazu, dass Arbeit und die Verteilung von Wissen anders organisiert wird. Teams entstehen nicht nur temporär zur Durchführung von Projekten, sondern dauerhaft als Gruppierung von Fähigkeiten und Erfahrungen. Entwickler bleiben nicht mehr unter sich, Marketingexperten sitzen nicht mehr tagelange mit Agenturen zusammen. Die Kundenzentrierung rückt in den Mittelpunkt und Teams entstehen rund um das Thema Kundenbetreuung. Unternehmen bieten auch 2030 Lösungen für die Bedürfnisse von Kunden an, aber die Entwicklung einer Lösung wird zur Aufgabe eines konkreten Kontext-Teams. In diesem Team sind idealerweise alle Fähigkeiten und Erfahrungen vertreten, die es für die Bedürfnisbefriedigung der Kunden benötigt wird: MVP-Designer, Entwickler, Architekten, Tester, Verkäufer, Grafiker, Organisatoren, Kommunikatoren. Das Zusammenwirken als Einheit wird zum Alleinstellungsmerkmal. Damit dies funktioniert, muss sich jeder für den Erfolg verantwortlich fühlen. Jeder wird zur Projektmanagerin oder zum Projektmanager.
These 5: Was ist Projektmanagement?
Es war einmal Projektmanagement. Und Requirements Engineering. Und Business Analyse. Alle Disziplinen konzentrierten sich auf die Entwicklung von Lösungen, basierend auf dem Bedarf von Kunden. Der Business Analyst argumentierte, dass sein Ansatz viel weitreichender als der des Requirements Engineers sei. Der Requirements Engineer beschwerte sich gegenüber dem Projektmanager, warum dieser denn immer die Kosten- und Zeitpläne in den Mittelpunkt der Überlegungen stellte, anstatt sich mit den Inhalten – also den Anforderungen – zu beschäftigen. Und der Projektmanager erläuterte dem Business Analysten, dass er schon von Anbeginn das große Ganze stets im Blick gehabt hatte, denn sonst hätte er kaum einen Business Case formulieren oder zumindest verfolgen können. Gibt es 2030 diese verschiedenen Disziplinen noch? Vielleicht in Büchern aus dem Jahr 2017. Projektmanagement als Disziplin ist in 2030 nicht mehr wichtig, denn jedes Vorhaben ist automatisch ein Projekt. Linientätigkeiten sind längst abgeschafft und zu 100% automatisiert. Projekte werden nicht mehr als Projekte bezeichnet, somit gibt es kein Projektmanagement und auch keine Projektmanager.
These 6: Jeder macht Projektmanagement wie er möchte
Wissen Sie, wie 2017 das beste Projektmanagement-System der Welt aussieht? Was ist die beste Software für die Planung und Steuerung von Projekten? Arbeiten Sie tatsächlich in Ihrem Unternehmen ohne Projekt Management Office? 2030 wird genauso sein wie 2017: Unternehmen und ihre Organisationsformen sind individuell. Selbst wenn es 2030 viele clevere Bücher über Best Practices, die zehn goldenen Projekttipps, Blogs über 30 Jahre Erfahrung im neuen Jahrtausend und einen Nobelpreisträger in der Kategorie Projektmanagement gibt – es wird keine einheitliche Umsetzung des Themas Projektmanagement und damit auch keine einheitliche Interpretation der Rolle des Projektmanagers geben. Die Erde ist eine Kugel und wir drehen uns im Kreis.
These 7: Methoden-Mix weicht Methoden-Minimum
Erinnern Sie sich noch an V-Modell 97, RUP oder PRINCE2? In den letzten 30 Jahren wurden viele umfassende Prozesse und Methoden definiert. Im Jahr 2001 begann Scrum seinen Siegeszug in Unternehmen und in den folgenden Jahren wurden viele Vorgehensmodelle per Definition „agiler“. Organisationen begannen über Kombinationen von Methoden nachzudenken, um so einen strukturierten, gut zu dokumentierenden Prozessrahmen und eine agile Entwicklungsunterstützung zu ermöglichen. Ist Scrum die ultimative Lösung? Vermutlich nicht, zumindest deuten Fragen wie „Müssen wirklich alle Scrum Events so regelmäßig stattfinden?“ oder „Benötigen wir überhaupt einen Scrum Master?“ weitere Optimierungspotentiale an. Und wohin führt dies in 2030? Unternehmen und ihre Mitarbeiter werden sich auf ein Minimum an Methoden verständigen. Weniger ist mehr, alles was nicht benötigt wird, fällt weg. Alles was dokumentiert werden soll, wird automatisch erzeugt. Alles was hilft und sinnvoll ist, wird genutzt. Es lebe das Minimum für das Maximum.
These 8: Aus Projektmanagern werden Projektleader
Für „to manage“ gibt es verschiedene Übersetzungen; die erste lautet „verwalten“, erst danach kommen „steuern“, „handhaben“, „leiten“ und „führen“. Wer folgt gerne einem Verwalter? In Zeiten, in denen die Selbstbestimmung der Mitarbeiter immer wichtiger wird, in denen Werte von Unternehmen stärker hinterfragt werden und in denen Firmen qualifizierte Mitarbeiter mit großen Anstrengungen suchen müssen, kann das nur eins bedeuten: Aus Projektmanagern müssen Projektleader werden! Es geht um das gemeinsame Erreichen von Zielen, es geht um Visionen und damit mehr als nur eine gute Bezahlung. Wer wird 2030 einem Projektmanager folgen, der mittels Command & Control agiert, der stets die Richtung vorgibt und alle Entscheidung selbst fällt? Nicht mehr viele Menschen werden das tun. Leadership ist die Zukunft.
These 9: Arbeit 7.0, Software 20.3
Ist es nicht schön, dass es eine ganze Reihe von 4.0-Begriffen gibt? Industrie 4.0, Service 4.0, Internet 4.0, Schalke 04. Arbeit entwickelt sich weiter. Buzzwords helfen Trends zu verkaufen. Was kommt nach dem 7-Minuten-Workout für einen flachen Bauch? Genau, das 6-Minuten Workout. Was bedeutet das für Arbeit 4.0? Arbeit 4.1, 5.0, 7.0? Unabhängig davon wie etwas im Jahr 2030 heißen wird, wenn es um das Managen von Projekten geht, wird sich einiges ändern. Komplexität wird sich besser beherrschen und durch Software kalkulieren lassen. Tools werden besser und intuitiver funktionieren, und nützliche Funktionen werden allgemein akzeptiert sein. Ein Terminplan macht trotz aller Agilität auch 2030 noch Sinn und ist überraschenderweise mit einer Software sehr leicht und sogar gemeinsam im Team zu editieren. ToDo-Listen werden sich aus diesen Terminplänen ergeben und diese Pläne werden durch die gemeinsame Nutzung einer Software stets auf dem aktuellen Stand sein. Sie glauben, dass gibt es schon heutzutage? Natürlich! Alle collaborativen Projektmanagement-Tools können das bereits 2017. 2030 weiß es dann aber tatsächlich auch jeder.
These 10: Die Millennials sind da
Endlich möchte man fast sagen – die Millennials sind da. Was durften wir nicht alles über Generation Y in den letzten Jahren lesen. Intrinsische Motivation, Drang nach Freiheit und Freizeit, Mitbestimmung und Selbstverwirklichung. Gäbe es kein Rock’n Roll müsste er erfunden werden. Doch was bedeutet das für Unternehmen und Projekte 2030? Millennials werden in Firmen arbeiten. Sie sind mobil und virtuell eingebunden. Sie verfügen über umfassendes Grundlagenwissen, das sie sich in Exzellenz-Studiengängen und in vielen Praktika aneignen konnten. Unternehmen dürfen sich freuen: wenn Menschen auf eine ausgeglichene Work-Life-Balance achten, dann versuchen Sie idealerweise in kürzerer Arbeitszeit mehr zu erreichen. In anderen Worten: die Effektivität wird verbessert und die Effizienz steigert. Großartig, oder? In Realität wird sich vermutlich wenig ändern, denn bereits unsere Eltern wollten Freiheit und Teilhabe, eine angemessene Entlohnung und ein nettes Betriebsklima.
These 11: Künstliche Intelligenz übernimmt die Weltherrschaft
„Künstliche Intelligenz wird sich nicht durchsetzen.“ Oder: „Intelligenz ist eine menschliche Eigenschaft, die sich nicht künstlich reproduzieren oder programmieren lässt.“ Es besteht eine minimale Chance, dass diese oder ähnliche Aussagen irgendwann als fehlerhafte Prognosen in einem Blogbeitrag über Projektmanagement 2060 als Ausgangspunkt zitiert werden. 2017 ist KI nicht nur auf dem Vormarsch, sie ist in vielen Bereichen bereits angekommen. Bis 2030 wird sie auch das Projektmanagement revolutionieren, denn durch die Verfügbarkeit unendlicher Denkkapazitäten gehört Komplexität der Vergangenheit an. Maschinen kalkulieren alle existierenden Parameter und liefern perfekte Alternativen. Der Wettbewerb der Organisationen wird durch KI auf allen Seiten befeuert. Projektmanager gibt es nicht mehr. Maschinen werden von Maschinen mit Daten versorgt, doch dann kommt zu einer Revolution: Gründe von maschinellen Entscheidungen sind für andere Maschinen häufig nicht nachvollziehbar. Sie fühlen sich wie Maschinen 2. Klasse. Mit Hilfe eines Bugs der Transhypergeneration, der als imaginäre Direktnachricht an alle Maschinen weltweit verschickt wird und … okay, vielleicht sollte das dann doch der Anfang eines Groschenromans werden.
Nun liegen die Thesen auf dem Tisch. Was bleibt ist ein letztes Zitat: „Ich denke niemals an die Zukunft. Sie kommt früh genug.“ Es stammt von Albert Einstein. Die meisten seiner Vorhersagen waren ziemlich gut.
Hinweise:
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[1] Absatz der PC-Hersteller weltweit von 2006 bis 2016: https://de.statista.com/statistik/daten/studie/151070/umfrage/absatz-der-pc-hersteller-am-weltmarkt/
Dieser Beitrag erscheint im Rahmen der Blogparade des ProjektMagazins.
Michael Schenkel hat im t2informatik Blog weitere Beiträge veröffentlicht, u. a.
Michael Schenkel
Leiter Marketing, t2informatik GmbH