Kaum zu schlagen: Partizipative Unternehmenskommunikation

Gastbeitrag von | 27.04.2023

Der Chef als Aushängeschild, als alleiniges Gesicht und Sprachrohr des Unternehmens, als einziger Schnittpunkt zwischen der Firma und der Öffentlichkeit? Diese Zeiten sind vorbei. Heute funktioniert Unternehmenskommunikation anders, auch wenn es immer noch Organisationen gibt, die das nicht verstanden haben.

Unternehmenskommunikation im Wandel

Die Unternehmenskommunikation verändert sich, sie muss sich verändern. Warum das so ist, liegt auf der Hand: Unsere Umwelt wandelt sich, und im Zentrum dieser Transformation steht die Digitalisierung. Vor einigen Jahren informierte man sich über eine Handvoll TV-Kanäle, übers Radio und die Tageszeitung darüber, was in Unternehmen oder auch der Politik geschah. Es gab Multiplikatoren, vor allem bei großen Medien, die als Meinungsmacher fungierten und dabei vor allem auf CEOs abzielten. So war Unternehmenskommunikation klar steuerbar und fokussierbar.

Heute funktioniert Kommunikation anders. Die Digitalisierung hat zu einer Demokratisierung geführt, auch von Wegen, wie Meinungen entstehen. Heute gibt es eine Vielzahl von Multiplikatoren, es sind Blogger, Podcaster, YouTuber, TikToker, die teils ohne journalistische Ausbildung großen Einfluss auf ihre Zielgruppen haben. Zudem gibt es auch viele Mitarbeitende, die selbst kommunizieren. Früher haben sie das auch getan, im Freundeskreis, aber heute können sie theoretisch über Plattformen, etwa LinkedIn, große Followerzahlen erreichen und sind dabei selbst Kontaktpunkt zwischen Unternehmen und der Öffentlichkeit, und das ohne Filter durch die Kommunikationsabteilung. Der Austausch zwischen Internen und Externen wird über die Direktheit sozialer Plattformen unmittelbarer.

Was heißt das? Das heißt, dass Unternehmenskommunikation ihre Eindimensionalität verliert und zweifellos komplexer, vielfältiger und auf den ersten Blick weniger steuerbar wird. Das klingt erst einmal angsteinflößend, schwierig und womöglich nach Anarchie anstatt nach einer konstruktiven, strategischen Kommunikation.

Aber das muss gar nicht so sein, im Gegenteil: In dieser Entwicklung steckt für Organisationen eine gewaltige Chance, wenn sie die neuen Rahmenbedingungen annehmen und bereit sind, sich auf eine ganzheitliche, integrierte Kommunikationsstrategie einzulassen, die vernetzter, partizipativer, kollaborativer ist als früher. Darin steckt deshalb eine Chance, weil es, konsequent umgesetzt, auf diesem Weg nur Gewinner gibt:

  • Die Mitarbeitenden, weil sie aktiver Teil der Reise werden,
  • die Führungsebene, weil sich kommunikativ nicht alles auf sie fokussiert und weil Mitarbeitende engagierter, verantwortungsbewusster agieren,
  • und die Stakeholder, weil ihnen eine moderne, diverse Organisation gegenübersteht, die vielfältige und authentische Zugänge ermöglicht.

 

Widerstände und Erwartungen

Wer die neue Ist-Situation erkannt hat, hat also den ersten, vielleicht wichtigsten Schritt zur Transformation schon getan, aber Vorsicht: Die Widerstände innerhalb von Organisationen gegen Neues im Allgemeinen und gegen das Aufbrechen tradierter Hierarchien, Prozesse und Strukturen im Speziellen können enorm sein. Die Narrative, die über Jahrzehnte hinweg entstanden sind, lassen sich nicht von heute auf morgen durch Neue ersetzen, die kommunikative Transformation ist eine Evolution, keine Revolution!

Kommunikation kann verbinden, kann aber auch genau das Gegenteil bewirken. Deshalb kann es hilfreich sein, sich Unterstützung im Prozess zu holen. Es braucht eine gemeinsame Basis für diese Form der Unternehmenskommunikation und das sind Geschichten, die erzählt oder auch gemeinsam erlebt wurden und werden. Das Erleben ist ein Schlüsselfaktor.

In meiner Erfahrung als Kommunikationsstrategin und narrative Organisationsberaterin erkenne ich zunehmend, wie schwer es Unternehmen und Unternehmern fällt, sich auf die neuen Erwartungen ihrer Stakeholder und Mitarbeitenden einzustellen. Die Formel „Ich erkläre Euch die Welt“, die Aussendung von One-Way-Botschaften aus dem Chefbüro in alle Kanäle funktioniert nicht mehr, oder anders formuliert: Sie ist komplett von gestern. Die neuen Generationen sind anders sozialisiert, bringen mehr Selbstbewusstsein mit, wollen weniger Hierarchien und mehr Teilhabe, Eigenverantwortung und Purpose. Darauf müssen sich Betriebe einstellen, alles andere können sie sich nicht mehr erlauben – der Fachkräftemangel lässt grüßen.

Gleichzeitig erwarten die Zielgruppen auch eine andere Ansprache. Communitys, wie sie in sozialen Medien entstehen, funktionieren nicht mehr als hierarchisch organisierte One-Man-Shows, sondern partizipativ und kollaborativ, im gegenseitigen, wertschätzenden Austausch, sogar über Unternehmensgrenzen hinweg. Der Glaube, dass CEOs allwissend trotz wachsender Spezialisierung bei jedem Thema die Meinungshoheit haben, ist veraltet und unrealistisch – und kommt in der Öffentlichkeit nicht mehr an.

Interne Partizipation als Basis für externe Unternehmenskommunikation

Ist die Notwendigkeit einer Transformation erkannt, setze ich im evolutionären Transformationsprozess als Beraterin zunächst den Hebel intern an, bei der Kultur. Denn am Ende ist es eine Frage des Miteinanders, ob Meinungen zugelassen, ob Minderheiten zugehört, ob Fehler akzeptiert werden und sich so ein Meinungsbildungsprozess demokratisieren lässt. Denn klar ist: Eine Unternehmenskommunikation, in der mehr Mitarbeitende, womöglich alle, als Botschafter:innen gelten, setzt voraus, dass diese Mitarbeitenden auch stärker eingebunden werden müssen in den Diskurs darüber, welche Botschaften kommuniziert werden und auch wer für welches Thema steht. Es ist wichtig dafür eigene Dialogräume zu schaffen und unsichtbare Narrative sichtbar zu machen. Nur so lassen sich überhaupt in den Teams neue Narrative entwickeln, die zur Basis der neuen Unternehmenskommunikation werden. Es gilt gemeinsam neue Erfahrungen zu machen und gemeinsam Zukunftsgeschichten zu entwickeln. So entstehen Geschichten, mit denen sich Mitarbeitende identifizieren, und die sie selbst sichtbar machen.

Die partizipative Unternehmenskommunikation, die so entsteht, ist also der zweite Schritt. Dieser darf hier nicht vor dem ersten erfolgen, dem gemeinsamen Prozess der Entwicklung von Botschaften, Formaten und Kanälen, über die Grenzen der Presse- und Marketingabteilung hinaus, sonst kommuniziert jede:r so wie er will und es entsteht keine gemeinsame Strahlkraft.

Solch eine Kultur des Dialogs und der partizipativen Kommunikation entsteht nicht über Nacht, sie ist kein Sprint, sie ist ein Marathon. Nehmen Sie sich Zeit, aber gehen Sie morgen los, denn jeder Schritt bringt Sie ein Stückchen näher zum Ziel. Es braucht flachere Hierarchien und eine neue Führungskultur, in der Menschen zu Wort kommen, sichtbarer werden, sich an der Kommunikation beteiligen und sich dadurch, das ist ein äußerst positiver Nebeneffekt, viel mehr als Teil des Ganzen fühlen – und dieses Empfinden auch wieder in Engagement und Leidenschaft für ihre tägliche Arbeit übersetzen.

Mitarbeitende zu Botschafter:innen des Unternehmens machen

Ich möchte das an dieser Stelle nochmal klarmachen: Ja, dieser Weg ist schwierig, weil eine eindimensionale Einbahnstraßen-Unternehmenskommunikation natürlich viel einfacher ist als die Stimmen Vieler so zu konsolidieren, dass daraus eine einheitliche Melodie wird. Denn es braucht dafür eigene vertrauensvolle Kommunikationsräume. Doch: Es gibt keine Alternative zu diesem Weg, weil Unternehmen, die ihn nicht gehen, eines Tages abgehängt werden, zuerst im B2C-Geschäft, später auch im nachlaufenden B2B-Geschäft. Die Kunden als erstes und später auch Zulieferer oder andere Stakeholder wollen heute anders angesprochen werden, sie haben völlig andere Erwartungen an Unternehmen.

Wem es also gelingt, die eigenen Leute von Mitarbeitenden zu Botschafter:innen zu machen, der erhöht durch die Vielstimmigkeit der Unternehmenskommunikation die Glaubwürdigkeit seines Tuns und erreicht durch die Diversität derer, die Botschaften aussenden, auch ganz neue Zielgruppen. Dafür braucht es ein gemeinsames Verständnis, Werte und eigene Dialogformate. Der ideale Weg ist dabei, dass die kommunikative Linie als weitgehender Konsens aus den Zielen, Visionen und der Kultur des Unternehmens abgeleitet wird. Schon bei dieser Ableitung wird den Mitarbeitenden viel Platz einräumt. Denn: Wer die Mitarbeitenden an dieser Stelle einbindet, muss sich um die komplexere Steuerung der Botschafter:innen keine großen Sorgen machen, weil sie dann nicht nur für sich sprechen, sondern als Mitinitiator:innen der Transformation.

Unterstützt man die Mitarbeitenden dann noch mit den nötigen Kommunikationsskills für Social Media, flankiert die Botschaften mit klaren Statements aus der Unternehmensleitung und steht als CEO für den Dialog bereit, ergibt sich eine Unternehmenskommunikation, die in der Wirkung kaum zu schlagen ist.

 

Hinweise:

Wenn Sie als Geschäftsführer:in oder Experte:in digital erfolgreich am Markt kommunizieren, mit Medien in Kontakt treten oder auf Social Media präsent sein wollen und keine Zeit haben, sich selbst darum zu kümmern, dann sprechen Sie Nina Mülhens gerne an – es lohnt sich!

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Nina Mülhens hat einen weiteren Beitrag im t2informatik Blog veröffentlicht:

t2informatik Blog: Warum Perspektivwechsel wichtig sind

Warum Perspektivwechsel wichtig sind

Nina Mülhens
Nina Mülhens

Zwei Ausbildungen, ein Studium, mehrere spannende Anstellungen und zwei Unternehmensgründungen: Neugier treibt Nina Mülhens von jeher an und eröffnet immer wieder neue Möglichkeiten.

Nina Mülhens ist Kommunikationsstrategin, Narrative Organisationsberaterin und zugleich Unternehmerin. Mit nina mülhens. Kommunikation klipp & klar. baut sie wertschöpfende Beziehungen auf und eröffnet neue Kommunikationsräume in Unternehmen. Kommunikation ist das Schmiermittel jede:r Beziehung und Zusammenarbeit.

Als Mitgründerin und Geschäftsführerin hat Nina Mülhens das Social Bildungs-Start-up DigitalSchoolStory zum Leben erweckt. Das Projekt verankert neue Lernwege ganz praktisch in der Schule, um Schüler:innen von reinen Social Media-Konsument:innen zu aktiven Gestalter:innen zu entwickeln. Ihr Ansatz: Schüler:innen der Klassen 5 bis 13 übersetzen Lerninhalte in kreative Videos. Dabei erwerben sie persönliche, soziale und methodische Zukunftskompetenzen wie digitale Medienproduktion und agiles Arbeiten im Team. Die Methode wird auch an Berufsschulen, Universitäten und in Unternehmen eingesetzt, um Wissenstransfer und -vernetzung zu unterstützen. In ihrem Unterstützer-Umfeld finden sich knapp 90 Fachleute aus der Wirtschaft, dem Bildungsbereich, Wissenschaft und ThinkTanks.