Mehr Mut zum Experiment

Gastbeitrag von | 27.04.2020

Lern- und Experimentierräume in kleinen und mittelständischen Unternehmen

Beim Thema Digitalisierung gehen sowohl die Erfahrungen, als auch die Lösungen und die Meinungen sehr weit auseinander. Hat man ein Instrument gefunden, versucht garantiert jemand im Unternehmen alle anstehenden Herausforderungen mit diesem Instrument zu meistern. Nicht selten erzeugt gerade diese Vorgehensweise Frust und Fehler, so dass viele Organisationen “gelernt haben”, alles einfach beim Altbekannten zu belassen. Einerseits sind oft weder der Raum noch die Zeit geschweige das Geld da, gemeinsam an dringenden und wichtigen Fragestellungen zu lernen und auch das eine oder andere Experiment zu wagen. Andererseits landen namhafte Unternehmen einen Produkterfolg nach dem anderen. In Pandemiezeiten scheint es so zu sein, dass digitale Lösungen geradezu danach schreien, jetzt ausprobiert zu werden.

Sind Experimente nur etwas für große Unternehmen?

Alles nur was für Unternehmen mit Forschungs- und Entwicklungsabteilung? Keineswegs! Beim Fokus Digitalisierung müssen, auch wenn das abgedroschen klingen mag, Unternehmen jeglicher Größe aktiv werden. Kleine und mittelständische sind entsprechend einiger Studien beim Einsatz und der Weiterentwicklung von digitalen Lösungen schwerfälliger als große Firmen. So leidet gerade der Mittelstand unter mangelnden digitalen Kompetenzen, wie eine Studie der Kfw kürzlich feststellte.¹

Die mangelnde Innovationsfähigkeit bezieht sich aber nicht auf vorhandene Produkte. Vielmehr geht es darum, wirklich neue Produkte und Prozesse zu schaffen. Das mag daran liegen, dass eine zentrale Frage im Digitalisierungsdickicht schwer zu beantworten ist:

Wo fangen wir denn nur an?

Ist mein Problem von der Sorte, für das schlaue Köpfe schon mal eine Standardlösung entwickelt haben, braucht es jetzt nur das Wissen, wo man diese bekommen kann und wie man sie kostengünstig implementiert. Ist die Herausforderung vielfältiger oder schwer greifbar, liegt eine Lösung möglicherweise meilenweit von einem bekannten oder branchenüblichen Standard entfernt.

Lern- und Experimentierraum in mittelständischen Unternehmen

Die Schlagworte agil und digital sind allgegenwärtig und man ist müde geworden, sich damit weiter zu befassen. Die Abnutzung unserer Aufmerksamkeit ist an dieser Stelle für KMU fatal. Die Geschwindigkeit mit der Mitbewerber ihre Geschäfte digital weiter entwickeln, kann zu einem strategischen Risiko werden, wenn man selbst das Thema Innovation schleifen lässt.

Gibt es Lösungen für das Problem? Natürlich! Von einem EDV-Experten hörte ich einmal von „MUP – der Methode des unbekümmerten Probierens“. Unabhängig davon, dass dieser Hinweis in vielen Digitalisierungsfragen getrost zu empfehlen ist, haben Organisationen und kleine Unternehmen hier eine gewisse Scheu. Das ist zu verstehen, gerade in Zeiten des Coronavirus soll bei dem Herumprobieren bitte auch was rauskommen. Wer etwas strukturierter, aber trotzdem ergebnisoffen vorgehen möchte, dem hilft der Lern- und Experimentierraum, wie er bei dem Programm unternehmensWert:Mensch plus realisiert wird.² Er umfasst sechs Gestaltungsfelder im Unternehmen:

  • neue Geschäftsmodelle & Innovationsstrategien
  • Produktionsmodell & Arbeitsorganisation
  • Personalpolitik, Beschäftigung & Qualifizierung
  • Sozialbeziehungen & Kultur
  • Führung, berufliche Entwicklung & Karriere
  • Arbeitsplatz der Zukunft, Arbeitszeit- & Leistungspolitik.

Bei aller Notwendigkeit von neuen Instrumenten, Hardware- oder Softwarelösungen, braucht es selbst zu Zeiten von immer intelligenter werdender KI noch den Menschen und die Organisation von Prozessen im entsprechenden System. Führung und Kommunikation, ein Dauerbrenner seit den 1970er Jahren, ist auch heute ein Schwerpunkt in KMU, auch und gerade wenn es darum geht, wirklich Neues ins Laufen zu bringen. Nicht selten sehen sich Mitarbeiter und Führungskräfte auch vor die Frage gestellt, was denn mit den großen Mengen an Daten geschehen soll. Wollen wir die anfallenden Gesundheitsdaten, vielleicht weil wir eine entsprechende App nutzen, die den höhenverstellbaren Schreibtisch steuert, im Unternehmen auswerten und allen zugänglich machen? Wollen wir daraus Konsequenzen ziehen? Solche Fragen scheinen für Digitalisierungsprojekte kaum vordergründig. Betrachtet man diese aber nicht, kann man sicher auf zwei Effekte hoffen, die (digitalen) Neuerungen werden ignoriert und entsprechend nicht angewendet oder aber direkt angegriffen. In beiden Fällen ist die Investition für die Katz.

Es ist also wichtig, neben strukturellen und personellen Fragen im Lern- und Experimentierraum auch alle Themen zu bearbeiten, die die Menschen im Unternehmen beschäftigen. Die Methode zählt auf jeden Fall zum agilen Instrumentarium, das auf der einen Seite einen gewissen Entwicklungsdruck aufrecht erhält, andererseits im wahren Sinne des Wortes einen Raum eröffnet, in dem solche Gedanken und Ideen überhaupt ausführlich diskutiert, gedacht und besprochen werden können.

Woran merken Sie, dass Lern- und Experimentierräume dringend notwendig sind?

Klares Zeichen, dass es Zeit wird, etwas zu verändern, ist immer die Erkenntnis, dass es ja eigentlich gut läuft. Der bekannte Spruch mit dem Esel und dem Eis kommt nicht von ungefähr. Gerade dann, wenn man ausreichende Ressourcen in der Hinterhand hält, kann die Aufmerksamkeit gut auf die Entwicklung von neuen Produkten, Prozessen oder Erkenntnissen gelenkt werden.

Ein paar weitere Beispiele, bei denen Sie mit der Entwicklung von neuen, vielleicht auch digitalen, “Dingen” im Unternehmen sofort beginnen sollten:

  • Wenn der Chef, die Führungskräfte oder auch die Mitarbeiter dem „TOOLwahnsinn“ verfallen und täglich neue Apps oder digitale kleine Schächtelchen als Heilsbringer im Arbeitsalltag vor sich hertragen.
  • Wenn in der Frühstücks- oder Mittagsrunde alle auf ihr Smartphone schauen und nicht (mehr) miteinander reden.
  • Wenn Umsätze und Gewinne langsam aber stetig zurückgehen.
  • Wenn Sie mit Ihrer Personalsuche keine jungen Leute mehr für Ihr Unternehmen interessieren können oder diese gar nicht erreichen. Leider fällt das meist erst auf, wenn es komplett zu spät ist.
  • Wenn die Mitarbeiterbindung leidet, sich Unzufriedenheit breit macht, obwohl sich eigentlich gar nicht groß was geändert hat.
  • Wenn …

Die Liste lässt sich „beliebig“ erweitern. Die Kernfragen im Alltag von KMU werden zu oft nur am Rande der 100prozentigen Auslastung gestellt. Diesem Stress kann entgegenwirken, wer regelmäßig und strukturiert an der Weiterentwicklung digitaler Kompetenzen, eigener Lösungen oder der Integration von eingekauften digitalen Lösungen arbeitet. Das muss nicht immer der Chef machen, die Mitarbeiter sind in ihrem Fach die Experten, es braucht nur Zeit und die Gelegenheit sich über die Gedanken und Ideen dieser Experten auszutauschen. Quasi ein Bewusstsein für regelmäßige sinnvolle (nicht nur digitale) Entwicklungsarbeit.

Diesen Austausch in einem Lern- und Experimentierraum mit einem Prozessberater seines Vertrauens zu gestalten, bringt einen Entwicklungsschub, den man im „normalen“ Unternehmens- oder Organisationsalltag oft nicht erreicht. Mehr Mut zum Experiment, auch wenn man das Ergebnis mal nicht genau vorhersagen kann – das Jetzt und die Zukunft wollen gestaltet werden, wir müssen uns nur die Zeit dazu nehmen.

 

Hinweise:

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[1] Mittelstand leidet an Mangel von Digitalkompetenzen
[2] Hilfe von unternehmesWert:Mensch plus

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Sven Lehmann

Sven Lehmann

Goethe meinte einmal sinngemäß, dass alle Theorie grau bleibe … wenn man nicht Taten folgen lässt. Sven Lehmann ist seit über 25 Jahren Unternehmens-, Organisations- und Personalentwickler, Coach und Supervisor, Blogger, mit dem Schwerpunkt Unternehmen und Menschen zu entwickeln. Ob die eigentliche Entwicklung des Veränderungsprojektes, ein Workshop, zum Beispiel zur Unternehmensstrategie oder zur Leitbildentwicklung, ein Seminar oder Training zur Kommunikation, das Lebenszeit-Coaching für die Einzelperson oder Autogenes Training zur Entspannung und Konzentration – Sven Lehmann hilft gerne bei der Entwicklung von Menschen und Unternehmen. Sprechen Sie ihn einfach an.