Loyalität in Unternehmen – Teil 2

Gastbeitrag von | 09.02.2023

Wie Sie eine loyale Unternehmenskultur erschaffen

Nicht immer sind es die großen Krisen und medienwirksamen Pleiten, die das Vertrauen in Unternehmen, in deren Management und in Führungskräfte zerstören. Viel öfter sind es die unzähligen Einzelfälle, die das Vertrauen der Mitarbeiter in die Führungsqualität dramatisch verringern.

Eine unüberlegte Handlung, ein unbedachter Ausspruch oder ein impulsiver Post in den sozialen Medien – und mit dem Vertrauen ist es dahin. Umso wichtiger ist es, dass Unternehmensdenker und -lenker ihre Vertrauenswürdigkeit immer wieder offensiv zeigen. Beispielsweise durch klare und offene Bekenntnisse, dass man ihnen vertrauen kann. Gleichzeitig sollten sie offene, nicht-anonyme Kommunikation auch von ihren Mitarbeitern fordern. Wichtig ist es, alle mitzunehmen! Eine Kultur des Vertrauens funktioniert nicht, wenn nur Einzelne diese leben.

Gründe für Loyalitätsdefizite in Unternehmen

Es gibt eine ganze Reie von Gründen für Loyalitätsdefizit in Unternehmen. Typische Gründe sind z. B.:

  • Die Mitarbeiter machen wiederholt die Erfahrung, dass Veränderungen einseitig zu ihren Lasten vorgenommen werden.
  • Sie bekommen das Gefühl, ihr Schicksal sei der Unternehmensführung gleichgültig.
  • Die Mitarbeiter bekommen den Eindruck, man würde sie bewusst mangelhaft oder sogar falsch informieren.
  • Sie müssen erkennen, dass ihr jahrelanges Engagement in Krisenzeiten oder bei strategischen Unternehmensentscheidungen nichts gilt.
  • Die Unternehmensleitung setzt bei wichtigen Entscheidungen eher auf das Expertenwissen externer Berater als auf die Erfahrungen, das Insiderwissen und die Kundenkontakte der eigenen Mitarbeiter.
  • Manager der oberen Hierarchieebenen sorgen mehr für ihre persönlichen Vorteile als für den Fortbestand des Unternehmens und den Erhalt der Arbeitsplätze.
  • Unbegründete Ungleichbehandlung.
  • Fehlende Chancengleichheit bei Vergütung und Beförderung.
  • Zu komplexe Entscheidungswege.
  • Zu viele Kontrollen bei der Arbeit bzw. von Arbeitsprozessen.
  • Widersprüchliche und missverstandene Botschaften.
  • Abwertende Äußerungen über Mitarbeiter.
  • Wenn Mitarbeitern zu Unrecht misstraut wird.
  • Persönliche Unsicherheiten von Entscheidern, die sich auf deren Führung auswirken.
  • Kommunikationsstörungen wie die Verkündung unterschiedlicher Informationen an verschiedene Mitarbeiter.
  • Unberechenbarkeit von Führungspersonen.
  • Infragestellen der Mitarbeiterkompetenzen.
  • Ausbleiben von Anerkennung und Lob.
  • Einsatz von Informationen als Manipulation (Bestrafung).
  • Unfaire Bezahlung und Intransparenz über Lohn-/Gehälterunterschiede.

Die Psychologie spricht den Menschen die Neigung zu, negativen Dingen mehr Gewicht zu geben als positiven. Aus Angst vor dem Scheitern versuchen wir manches gar nicht. Doch nur, wenn wir diese Angst überwinden, können wir Vertrauen aufbauen.

Mit jeder kleinen Hürde, die wir im Leben meistern, baut sich Angst ab und wächst das Vertrauen – in unser Können und unsere Fähigkeiten und in uns selbst, unabhängig davon, was wir zu leisten imstande sind. Haben wir erst einmal Vertrauen aufgebaut, können wir Kontrolle abgeben.

Thomas stellt fest, dass sich die Anzahl an Sonderanfertigungen in den letzten drei Jahren verdoppelt hat. Da jeder dieser Aufträge im Planungs- und Produktionsprozess ein individuelles Vorgehen erfordert, werden die üblichen Prozessabläufe im Unternehmen mit steigender Frequenz behindert und unterbrochen. Dies führt zu einer angespannten Stimmungslage, in der die Abteilungen immer stärker gegeneinander statt miteinander handeln. Aufgrund der vielen Beschwerden der Mitarbeiter hat Thomas entschieden, die Entscheidungen wieder selbst zu treffen, wer wann was in welcher Menge produziert – in der Hoffnung, das Betriebsklima so im Griff zu behalten. Doch das Gegenteil passiert: Die Mitarbeiter fühlen sich ihres Handspielraums beraubt und ziehen sich zurück. Das Engagement, das Thomas sonst von ihnen gewöhnt ist, bleibt aus.

Ungünstiges Vorgehen: Mikromanagement, einseitige Vorgaben, fehlende Einbeziehung.

Aussichtsreicheres Vorgehen: Mitarbeiter einbinden und gemeinsam neue Prozesswege entwickeln.

Kontrolle und Vertrauen

Ohne ein Mindestmaß an Kontrolle können viele Menschen überhaupt kein Vertrauen aufbauen, denn wahrgenommen wird Vertrauen als subjektive Sicherheit, dank der man Kontrolle abgeben und übertragen kann. Auch wenn die Vertrauensbereitschaft jedes einzelnen Menschen sehr unterschiedlich ausgeprägt ist, gibt es sinnvolle Maßnahmen, um die Ressource Vertrauen grundsätzlich auf- und auszubauen:

Reflektieren Sie sich selbst

Vertrauen entsteht gegenseitig. Deshalb ist es zu Beginn einer Arbeitsbeziehung wichtig, sich selbst die Fragen zu stellen: Was verstehe ich unter Vertrauen? Welche Erwartungen habe ich an eine vertrauensvolle Arbeitsbeziehung?

Gehen Sie in Vorleistung

Da eine Führungsposition gleichzeitig auch Machtposition ist, ist der beste Weg zum Aufbau einer vertrauensvollen Arbeitsbeziehung, von sich aus in Vorleistung zu gehen. Damit wird die Führungskraft zugleich zum Vorbild.

Kommunizieren Sie informell

Der vorgegebene Rahmen in Unternehmen macht eine offene Kommunikation teilweise schwer. Deshalb sollten Führungskräfte die Chance nutzen, sich auch mal spontan mit Mitarbeitern auszutauschen – einfach nur von Mensch zu Mensch.

Verhalten Sie sich immer fair

Auch Führungskräfte machen Fehler, sie sind ja auch Menschen. Dann heißt es, dazu zu stehen. Als fair empfunden werden beispielsweise gerechte Beurteilungen und Entscheidungen anhand bekannter Kriterien und das konsequente Einhalten eigener Zusagen.

Die gelebte Kultur bildet das Fundament für Loyalität

Gerade wenn es um Menschenführung geht, ist es wichtig, ein stabiles Fundament zu schaffen, das es der Führungskraft erleichtert, ihrer vornehmlichen Aufgabe nachzukommen: die Arbeitszufriedenheit und Performance der Mitarbeiter zu steigern bzw. auf einem hohen Level zu halten. Stellt sich die Frage, wie erfolgreiche, loyale Führung machbar und messbar ist: Einerseits drückt sich die Führung in einem konkreten Verhalten aus, das beobachtet, beschrieben und somit gemessen werden kann. Und es gibt Variablen, die zeigen, ob ein Führungsstil besser, schlechter oder gleich gut wie ein anderer Führungsansatz ist. Neben der

  • Mitarbeiterzufriedenheit,
  • Leistung,
  • Fluktuation,
  • Abwesenheitszeiten,
  • Fehlerhäufigkeiten,
  • das Ausmaß an selbstständigem Engagement,

gehören natürlich die Loyalität zum Unternehmen, zum Team und zur Führungskraft zu den wichtigen Indizien für erfolgreiche Führung. Wirkt sich ein Führungsstil auf einen oder mehrere dieser Faktoren positiv aus, ohne gleichzeitig andere Faktoren zu vermindern, ist er somit erfolgreich und besser als bisherige Führungsansätze.

Allerdings schließe ich mich nicht den Urhebern vermeintlich einfacher und allgemeingültiger Führungsrezepte an. Und das in Ihrem Sinne: Ich werde kein wohlklingendes, aber falsches Rezept verbreiten. Stattdessen ergründe, hinterfrage, sammele ich Indizien, ziehe mitunter klare Aussagen und differenziere alles, was im größeren Kontext steht. Ich arbeite mit Menschen, eruiere den Grad ihrer Kooperationsbereitschaft und ermesse so ihre Haltung zu lösungsorientiertem und loyalem Verhalten.

Eine Gruppe Menschen zu führen, bedeutet unterschiedliche Individuen zu führen, coachend anzuleiten und deren Wertesysteme, kulturelle Hintergründe, Bedürfnisse, ihre aktuelle Verfassung und Situation zu berücksichtigen. Natürlich sind die Organisation selbst, die Unternehmensziele und weitere Rahmenbedingungen ebenso einzubeziehen. Diese Herangehensweise wird als “situatives Führen” bezeichnet. Ich finde diesen Ansatz richtig und wichtig, nicht um den Führungskräften hohe An- und Herausforderungen zu stellen, sondern um die grundsätzliche Fähigkeit als Persönlichkeit mit Haltung zu führen, unabhängig von Fachkompetenzen. In Kombination mit einer loyalen Führungshaltung steht das Ziel, dass Mitarbeiter an ihrem Arbeitsplatz ihre eigenen Potenziale und Stärken erkennen, entwickeln und einbringen können. Um dies zu erreichen, ist ein Umfeld maßgeblich, das diese Potenzialentfaltung erlaubt und Führungskräfte einschließt, die verstanden haben, dass ihr gelebtes Führungsverhalten Ausschlag gebend ist für die gesamte Arbeitskultur in ihrem Bereich. Die Führung schafft also immer das Fundament einer “Unternehmenspyramide”, und nicht etwa deren Spitze.

Ich glaube, dass im Grunde genommen alle Menschen einen guten Kern haben. In den Trainings und Personalentwicklungsmaßnahmen zu Loyaler Führung werden ein paar Grundannahmen aus dem Neuro-Linguistischen Programmieren (NLP) für das grundsätzliche Menschenbild einbezogen:

  • Jeder Mensch handelt aus einer positiven Absicht.
  • Jeder Mensch trägt alle sozialen Fähigkeiten als Ressourcen in sich zur Verfügung.
  • Es gibt keine Fehler, nur Feedback.
  • Die Reaktion ist das Zeugnis der Kommunikation.
  • Das flexibelste Element kontrolliert das System.

Wir alle sind mit einem Blumenstrauß an sozialen Eigenschaften auf die Welt gekommen. Durch Erziehung, Prägung und unsere Erfahrungen haben wir gelernt, was in unserem Umfeld erwünscht und was versagt ist. Dadurch haben wir uns bestimmte Verhaltensweisen antrainiert, mit dem Ziel, gut durchs Leben zu kommen. Auch heute bedienen wir uns täglich dieser antrainierten Verhaltensweisen, oft unbemerkt, weil unbewusst. Erst durch das regelmäßige Reflektieren werden wir aufmerksam auf die vielen “Geschenke”, die wir im Laufe des Lebens angesammelt haben und heute kritisch hinterfragen dürfen, ob sie uns dienen, zu unseren Zielen und zu unserem Lebensweg passen.

 

Hinweise:

Das war Teil 2 der dreiteiligen Serie zu “Loyalität in Unternehmen”. In Teil 1 ging es um verschiedene Formen der Loyalität und ihre Bedeutung für Unternehmen bei Themen wie Führung oder Kommunikation. Teil 3 dreht sich um Veränderungsbereitschaft.

Hier finden Sie die beiden anderen Teile der Serie und einen weiteren Beitrag von Miriam Engel:

t2informatik Blog: Loyalität in Unternehmen - Teil 1

Loyalität in Unternehmen – Teil 1

t2informatik Blog: Loyalität in Unternehmen – Teil 3

Loyalität in Unternehmen – Teil 3

t2informatik Blog: Wie fördern Sie Mitarbeiterloyalität?

Wie fördern Sie Mitarbeiterloyalität?

Sehr gerne empfehlen wir Ihnen das Buch Besser führen – Mit Haltung und Vertrauen zu Loyalität von Miriam Engel. Mithilfe des Buches erkennen Personalverantwortliche, über welche führungsrelevanten und sozialen Fähigkeiten sie verfügen, um besser auf Kollegen und Mitarbeiter einzugehen, gute Entscheidungen zu treffen und sicher in die Zukunft zu navigieren.
Besser führen
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Miriam Engel
Miriam Engel

Miriam Engel ist Kommunikationswirtin, Führungstrainerin und zertifizierte Personalentwicklerin. Fokus ihrer Arbeit ist Team- und Kulturentwicklung sowie Mitarbeiterkommunikation. Mit der Managementberatung loyalworks® berät und betreut sie Betriebe, die ihre Mitarbeiter nachhaltig binden und passende Kandidaten fürs Unternehmenswachstum gewinnen wollen. Die Expertin für loyale Führung und Zusammenarbeit bietet Leadership-Programme auch mit IHK-Zertifizierung an.

@Photo: Oliver Hehr