Lean Thinking in Vertrieb und Marketing

Gastbeitrag von | 26.07.2021

Viele Unternehmen, die eine Lean-Transformation angehen, machen einen gravierenden Fehler: sie betrachten Lean als ein Fertigungs- oder Produktionsthema. Tatsächlich kann Lean Manufacturing nur dann erfolgreich sein, wenn alle Aspekte im Unternehmen durch Lean Thinking transformiert werden. Vertrieb, Marketing und auch das Portfoliomanagement sind Bereiche, die in Unternehmen oftmals unbeachtet bleiben.

In Marketing und Vertrieb muss der Fokus auf den Kundennutzen gelegt werden. Es gilt einen steten Nachfragefluss zu organisieren und gleichzeitig die Arbeit zu standardisieren und kontinuierlich zu verbessern. Dabei geht es aber nicht nur um bessere Durchlaufzeiten und Kostenreduzierung, sondern um die Schaffung von Kundenpartnerschaften. Ohne Kundenpartnerschaften sind Unternehmen nicht wirklich „lean“ und schaffen nicht in vollem Umfang Kundenwert.

Der Kunde als Partner

Das allmächtige Schlüsselwort bei Lean ist „Nachhaltigkeit“. Lean-Organisationen suchen nicht nach einem einmaligen Verkauf, sondern streben eine partnerschaftliche Beziehung zu ihren Kunden an. Die Themen wertebasierterVertrieb und Marketing sind für Kundenpartnerschaften von größter Bedeutung, da diese Partnerschaft auf gegenseitigem Respekt und gemeinsamem Nutzen beruht. Lean-Living-Organisationen versuchen, kooperativ zum gegenseitigen Vorteil zu arbeiten, anstatt sich mit diesen lähmenden Machtkämpfen auseinanderzusetzen.

Ein Beispiel:

Ein IT-Managed-Service-Anbieter versteht, dass sein Kunde seine Gesamtkosten für die IT-Wartung und deren Management reduzieren muss. Gemeinsam arbeiten beide an einer Due Diligence und kontinuierlichen Verbesserung (Kaizen), um die Verschwendung zu beseitigen und ihre Prozesse in beiden Organisationen zu verbessern. Die daraus resultierenden Kostensenkungen lassen sich zwischen beiden Organisationen aufteilen und es kann sogar zu einer möglichen Preissenkung kommen:

  • Treten die Kostensenkungen beim Anbieter auf, wird der Nutzen durch Preissenkungen an den Kunden weitergegeben.
  • Findet der Großteil der Kosteneinsparungen beim Kunden statt, dann hat der Kunde sein Kostensenkungsziel erreicht, ohne dass der Provider seine Preise senken muss.

Egal wie man es dreht und wendet, es entsteht ein gegenseitiger Nutzen für beide Parteien.

Anmerkung:

Es liegt auf der Hand, dass ein Unternehmen, das den Lean-Ansatz in Bezug auf Kundenbeziehungen, Kosteneinsparungen und Preisgestaltung verfolgen möchte, den Prozess im Einkauf und seine Leistungsmessungen ändern muss. Wenn sich ein traditionelles Unternehmen stark auf Standardkosten und Einkaufspreisabweichungen konzentriert, dann motiviert und unterstützt dies toxische Verhaltensweisen. Die Aufgabe von Lean-Unternehmen ist es, diese Messungen zu eliminieren und durch Messungen zu ersetzen, die zu kooperativen Beziehungen und niedrigsten Gesamtkosten durch Prozessverbesserungen motivieren.

Konzepte des wertebasierten Vertriebs und Marketings

Es gibt eine Reihe von Konzepten, die allgemein mit Lean Sales und Lean Marketing in Verbindung gebracht werden:

Konzepte des wartebasierten Vertriebs und Marketings

Wenn wir uns diese Konzepte genau ansehen, sind die meisten Merkmale eines schlanken Ansatzes für den Verkauf und das Marketing von Produkten tatsächlich von einem wertorientierten Ansatz beeinflusst. Sobald wir erkennen, dass eine korrekte Einschätzung und auch ein Herausarbeiten des Kundenwertes wichtig ist, werden wir eine drastische Veränderung in unserer Herangehensweise an den Kunden erleben.

De facto haben die meisten Unternehmen bereits Vertriebsmitarbeiter, die intuitiv einen wertebasiertenn Ansatz verfolgen. Sie erkennen tatsächlich, dass der Schlüssel zur Gewinnung von Neugeschäft und damit zum Wachstum des Unternehmens in der Schaffung von Werten für ihre Kunden liegt. Darüber hinaus müssen sie dieses Wissen nutzen, um Produkte und Dienstleistungen zu entwickeln, die den Kundennutzen optimieren oder maximieren, und sie erkennen, dass die Preise an den für den Kunden geschaffenen Wert angepasst werden müssen.

Auch wenn viele Unternehmen immer noch an der alten Schule der Kosten-Plus-Preise festhalten, haben schlaue Verkäufer bereits erkannt, dass der Kunde nur einen Preis zahlt, der dem Wert entspricht, den er für die angebotenen Produkte und Dienstleistungen hat. Außerdem wissen sie, dass dem Kunden die Kosten, die im Unternehmen anfallen, um die Dienstleistung oder das Produkt bereitzustellen, egal sind.

Das Verständnis der Wertschöpfung für Kunden

Neben dem Verständnis der Lean-Prinzipien, wie sie im Buch „Lean Thinking“ von Womack und Jones beschrieben werden¹, ist der Ausgangspunkt für das Verständnis des Kundenwerts der Kunde selbst. In professionellen Lean-Organisationen verbringen Vertriebsprofis viel Zeit mit ihren Kunden, um die Bedürfnisse zu erkennen und zu verstehen. Es geht darum, diese Bedürfnisse in Dienstleistungen und Produkte zu übersetzen oder abzubilden.

Es gibt eine ganze Reihe von Komponenten, die für den Kunden Wert schaffen, z.B.:

  • Umwandlung von Commodity-Services in maßgeschneiderte Dienstleistungen
  • ein einzigartiges Produkt / Dienstleistung (Nische)
  • ein überlegenes Produkt / eine überlegene Dienstleistung (Qualität)
  • Schaffung von Wertschätzung oder Prestige in Verbindung mit Ihren Produkten und Dienstleistungen
  • die Bereitstellung von Komplettlösungen für die Probleme und Bedürfnisse des Kunden
  • Senkung der Lebenszykluskosten von Produkten
  • ein Produkt / Dienstleitung zur Senkung der Kosten oder zur Umsatzsteigerung des Kunden
  • Dienstleistungen, die kurze Vorlaufzeiten, Flexibilität, kooperative Beziehungen, Zuverlässigkeit, Verantwortlichkeit usw. bieten

Clevere Vertriebs- und Marketingleute haben inzwischen herausgefunden, dass sie Lean Thinking und die Schaffung von Kundennutzen mit den 8 wichtigen (zugrundeliegenden) Gründen, warum Kunden tatsächlich kaufen, kombinieren können, nämlich:

  1. Sicherheit
  2. Prestige
  3. Neugierde
  4. Gewinn
  5. Gesundheit
  6. (individuelle) Erfüllung
  7. Bequemlichkeit
  8. Sozialität

Sobald Sie wissen und verstehen, wie Sie Werte für Ihre Kunden schaffen und diese mit den richtigen Vorteilen verbinden können, können Sie damit beginnen, diese Werte zu quantifizieren.

Wertebasierte Preise und Angebote

Grundsätzlich ist der Ausgangspunkt für die Berechnung des Wertes für den Kunden die Kenntnis des Basispreises – also des Betrages, den der Kunde für die Produkte oder Dienstleistungen bezahlt, die denen ähnlich sind, die Sie anbieten wollen. Kennen Sie den Basispreis, können Sie den Betrag der Ersparnis oder den erhöhten Umsatz berechnen, den der Kunde erfährt, würde er Ihre Dienstleistungen oder Produkte nutzen.

Meist sind die klaren oder eindeutigen Vorteile, die berechnet werden, finanzieller Natur. Bei den sogenannten „weichen“ Vorteilen handelt es sich eher um Dinge wie Bequemlichkeit oder Risikominderungen, kurze Lieferzeiten, Garantien oder sehr exklusive Vereinbarungen. Diese weichen Vorteile zu berechnen, ist relativ schwierig; in der Regel ist eine enge Zusammenarbeit mit dem Kunden bzw. dessen Kunden erforderlich, um den Wert zu verstehen, der durch entsprechende Vorteile entstehen kann. Es ist also eine gewisse Due Diligence bei der Einholung von Informationen bei Kunden, der Durchführung von Umfragen, der Erforschung von Märkten und dem Experimentieren in Bezug auf die Preisgestaltung nötig.

Nehmen wir an, es gelingt Ihnen und Sie haben den Wert, den Ihre Dienstleistung oder Ihr Produkt für Ihren Kunden schafft, herausgefunden. Nun können Sie übergehen, den Preis für Ihre Dienstleistung oder Ihr Produkt zu berechnen. Beispiel:

Ein Produkt schafft 300,00 USD mehr Wert als das vorherige, ähnliche Produkt, das mit 450,00 USD bepreist wurde, dann stehen Sie automatisch vor der Frage, wie viel von den zusätzlichen 300,00 USD Sie behalten und wie viel Sie an Ihren Kunden weitergeben. Dies Antwort auf diese Frage kann die Richtung vorgeben, ob Sie weniger Produkte für einen höheren Preis verkaufen oder umgekehrt. Genau an diesem Punkt ist ein fundiertes Verständnis der Preiselastizität der Nachfrage wertvoll.

Unternehmen, die überwiegend Kosten-Plus-Ansätze verwenden, finden es oft schwierig, Ihr Denken auf eine wertebasierte Preisgestaltung zu übertragen. Sie müssen sich Zeit nehmen, entsprechende Anpassungen für ihre bestehenden Produkte vorzunehmen. Führen sie neue Produkte in einen Markt ein, können diese aber fortan auf realen Werten von Kunden basieren. Für Vertrieb und Marketing bedeutet dies, dass sie in der Lage sind, ihren Kunden eine (logische) Begründung für die Preise zu geben, die auf dem Nutzen beruhen, den der Kunde tatsächlich aus der Anwendung ihres Produkts zieht. In der Konsequenz führt dies zu höherem Umsatz, Profitabilität und sogar zu einem besser informierten und befähigten Vertriebspersonal sowie natürlich zu einer harmonischen Kundenbeziehung. So wird der Kunde zum Partner.

Fazit Lean Thinking in Vertrieb und Marketing

Lean Thinking ist nicht nur ein Ansatz für die Fertigung oder Produktion, es ist eine Denkweise für alle Bereiche innerhalb eines Unternehmens. Und nur wenn alle Bereiche einer Organisation mitwirken, kann der Ansatz dauerhaft erfolgreich sein. Für Vertrieb und Marketing bedeutet dies, die Art der Kooperation mit Kunden verändert sich. Kunden werden zu realen Partnern jenseits von „üblichen Marketing-Statements“. Das erfordert viel Mühe und Anstrengungen, wie bspw. die exemplarische Auseinandersetzung mit den wahren Werten eines Produkts oder einer Dienstleistungen für Kunden zeigt.

Kennen Sie dieses Bild bzw. diese Wahrheit?

Good, Cheap, Fast
Es ist es genau die Botschaft, die Vertrieb und Marketing an ihre (potenziellen) Kunden übermitteln müssen. Es ist die Basis für eine wahre Kundenpartnerschaft.

Hinweise:

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Tom Alpers steht gerne für auf einen Austausch über Lean Thinking in Vertrieb und Marketing zur Verfügung. Und natürlich können Sie auch über die Integration des Vertriebs in eine Wertstromorganisation, die Macht des Teamverkaufs oder einen Target Costing Process austauschen. Schreiben Sie ihn einfach auf LinkedIn oder per Mail an.

[1] James P. Womack, Daniel T. Jones: Lean Thinking: Ballast abwerfen, Unternehmensgewinn steigern

Tom Alpers
Tom Alpers

Tom Alpers, Jahrgang 1971 ist seit mehr als 20 Jahren in der Informations- und Kommunikationstechnologie zu Hause. Als selbstständiger Unternehmer und auch als Angestellter hat er verschiedene Perspektiven und Strömungen kennengelernt, die sein Wirken in Mediationen bestätigt. Bestärkt wird dies durch überwiegende Tätigkeiten im internationalen Umfeld.

Sein großes Fachinteresse gilt dem Lean Thinking, der Prozessoptimierung und -automatisierung, deren Antrieb er immer in der Suche nach der Wertschöpfung sieht. Innovation und kontinuierliche Verbesserung treiben ihn immer wieder an, am Puls der Zeit zu bleiben und verkrustete Strukturen aufzureißen und Organisationen die Gelegenheiten zu geben, sich zu transformieren. Gerne steht Tom Alpers mit einer ausgeprägten Hands-On Mentalität zur Seite.

Für ihn ist Wissen ein Gut, sowie Erfahrung das Geschenk des Lebens ist, beides zu teilen führt für ihn zur Weisheit.