Karl Meier und die Nachhaltigkeit in Unternehmen

Gastbeitrag von | 21.09.2023

Karl Meier, den alle wegen seiner Ähnlichkeit zum Kriminalhauptkommissar aus der gleichnamigen Krimiserie nur ehrfürchtig den “Alten” nennen, steht mit einem grünen Coffee-To-Go Becher am Stehtisch beim Netzwerktreffen der IHK Schraubenheim.

Gegenüber redet sich gerade der befreundete Unternehmer Thomas Müller-Blech in Rage: “Diese verdammte Nachhaltigkeitswelle erstickt uns! Wir werden mit immer neuen Vorschriften und hohen Kosten für umweltfreundliche Produktion erdrückt. Wenn ich mir meine Energiekosten so ansehe, kommen mir die Tränen. Nachhaltigkeit ist wichtig, aber wir dürfen unsere Rentabilität nicht opfern. Diese ganze Nachhaltigkeitsdebatte geht mir gehörig auf die Nerven.”

Rund um den Tisch sieht man zustimmendes Nicken und betretenes Schweigen. Nur Karl Meier, Chef der Firma CoolGrill, lächelt in sich hinein.

“Was gibt es denn da zu grinsen Karl?”, fragt Thomas Müller-Blech. An seinem Handgelenk blinkt die Smartwatch und warnt vor zu hohem Puls.

“Weißt du Thomas, so wie du habe ich vor Kurzem selbst noch gesprochen. An Weihnachten 2021 hatte ich dann eine etwas unruhige Nacht und bin ins Grübeln gekommen. Ich kann nicht behaupten, dass mich die ganzen Herausforderungen kalt lassen. Ganz im Gegenteil. Mittlerweile habe ich jedoch auch eine ganze Reihe Chancen entdeckt.”

“Aha. Und die wären?”, fragt Thomas Müller-Blech mit einem Augenrollen.

Die Entdeckung von Chancen und Möglichkeiten

Karl zählt die Maßnahmen auf, die er im letzten Jahr bei CoolGrill umgesetzt hat:

  • Analyse des Stromverbrauchs. Wer sind die größten Verbraucher? Wo gibt es Einsparpotentiale? Wo kann man mit einfachen Mitteln etwas optimieren? Ganze 10 % hat CoolGrill so einsparen können.
  • Langfristige Grünstromverträge abgeschlossen. PPA-Verträge (Power Purchase Agreement) nennt sich das im Fachjargon.
  • Einen Teil des Stromverbrauchs erzeugt CoolGrill mittlerweile auch selbst. Photovoltaik-Anlagen auf dem Parkhaus und dem Firmengebäude decken einen guten Teil des Stromverbrauchs in der Verwaltung.

“So haben wir unsere eigenen CO2-Emissionen schon signifikant senken können. Wenn CO2-Emissionen in Zukunft stärker besteuert werden, dann wird sich meine Rentabilität verbessern. Opfern werden wir höchstens unseren Planeten, wenn wir das nicht tun.”

“Hmmm, da mag was dran sein. Aber dieses Lieferkettensorgfaltspflichtengesetz ist ja wohl wirklich ein bürokratisches Monster. Allein der Name ist ja schon schrecklich”, grummelt Thomas Müller-Blech.

“Ja, das hat mir auch Kopfzerbrechen bereitet. Unser Einkaufsteam sind gerade mal 10 Leute. Die kann ich ja nicht den ganzen Tag mit der Umsetzung von diesem Gesetz beschäftigen. Aber sieh’s mal so, wenn wir alle unserer Verantwortung nachgekommen wären, dann bräuchte es diese Gesetze nicht.”

Auch hier erzählt Karl kurz, wie CoolGrill dieses Gesetz umsetzt:

  • Für die 1.000 Lieferanten von CoolGrill führt eine Software eine automatisierte Risikobewertung für Umwelt- und Menschenrechtsrisiken durch.
  • An ca. 10 % der Lieferanten mit hohem und mittlerem Risiko wird automatisiert ein Fragebogen zur Selbstauskunft gesendet und mit Unterstützung von KI ausgewertet.
  • Wo erforderliche Nachweise nicht erbracht werden oder weiterhin ein begründeter Verdacht besteht, werden Audits durchgeführt. Natürlich können wir das alleine nicht stemmen und deswegen haben wir uns einer Brancheninitiative angeschlossen.

“Die ca. 150.000 € im Jahr inklusive der Personalkosten tun mir natürlich weh. Aber ich will auch nicht dabei zusehen, wie weltweit Menschenrechte und Umweltschutz missachtet werden”, beendet Karl seinen Einblick.

“Sag ich doch, wir opfern unsere Rentabilität!” Thomas Müller-Blech ist schon wieder in seinem Element.

“Erhöht meine Motivation zur Suche nach neuen Geschäftsmodellen”, kontert Karl mit einem Augenzwinkern.

Die Suche nach regenerativen Geschäftsmodellen

In einem Kreislaufwirtschafts-Workshop hat CoolGrill kürzlich folgende Ideen generiert. Dabei haben die Circular Economy Pattern Cards geholfen:

  • Recycling – Den Recyclinganteil im Kühlergrill erhöhen. Gar nicht so einfach, denn die Verfügbarkeit an geeignetem Recyclingkunststoff ist überschaubar. Das Team bei CoolGrill forscht aber gemeinsam mit einer Hochschule und einem Startup an einem Verfahren Post-Consumer Rezyklat (PCR), also den Kunststoff aus z. B. Haushaltsabfällen, nutzbar zu machen.
  • Biodegradability – Ein Team experimentiert mit der Produktion von biologisch abbaubaren Kunststoffteilen. Komposthaufen statt gelber Sack lautet die Devise. Außerdem ist das eine Möglichkeit, auch außerhalb der Automobilbranche Umsatz zu generieren.
  • Energy recovery – Coolgrill verkauft Kunststoffabfälle an Plastic2Oil, die daraus Treibstoffe generiert.

“Do more good statt do less harm”, fasst Karl Meier seinen Einblick zusammen, “ist unsere neue Devise”. An den Gesichtern der anderen sieht er, dass er sie ins Nachdenken gebracht hat.

Wo fangen Sie beim Thema Nachhaltigkeit an?

Wenn Sie diese Geschichte auch zum Nachdenken anregt, dann hat der Beitrag ein Ziel erreicht. Die drei genannten Themenfelder sind nur ein kleiner Ausschnitt aus dem Themenspektrum Nachhaltigkeit. Die Vielzahl an Aspekten, Abkürzungen, Gesetzen, Initiativen sorgen leider oft dafür, dass man den Wald vor lauter Bäumen nicht mehr sieht und nicht ins Machen kommt.

Als zweites Ziel möchte ich, dass wir gemeinsam ins Tun kommen. Dafür gibt es hier Tipps für konkrete erste Schritte:

  • Machen Sie Nachhaltigkeit zum Thema in ihrem Unternehmen.
    + Laden Sie eine Vertreterin oder einen Vertreter einer Nachhaltigkeitsorganisation zu sich ins Unternehmen zu einem Lunch and Learn. (Ca. eine Stunde zeitliches Investment.)
    + The Week sensibilisiert in drei Terminen und mit filmischer Unterstützung für die Probleme und motiviert ins Tun zu kommen. (Ca. sechs Stunden zeitliches Investment)
  • Recherchieren Sie die Förderprogramme des Bundesministeriums für Wirtschaft und Klimaschutz und gehen Sie ein für Sie passendes Programm konkret an.
  • Schauen Sie fünf Praxisfilme, wie deutsche Unternehmen Nachhaltigkeit in Lieferketten in ihre betriebliche Praxis integriert haben. (ca. 30 Minuten zeitliches Investment.)
  • Werden Sie Teil der LinkedIn-Gruppe “Regenerative Business Network DACH“.
  • Veranstalten Sie einen Ideenworkshop für neue Geschäftsmodelle basierend auf den Prinzipien der Kreislaufwirtschaft.

 

Ein Plädoyer zum Schluss

Das Thema Nachhaltigkeitsdiskussion ist heute oft von emotionalen Debatten geprägt. Schwarz-Weiss-Diskussionen und gegenseitiges Fingerpointing kosten jedoch viel Energie und bringen uns aber keinen Schritt weiter.

Sind Sie wie Karl Meier schon auf dem Weg zu mehr Nachhaltigkeit oder gar echte Pioniere beim Thema Nachhhaltigkeit? Dann stellen Sie Menschen wie Thomas Müller-Blech nicht an den Pranger. Er ist besorgt um die Rentabilität in seinem Unternehmen und die Komplexität des Themas macht es ihm nicht gerade einfacher. Erkennen Sie an, dass niemand perfekt ist, und loben Sie kleine erste Schritte in Richtung mehr Nachhaltigkeit. Sie haben auch mal klein angefangen.

Oder geht es Ihnen eher wie Thomas Müller-Blech? Der Kopf schwirrt Ihnen vor lauter Anforderungen ihrer Kunden und der Gesetzgeber. Sie haben keine Ahnung, wie Sie das alles umsetzen sollen. Die angespannte wirtschaftliche Situation macht Ihnen zusätzlich Angst. Aber oft bietet ökologische Nachhaltigkeit auch Chancen auf mehr ökonomische Nachhaltigkeit. Denken Sie an die 10 % Energiekosten, die Karl Meier sparen konnte.

Der Weg zu mehr Nachhaltigkeit kann jede Menge Spaß machen. Versprochen! Also gehen Sie heute den ersten kleinen Schritt. Eine Handvoll Ideen zum Loslaufen gab es im vorherigen Absatz.

 

Hinweise:

Wenn das Loslaufen immer noch schwer fällt, dann schauen Sie gerne bei CompanyPirate vorbei oder kontaktieren Sie Tobias Leisgang für ein paar gemeinsame erste Meter. 😉

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Tobias Leisgang
Tobias Leisgang
Als CompanyPirate inspiriert Tobias Leisgang auf dem gleichnamigen Blog und in Vorträgen Menschen in Unternehmen neue Wege zu beschreiten. Er ist überzeugt, dass erfolgreiches und nachhaltiges Wirtschaften im 21. Jahrhundert radikale Veränderungen braucht.

Die Unternehmenswelt kennt Tobias bestens aus seiner hauptberuflichen Tätigkeit. Seit November 2018 verantwortet er bei einem globalen Automobilzulieferer Innovation mit externen Partnern - vom Konzern bis zum Startup. Vorher war er 15 Jahre bei einem amerikanischen Technologiekonzern in Rollen vom Entwickler bis zum Leiter System Engineering tätig und hatte dabei Einblick in Unternehmen aus unterschiedlichen Branchen. Die Herausforderungen wurden  in globalen Teams gelöst.