Introvertiert im Online-Marketing

Gastbeitrag von | 14.07.2022

Nutzen Sie Ihre Superkräfte als leiser Mensch im Online-Marketing

Wir alle kennen sie: Die Superhelden aus den Comics, die die Welt retten. Die mit besonderen Fähigkeiten ausgestattet sind. Ob das nun der fliegende Superman ist, der superschnelle Flash oder Aquaman, der unter Wasser atmen kann. Sie alle beindrucken Comicleser und Kinobesucher mit ihren Superkräften, mit denen sie ihre Abenteuer bestehen.

Diese Superkräfte nutzen ihnen aber nur im spezifischen Kontext. Was nutzt es Flash, dass er so schnell laufen kann, wenn er längst angekommen ist? Oder Aquaman, wenn er in einer trockenen Gegend ohne Gewässer ist? Dann helfen ihm auch seine besonderen Fähigkeiten nicht mehr weiter. Im Gegenteil: sie können sogar eine Schwäche sein, wenn das genaue Gegenteil verlangt wäre. Superkräfte sind also kontextabhängig.

So ähnlich fühlen sich manchmal Introvertierte (m/w). Diese „Leisen Menschen“ fühlen sich im Berufsalltag oft wie Superhelden im falschen Film. Denn die Geschäftswelt bevorzugt die lauten Menschen.

Extrovertiertheit ist das Ideal im Business

Menschen, die in Meetings als erstes eine Idee pitchen, die auf Netzwerkpartys mühelos mit jedem in Kontakt kommen oder die in Großraumbüros mit hektischer Betriebsamkeit aufblühen, sind in Unternehmen überrepräsentiert – oder sie fallen zumindest mehr auf.

  • Zusammenarbeit im Team,
  • Unempfindlichkeit gegenüber Stress und Termindruck sowie
  • Flexibilität

sind Standard-Features in vielen Stellenausschreibungen. Für Introvertierte klingt dies nach einer Beschreibung eines höchst unproduktiven Arbeitsumfelds.

Introvertiert in einer lauten Welt

Aber was ist eigentlich Introversion? Oft wird es verwechselt mit schüchtern, zurückgezogen oder gar menschenscheu. Aber das ist ein weitverbreiteter Mythos. Ein Kernmerkmal von Introversion ist das Nach-Innen-Gewandte. „Intros“ ziehen ihre Energie aus sich selbst und nicht aus der Umgebung. Während Extrovertierte den Umgang und den Austausch mit Menschen brauchen wie die Luft zum Atmen, erschöpft das einen introvertierten Menschen schneller und er/sie braucht wieder Ruhe und Zurückgezogenheit, um die Akkus aufzuladen. Dann gehen wir in die Natur – oder auch nur in ein ruhiges Zimmer – und sind wieder mit unseren Gedanken allein … und die können uns eine ganze Weile beschäftigen. Denn in unseren Köpfen spielt sich einiges ab.

Möglicherweise ist dieses Thema auch durch die Pandemie besonders in das Bewusstsein der Gesellschaft gerückt. Denn während des Lockdowns traten diese beiden Persönlichkeitsausprägung besonders deutlich zu Tage. Während die einen den Umgang mit anderen Menschen schmerzlich vermissten, das Ausgehen, die Museen und Konzerte oder auch einfach nur das Treffen mit (vielen) Freunden, waren die anderen gar nicht so unglücklich damit, dass sie nun keine Ausreden mehr finden mussten, wenn sie ihre Wochenenden lieber beim stillen Spaziergang oder mit einem guten Buch allein verbringen wollten. Die Extrovertierten haben in der Zeit der Kontaktsperren deutlich mehr gelitten als die Introvertierten.

Woran erkennen Sie, dass Sie introvertiert sind?

Wenn Introvertiertheit nun nicht “schüchtern” und “menschenscheu” bedeutet – wie äußert sie sich denn dann? An diesen typischen Merkmalen können Sie erkennen, ob Sie auch zu den leisen Menschen gehören:

  • Sie mögen Menschen – aber Sie benötigen auch Rückzugsmöglichkeiten, um wieder Energie zu tanken.
  • Sie können gut allein sein – langweilig ist Ihnen selten, da Ihr Kopf vor Ideen und Gedanken förmlich übersprudelt.
  • Sie denken gerne strukturiert über Themen nach. Reden ohne nachzudenken, ist nicht Ihre Spezialität. Sie mögen lieber alle Fakten durchdacht haben, statt schnell eine unbedachte Antwort zu geben. Meetings sind deshalb nicht Ihre Spezialität, vor allem, wenn Sie spontan nach Ihrer Meinung gefragt werden.
  • Überhaupt drücken Sie sich lieber schriftlich aus. Da können Sie in aller Ruhe die passenden Argumente bereitlegen und die richtigen Worte finden. Deshalb haben Sie Ihr Telefon auch oft stummgeschaltet – wenn es wichtig war, wird der Anrufer wohl eine Mail schreiben.
  • In Menschengruppen fühlen Sie sich oft nicht wohl. Zu laut, zu hektisch, zu vieles, das Sie ablenkt. Deshalb sind Großraumbüros für Sie auch ein Quell ständiger Ablenkung und nicht förderlich für Ihre Produktivität.
  • Oberflächlicher Small Talk ist Ihre Sache nicht. Deshalb fühlen Sie sich bei Networking-Events nur wohl, wenn Sie mit einzelnen Personen in tiefe Gespräche einsteigen können. Aber dann können Sie sich auch munter “verplaudern” und die Zeit vergessen.

Treffen mehrere Punkte davon auf Sie zu? Diese Anzeichen können darauf hindeuten, dass Sie auch zu den „leisen Menschen“ gehören. Eine Persönlichkeitsausprägung, die in Ihrer Biologie verankert ist, und die Sie nur sehr begrenzt ändern können.

Der Vollständigkeit halber sei betont, dass Introversion/Extroversion ein Spektrum darstellt und die meisten Menschen Merkmale beider Seiten in sich vereinen. Natürlich gibt es auch Introvertierte, die in Meetings schnell das Wort ergreifen, oder die das Small-Talken für sich entdeckt haben. So finden sich auch unter den Speakern, Schauspieler:innen oder Moderator:innen nicht wenige Introvertierte, die gerne auf der Bühne stehen. Und umgekehrt brauchen auch Extrovertierte ihre Ruhepausen und Erholungen. Aber eine Grundtendenz in die eine oder andere Richtung zeichnet sich doch oft ab.

Wenn man genau in der Mitte des Spektrums liegt, spricht man übrigens von Ambivertiertheit. Ein besonderer Zustand, denn dann vereint man die Stärken sowohl der Extrovertierten wie auch der Introvertierten in sich.

Ihre Superkräfte als Introvertierte:r im Online-Marketing

Dass wir „Intros“ es in der lauten, spontanen Business-Welt nicht immer leicht haben, liegt auf der Hand. Vor allem das Thema Neukundengewinnung kann zur Herausforderung werden. Gerade als Selbständige:r oder Unternehmer:in ist die Sichtbarkeit und das Netzwerken unumgänglich. Ohne gesehen zu werden und Kontakte zu knüpfen, wird es schwierig, neue Kunden zu finden – nicht immer können Sie sich auf Empfehlungen verlassen. Aber live netzwerken? Auf Events mit fremden Menschen in Kontakt kommen? Kaltakquise am Telefon? Für die meisten leisen Menschen verursacht schon der Gedanke an solche Gesprächssituationen Gänsehaut und Bauchschmerzen.

Aber wir können Introversion auch als Chance betrachten und die damit verbundenen Eigenschaften als Stärken einsetzen. Denn glücklicherweise sind Live-Events und Kaltakquise nicht mehr der einzige Weg, wie man neue Kontakte trifft und in die Sichtbarkeit kommt. Online-Marketing ist das Zauberwort. Genau genommen Social Selling in den Sozialen Medien.

Social Media¹ ist für Introvertierte wie geschaffen, um sich auf ganz eigene Art zu präsentieren. Hier können wir unsere ureigenen Stärken, ja ich möchte gar von Superkräften sprechen, zum Einsatz bringen:

  • Wir können uns gut vorbereiten. Strukturiert arbeiten ist unsere zweite Natur. Eine Social Media-Strategie zu erstellen – und auch durchzuhalten! – ist eine unserer leichtesten Übungen (okay, beim ersten Mal brauchen wir vielleicht noch einen kleinen Schubs und etwas Anleitung). Und auch unsere Themen zielgruppengerecht aufzubereiten, fällt uns weniger schwer als anderen.
  • Durch unsere Fähigkeit, uns auf etwas zu fokussieren, wird uns nicht so schnell langweilig. Disziplin, Durchhaltevermögen, langer Atem – das hilft uns extrem, in den Sozialen Medien nachhaltig sichtbar zu werden. Denn Social Media ist ein Marathon, kein Sprint. Dranbleiben zählt deshalb ebenfalls zu unseren Superkräften.
  • Wir sind Experten auf unserem Gebiet – das liegt Introvertierten sozusagen im Blut, sich tiefes Fachwissen anzueignen. Inhalte zu kreieren, die unseren Lesern einen Nutzen bringen, fällt uns nicht schwer. Bei uns gibt es nicht nur heiße Luft, sondern echte Substanz. Content-Marketing? Kein Problem, da können wir aus dem Vollen schöpfen.
  • Wir sind hervorragend in der schriftlichen Kommunikation. Kommen gut auf den Punkt, sind aber auch in der Lage, empathisch zwischen den Zeilen zu lesen und uns so auf unser Gegenüber einzustellen. Das betrifft sowohl die Social Media Posts wie auch die direkten Nachrichten an unsere Kontakte über die Messenger-Funktion.
  • In der asynchronen Kommunikation können wir in Ruhe unsere Gesprächsstrategie vorbereiten: Recherche über den Kontakt, Analyse der Pain Points, einen Lösungsvorschlag erarbeiten – all das können wir zwischen den Kontaktpunkten erledigen und sind nicht zu spontanen Antworten gezwungen.
  • Die 1:1-Gespräche, die dann zustande kommen, sind zwar zahlenmäßig geringer als bei Extrovertierten, aber auch weniger kalt. Sie sind vorselektiert. Und damit auch von Introvertierten hervorragend zu meistern. Denn wir wissen schon, dass gegenseitiges Interesse besteht, und können gleich tief in unser Thema einsteigen, Lösungen anbieten – und den Sack zumachen.

Mit diesen Superkräften können wir Introvertierte Social Media zu unserem Instrument machen, um digital sichtbar zu werden, ohne laut zu sein. In unserem eigenen Rhythmus, in unserem eigenen Stil lernen wir die für uns wichtigen und richtigen Kontakte kennen, präsentieren uns als Experten auf unserem Gebiet und können neue Projekte akquirieren.

Für ein erfolgreiches Business als leiser Mensch – nutzen Sie Ihre Superkräfte!

 

Hinweise:

[1] Social Media ist übrigens nicht nur FÜR Introvertierte geschaffen, sondern auch VON Introvertierten – Mark Zuckerberg beispielsweise gründete sein Facebook-Netzwerk, um mehr über seine Kommilitonen an der Harvard University erfahren zu können, ohne sie direkt ansprechen zu müssen.

Gerne empfehlen wir Ihnen den schönen Blog von Dr. Tanja Bernsau, in dem Sie viele interessante Impulse finden: https://www.tanjabernsau.de/blog/. Lohnt sich!

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Dr. Tanja Bernsau
Dr. Tanja Bernsau

Dr. Tanja Bernsau ist Inhaberin der Wiesbadener Social Media Manufaktur und betreut Selbständige und Unternehmer bei der strategischen Planung und Ausgestaltung ihrer Online-Präsenzen mit Webseiten, Social-Media-Kanälen und vieles mehr. Als introvertierter Mensch liegt ihr Schwerpunkt dabei auf der digitalen Sichtbarkeit von “Leisen Menschen”.