Intrapreneurship braucht Empowerment und Ownership

Gastbeitrag von | 24.04.2023

Welche Organisation möchte nicht Mitarbeitende, die proaktiv, lösungsorientiert, innovativ, engagiert, selbstständig und motiviert arbeiten? Welche Organisation möchte nicht Intrapreneur:innen als Mitarbeitende?

Richard Branson stellte bereits 2011 in einem Artikel fest: „Virgin could never have grown into the group of more than 200 companies it is now, were it not for a steady stream of intrapreneurs who looked for and developed opportunities, often leading efforts that went against the grain“ (1).

Seitdem ist die Dynamik rund um das Thema Intrapreneurship noch weiter gestiegen. Organisationen setzen nämlich immer mehr Maßnahmen um, um Intrapreneurship zu fördern. Doch aus Sicht der Organisationen bleibt eine der größten Herausforderung die Implementierung eines Intrapreneurship-Mindsets. In diesem Artikel möchte ich darauf eingehen, wie sich ein Intrapreneurship-Mindset dank Empowerment und Ownership entfalten kann.

Was ist Intrapreneurship?

Schauen wir zunächst, was Intrapreneurship genau ist, und wodurch sich Intrapreneur:innen auszeichnen.

Gifford Pinchot III, der Erfinder des Intrapreneurships (2) definiert ein Intrapreneur wie folgt:

„An employee with entrepreneurial spirit who innovates for the benefit of their employer, their own fulfillment, and the wider world“ (3).

Intrapreneure und Intrapreneurinnen entwickeln also in einer bestehenden Organisation innovative Ideen, die zu neuen Produkten, Dienstleistungen oder Geschäftsfeldern führen können, oder die einen Impact auf die Kultur haben. Kennzeichnend dafür ist vor allem, dass Ideen dank Intrapreneur:innen umgesetzt werden. Und das Bottom-Up, wie Graswurzeln.

Damit sind Mitarbeitende nicht nur dann Intrapreneur:innen, wenn sie an entsprechenden Intrapreneurship-Programmen teilgenommen haben, sie sind im Prinzip überall in der Organisation zu finden. Sabine und Alexander Kluge haben in ihrem Buch zahlreiche solcher Intrapreneur:innen (Graswurzel-Initiator:innen) vorgestellt. (4)

Pinchots Definition nach ist Intrapreneurship in erster Linie ein „Spirit“. Doch was macht dieser „Spirit“, dieses Mindset aus?

Intrapreneur:innen charakterisieren sich dadurch, dass sie eine Vision entwickeln und verfolgen können. Sie wollen für ein Problem eine Lösung umsetzen. Sie sind, wie Pinchot sie nennt: „dreamers who do“. (2)

Dabei geht es ihnen nicht nur um das Wachstum des Unternehmens, sondern besonders auch um die persönliche Entfaltung. Zum Beispiel nehme ich Intrapreneur:innen als stark werteorientiert wahr. Und ich beobachte, dass sie bereit sind, Risiken einzugehen. Um Ideen umzusetzen, agieren sie unter Umständen ohne Auftrag, an ihrer Job Description vorbei (4) und wie es von Richard Branson heißt: „often leading efforts that went against the grain“. Was sicherlich zu Konflikten führt.

Das Interesse an und die Implementierung von Intrapreneurship wächst

Organisationen erkennen in Intrapreneurship das Potenzial für stärkere Innovationskraft und Agilität. Deshalb ergreifen immer mehr Unternehmen Maßnahmen, um Intrapreneurship zu fördern.

Die Professoren Rodrigo Isidor und Matthias Baum von der Universität Bayreuth führen seit 2020 einen Intrapreneurship-Monitor, um „auf Basis wissenschaftlicher Analysen, Experteninterviews und Marktauswertungen einen Überblick über die Hintergründe, Treiber und Erfolgswirksamkeit von Intrapreneurship Aktivitäten in Deutschland zu geben.“ (5)

Für 2022 stellen sie fest: „Auch in diesem Jahr können wir einen Anstieg bei den Intrapreneurship Aktivitäten deutscher Unternehmen verzeichnen (…). Es gibt auch immer mehr eigene Intrapreneurship-Abteilungen“. (5)

Mittlerweile erwarten Unternehmen vermehrt von Bewerber:innen Intrapreneurship Skills, wie Dr. Christian Stumpf (Intrapreneurship Experte und u.a. Co-Founder des TenneT Power Labs) in einem LinkedIn-Post anhand von 7 Stellenangeboten u. a. von Großkonzernen, zeigte. (6)

Doch in der praktischen Umsetzung bleiben große Herausforderungen zu lösen. Dies sind:

  • der Aufbau des Intrapreneurship Mindsets bei Mitarbeitenden,
  • das Finden von Mitarbeitenden mit diesem Mindset,
  • sowie das Motivieren von Mitarbeitenden, an Intrapreneurship-Maßnahmen teilzunehmen (5).

Bemerkenswert: diese Herausforderungen sind laut Monitor gegenüber 2021 sogar gestiegen.

Wie kann das Intrapreneurship Mindset gefördert werden?

Richard Branson betont die Rolle der Organisation. Ein Intrapreneur ist: „an employee who is given freedom and financial support (…), who does not have to follow the company’s usual routines or protocols“ (1).

Wir brauchen mehr Empowerment!

„What if CEO stood for „chief enabling officer?“ (Richard Branson) (1)

Das Empowerment von Mitarbeitenden kann auf der strukturellen und/oder auf der psychologischen Ebene erfolgen (vgl. (7), S. 55ff). Beim strukturellen Empowerment geht es hauptsächlich um eine neue Ordnung der Machtverteilung, z. B. durch mehr Mitbestimmung bei Entscheidungen. Das psychologische Empowerment seinerseits setzt den Menschen in den Mittelpunkt und die Frage, wie er subjektiv seine Rolle im Unternehmen bewertet und erlebt.

Gretchen M. Spreitzer hat mit ihrer Forschung 4 Bewertungsdimensionen des psychologischen Empowerments definiert:

  • Kompetenz,
  • Bedeutsamkeit (Sinn),
  • Selbstbestimmung und
  • Einfluss (8).

Je stärker die Dimensionen subjektiv erlebt werden, desto stärker das Gefühl von Empowerment. Ich verbinde die Forschung von Gretchen Spreitzer gerne mit der Self-Determination-Theorie von Edward L. Deci und Richard M. Ryan und dem Modell der Salutogenese von Aaron Antonovsky.

Was passiert, wenn Menschen sich „empowert“ fühlen? „Our research shows that empowered employees take initiative, engage in transformational change, and are seen to be highly effective. In short, they act like leaders“ (Gretchen M. Spreitzer/Robert E. Quinn, (8), S. xvi).

Empowerment ruft also Intrapreneur:innen hervor.

„Psychologisches Empowerment stellt sich aber nicht aus dem Nichts ein, sondern wird durch sozio-strukturelle Bedingungen (…) beeinflusst“. (Carsten Schermuly, (7), S. 70)

Nach Carsten Schermuly müssen Organisationen 7 notwendige Grundhaltungen einnehmen, wie z. B.

  • „Der Mensch steht im Mittelpunkt des organisationalen Handelns“,
  • „Alle vier Facetten des psychologischen Empowerments müssen berücksichtigt werden“ (hier sind die oben genannten Dimensionen gemeint) oder
  • „Jeder kann empowert werden“.

Darüber hinaus müssen sie entsprechende Maßnahmen zu Arbeitsgestaltung, Führung- und Organisationskultur, sowie zur Personalauswahl- und -Entwicklung treffen (7).

Für Empowerment sorgen, kann allerdings für Führungskräfte eine Herausforderung sein. Denn wenn sie sich selbst nicht „empowert“ fühlen, können sie andere nicht empowern. „Je mehr Empowerment die Mitarbeiter bei ihren Führungskräften wahrnehmen, desto stärker fühlten sie sich selbst empowert!“ (Carsten Schermuly, (7), S.187).

Außerdem kann das Zulassen von Freiräumen für „out of the box“-Ideen im Widerspruch zur Einhaltung von Standards oder Key Performance Indicators stehen. Führungskräfte müssen also in der Lage sein, mit Ambidextrie umzugehen.

Doch trotz der Herausforderungen für Organisation und Führungskräfte, lohnt es sich Mitarbeitenden zu „empowern“, wie es Gretchen Spreitzer beschreibt: „Creating a company of leaders – a high performance workplace in which employees willingly do their best work and act as owners of the business – is both strategic advantage and a necessity for attracting and retaining the best people“ (Gretchen M. Spreitzer/Robert E. Quinn, (8), S. 25).

Mit Empowerment-Maßnahmen kann eine Organisation also Intrapreneurship fördern.

Mitarbeitende können auch intrinsisch und aus eigener Kraft „empowert“ sein und wie „owners of the business“ agieren.

Ownership

„What if companies had belongers rather than employees?“ (Richard Branson) (1)

Mit „belongers“ referiert Richard Branson auf den Status von Einwohnern britischer Übersee-Gebiete (in seinem Fall die Britisch Virgin Island), der in der Regel für „natives“ reserviert ist.

Ich selbst nutze gerne das Wort Ownership. Ich treffe auf diesen Begriff immer häufiger, wenn Mitarbeitende Verantwortung übernehmen, ohne dass sie tatsächlich Eigentümer des Unternehmens sind oder per Funktion im Organigramm dazu befugt bzw. verpflichtet sind.

Wodurch charakterisiert sich Ownership (Mindset)?

Nick Leighton hat es in einem Artikel in Forbes beschrieben (10). Mitarbeitende mit einem Ownership-Mindset fühlen sich auch für die Ergebnisse der Organisation verantwortlich, sie nehmen die Aufgaben an und brauchen nicht zugewiesen zu werden, sie treffen Entscheidungen, sie führen durch Werte anstatt durch Regeln.

Kurz: Sie agieren, als wären sie Eigentümer.

Ein Beispiel dafür liefern Ronny Grossjohann und Dr. Robert Harms von Siemens, die in einem Großprojekt mit viel Mut eine Ownership-Kultur etablierten. Mit viel Mut, denn sie agierten damit entgegen den üblichen und anerkannten Vorgehensweisen (9).

„Unabhängig von allen Vorschriften fragten sie in die Runde ihrer Projektteilnehmer, wie diese denn das Projekt anpacken würden. Von da ab steuerten sie es mit Dialog, Moderation und Vertrauen zu einem Erfolg, der ihnen bis heute viel Aufmerksamkeit und einige Preise eingebracht hat. (Sabine Kluge/Alexander Kluge, (4), S.165).

Einerseits übernahmen sie das Ownership für ihr Projekt und führten es nach den eigenen Maßstäben, d. h. sie agiert als Intrapreneure. Anderseits, sie ermutigten andere selbst Ownership zu übernehmen.

Denn die Vorteile von Ownership liegen auf der Hand:

„Wenn du deine Lebensenergie aus freien Stücken in ein Projekt investierst, dann steckt ein ganz anderer Spirit dahinter. Dann bist du Teilhaber“ (Dr. Robert Harms), (9).

Menschen und Teams, die Ownership übernehmen, so kenne ich es auch aus meinen Projekten, sind produktiv, proaktiv, kreativ und innovativ. Sie empfinden mehr Leidenschaft und Engagement für die Ergebnisse. Und sie kommunizieren und kollaborieren jenseits der Silos (10).

Für die Organisation bedeutet dies: Agilität, Innovation, Engagement und Commitment (11).

Ein Ownership-Mindset ist allerdings eine Challenge für die Organisation: „Denn Ownership Culture bedeutet auch: Entscheidungen zuzulassen, die man selbst anders getroffen hätte“ (Ronny Grossjahn), (9). Es bedeutet, dass Menschen sich die Gestaltungsfreiräume nehmen oder zumindest einfordern. Es bedeutet, sie sehen ihr Agieren als Investition in das Unternehmen und in sich selbst. Sie gehen mit kritischen und ganzheitlichen Denken an ihre Arbeit heran, sie stellen infrage, sie wägen ab.

Kurz: Sie sind Unternehmer im Unternehmen.

Fazit: Mit mehr Empowerment und Ownership zu mehr Intrapreneurship

Wie kann also das Intrapreneurship Mindset in Organisationen etabliert werden? Ein Mindset, das proaktiv, innovativ, selbstständig, engagiert, selbstverantwortlich, intrinsisch und committet ist.

Was kann die Organisation tun?

Sie kann „empowern“, also dafür sorgen, dass Mitarbeitende Kompetenz, Selbstbestimmung, Sinn und Einfluss erleben. Insbesondere die Mitarbeitende, die sich (noch) nicht trauen, können damit erreicht werden.

Was kann der Einzelne, die Einzelne tun?

Das eigene Ownership Mindset stärken. Intrapreneur:innen haben ein starkes Ownership Mindset: sie warten nicht, bis die Organisation die Strukturen schafft. Sie agieren auch ohne Auftrag, sie fordern aktiv bessere Strukturen ein oder sie kündigen. Doch viele trauen sich nicht, denn: „Viele von ihnen ahnen vermutlich nicht, wie groß ihre Freiräume wären, wenn sie sie sich denn nur nehmen würden“ (Sabine Kluge/Alexander Kluge, (4), S. 186).

Abschließen möchte ich deshalb mit dem Appell von Sabine Kluge und Alexander Kluge:

„Wir möchten daher Führungskräften wie auch potenziellen Graswurzel-Initiatoren zurufen: Probiert es einfach aus!“ (Sabine Kluge/Alexander Kluge, (4), S. 193).

Hinweise:

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[1] https://www.nbcnews.com/id/wbna41359235
[2] Pinchot, Gifford: Intrapreneuring: Mitarbeiter als Unternehmer, 1988, Gabler, Wiesbaden, ISBN 978-3-322-94468-9
[3] https://intrapreneur.com
[4] Kluge, Sabine/ Kluge, Alexander: Graswurzelinitiativen in Unternehmen: Ohne Auftrag – mit Erfolg!, 2020, Verlag Franz Vahlen GmbH, München, ISBN ePDF: 978 3 8006 6371 2
[5] Prof. Dr. Rodrigo Isidor, Prof. Dr. Matthias Baum, Dr. Sonja Franzke, Dr. Jens Schüler: Intrapreneurship Monitor 2022 Universität Bayreuth – Institut für Entrepreneurship & Innovation, Bayreuth, Download unter https://www.hrm.uni-bayreuth.de/de/Intrapreneurship-Monitor/index.html
[6] LinkedIn-Post von Dr. Christian Stumpf
[7] Schermuly, Carsten: New Work – Gute Arbeit gestalten, 2021, 3. Auflage, Haufe-Lexware GmbH & Co. KG, Freiburg, ISBN 978-3-648-15003-0
[8] Spreitzer, Gretchen M./ Quinn, Robert E.: A company of leaders: five disciplines for unleashing the power in your workforce, 2001, Jossey-Bass (a Wiley Company), San Francisco. ISBN 0-7879-5583-3
[9] https://newmanagement.haufe.de/strategie/innovation-leadership-bei-siemens-ownership-culture
[10] https://www.forbes.com/councils/forbescoachescouncil/2021/11/22/how-to-cultivate-an-ownership-mindset-in-your-team/
[11] https://www.atlassian.com/blog/leadership/how-leaders-build-ownership-mindset

Guénola Langenberg hat einen weiteren Beitrag im t2informatik Blog veröffentlicht:

t2informatik Blog: Intrapreneurship neu definiert

Intrapreneurship neu definiert

Guénola Langenberg
Guénola Langenberg

21 Jahre lang widmete sich Guénola Langenberg leidenschaftlich dem Projekt- und Prozessmanagement in der Automobilindustrie im internationalen Kontext.

Als freiberuflicher Agile Coach und Intrapreneurship Coach unterstützt sie heute Menschen und Organisationen, Innovationen und Transformationsvorhaben umzusetzen. Sie setzt sich besonders für eine werte-orientierte und co-kreative Zusammenarbeit in Organisationen und Projekten ein.