Impulse für Organisationen – Teil 10
In Online-Postings und -Kommentaren finden sich viele kleine Schätze, die für die Zusammenarbeit in Unternehmen sehr nützlich sein können. Viele dieser Schätze tauchen jedoch nur kurz auf und verschwinden dann wieder in den Tiefen der sozialen Medien. Gerne wollen wir auch in Teil 10 unserer Serie einige inspirierende Impulse von Fachleuten im t2informatik Blog veröffentlichen. Diesmal geht es um Mitarbeitende und Wertschöpfung, Beförderung und Begeisterung sowie die Wirkung von Persönlichkeit.
Los geht’s mit den neuen Impulsen!
„Bei uns steht der Mitarbeitende im Mittelpunkt“
Wir alle kennen diese Phrase. Sie wiederholt sich auf geduldigen Webseiten, in schmeichelnden Neujahrsansprachen und auf Plakaten hiesiger HR-Bereiche. So soll den Menschen Wertschätzung signalisiert und deren Bedeutung für das Unternehmen unterstrichen werden. Einer meiner Chefs aus längst vergangener Zeit ergänzte den Satz gerne so: „Bei uns steht der Mitarbeitende im Mittelpunkt, und damit immer im Weg“.
Am häufigsten wird der Mittelpunkt-Gedanke in den HR-Bereichen unserer Organisationen ausgelobt. Die Motive durchaus nobel und dem erlebten Zweck von HR angemessen. Denn damit sind es die Mitarbeitenden, um die sich HR kümmert. Sie sind die zu entwickelnden, betreuenden, beschulenden, in Persönlichkeitstypen einzuteilenden und mit Mindset auszustattenden. Kurzum: die Mitarbeitenden werden zu den „zu Erziehenden“ und HR zu Erziehungsberechtigten. Leicht entsteht so ein soziales Spiel, dass in einer Organisation nichts zu suchen hat und erwachsenen Menschen (auf beiden Seiten des Spieltisches) nicht gerecht wird.
Bei einem Hashtag #Change scheint dann naheliegend, dass Menschen verändert werden müssen. Die Mitarbeitenden werden dann im Mittelpunkt abgeholt, an Bord geholt oder sonst wohin verbracht. Es greifen die eben benannten Maßnahmen, damit sich Wandel einstellen möge. Vermeintlich, denn über die Einzelnen lässt sich ein komplexes System weder erklären noch verändern. Wenn aber nichts anderes im Blickfeld Platz hat, wird eben am Mitarbeitenden herumgedoktert.
Hat denn mal jemand daran gedacht, die Mitarbeitenden selbst zu fragen, wo sie gerne stehen möchten? Ich persönlich kenne niemanden, der im Brustton der Überzeugung verkündet, dass er oder sie ihren Arbeitgeber danach wählte, ob er sie in eben jenen Punkt stellt. Sicheres Gehalt, zur Aufgabe passendes Umfeld und spannende Arbeit (ist durchaus schon optional). Auch ich kenne Unternehmen, die ihre Mitarbeitenden dazu erzogen haben auf Meditationskurse, Persönlichkeitsentwicklung und ständige Harmoniesuppe zu bestehen. Eventuell fehlt es dort einfach an echter Arbeit.
Was aber soll denn in den Mittelpunkt? Der Hashtag #Wertschöpfung!
Die Antwort auf die Frage, welche Probleme wir für unsere Kunden lösen (wollen) und wie wir das am besten gestalten. Dazu gehört für HR auch die unbequeme Wahrheit, dass sie nicht direkt-wertschöpfend sind. Ein guter Moment also sich zu fragen, wie denn die Menschen in ihrer wertschöpfenden Arbeit am besten unterstützt werden können. In den seltensten Fällen wird die Antwort etwas mit Stehen und einem Mittelpunkt zu tun haben.
Auf einmal wurde Max befördert
Max war einmal einer der besten Entwickler im Team.
Er lebte und atmete Code, verbrachte seine Wochenenden damit, neue Technologien auszuprobieren und Prototypen zu entwickeln. Seine Leidenschaft und Expertise waren unübertroffen. Alle schauten zu ihm auf, ein Mentor.
Doch eines Tages wurde Max befördert.
„Das ist eine großartige Gelegenheit für dich, Max. Jetzt kannst du wirklich einen Unterschied machen“, sagte sein Vorgesetzter. Plötzlich verbrachte er seine Tage in Meetings, verwaltete Budgets und schrieb Berichte. Der Kontakt zu seiner eigentlichen Leidenschaft, dem Coden, verschwand zunehmend. Max fühlte sich entfremdet, verloren in einer Welt des Managements, die ihm fremd und unbefriedigend war.
„Du musst jetzt disziplinarische Verantwortung übernehmen“, hieß es. Max fand sich dabei wieder, Personalgespräche zu führen, Konflikte zu managen und Leistungsbeurteilungen zu schreiben. „Das gehört einfach dazu, wenn man Karriere machen will“, sagte man ihm. Doch diese Aufgaben lasteten schwer auf ihm und raubten ihm seine Freude am Beruf.
Er schwänzte Managementmeetings um zumindest an Sprint Reviews der Teams teilnehmen zu können, wenigstens ein bisschen Tech einatmen. Zurückerinnernd, wer er einmal war.
Am Wochenende fand man ihn wieder an seinem Laptop, heimlich Prototypen zusammenhacken und auf Reddit in Communities mitzudiskutieren. Das war seine Art, durchzuatmen, wieder er selbst zu sein. „Deine Energie und Zeit müssen jetzt ins Team fließen“, wurde ihm oft gesagt. Doch mit der Zeit wurde selbst diese kleine Flucht nicht mehr genug. Max war unglücklich. Seine Leidenschaft für Technologie wurde von den Anforderungen des Managements erstickt.
Die Jahre vergingen, und Max fand sich immer weiter von seiner ursprünglichen Passion entfernt. Sein kreativer Funke erlosch allmählich, während die Last der Managementaufgaben ihn niederdrückte.
Er fühlte sich gefangen in einem goldenen Käfig, den er nie betreten wollte. „Das ist der Preis für den Aufstieg, davon träumt doch jeder“, hörte er immer wieder.
Schließlich wurde Max krank, körperlich und seelisch ausgelaugt. Seine Begeisterung war verschwunden, und er schaute mit Wehmut auf die Tage zurück, an denen er Code geschrieben und innovative Lösungen entwickelt hatte. Der einstige Top-Entwickler war nun nur noch ein Schatten seines früheren Selbst, erschöpft und entmutigt.
Max‘ Geschichte ist eine Mahnung: Nicht jede:r Top-Entwickler:in möchte eine Führungskraft sein. Manchmal führt der Weg der Beförderung in die Entfremdung und Erschöpfung.
Es ist wichtig, alternative Karrierepfade zu bieten, die technisches Fachwissen und Innovation fördern, ohne die kreativen Seelen unserer besten Entwickler zu erdrücken.
Die Bedeutung von Persönlichkeit in Unternehmen
Wie wirkt sich die Persönlichkeit von Menschen eigentlich auf Verhältnisse in Unternehmen aus?
Macht es einen Unterschied, wer an der Spitze steht?
Wie stark beeinflusst Persönlichkeit im C-Level die Realitäten?
Es gibt dazu ja zwei konkurrierende Erzählungen. Nur eine ist richtig.
Die Einen sagen: „Die Verhältnisse schaffen das Verhalten. Nicht umgekehrt.“ Sie empfinden die Berücksichtigung von Persönlichkeit im Job als übergriffig und halten selbst Führung für ein Phänomen irgendwo zwischen lästig und lässlich.
Die Anderen sind der Ansicht, dass die Persönlichkeit zwingend in den Job einfließt. Sie halten es mit Lewin und betonen, dass Verhalten immer ein Zusammenwirken von Person und Situation sei. Man kann demnach niemals nur auf das System oder auf die Person schauen. Erst im Zusammenspiel ergibt sich der Sinn.
Wer hat Recht?
Wenn wir die beiden Standpunkte mit dem Wissen der modernen Forschung abgleichen, ist die Antwort eindeutig. Das lässt sich naturgemäß am besten an der Spitze von Unternehmen beobachten. Nehmen wir als Beispiel mal die Extraversion.
Wie sieht es damit aus?
Naja, die Persönlichkeit von CEOs hat einen enormen Einfluss auf das, was im Unternehmen passiert. Extrovertierte CEOs neigen eher dazu, andere Firmen zu kaufen. M&A-Prozesse sind deutlich wahrscheinlicher (1).
Das geht offensichtlich mit größeren Schulden einher. Insofern ist es eine gute Idee, wenn CEOs einen Puffer im Unternehmen haben. Häufig ist die CFO-Position die Nummer 2 in der Hierarchie. Nun wird die CEO-Extraversion hervorragend gepuffert durch CFO-Gewissenhaftigkeit. Anhand einer Stichprobe von mehr als 3000 CEO-CFO-Teams lässt sich das wunderbar zeigen (2). Beides zusammen bringt ein Unternehmen in Balance.
Doch Vorsicht!
Die Balance ist schwächer, wenn auf CEO-Seite eine größere strukturelle Macht vorliegt und ausgeprägter, wenn die CFO-Seite besonders mächtig ist.
Das Verhalten schafft in diesem Fall ganz grundlegend die Verhältnisse. Und nicht nur dort.
Fazit:
Wir dürfen beim Blick auf das System nicht die Menschen vergessen.
Wir dürfen über Strukturen nicht das Individuum außen vor lassen.
Wir dürfen nicht zu klinisch werden und den menschlichen Faktor ignorieren.
Quellen:
(1) Malhotra, S., Reus, T. H., Zhu, P., & Roelofsen, E. M. (2018). The acquisitive nature of extraverted CEOs. Administrative Science Quarterly, 63(2), 370–408.
(2) Harrison, J. S., & Malhotra, S. (2024). Complementarity in the CEO-CFO interface: The joint influence of CEO and CFO personality and structural power on firm financial leverage. The Leadership Quarterly, 35(2), 101711.
Impulse und Fragen
Drei Themen, drei Fachleute, drei Impulse. Sollten wir in Unternehmen Mitarbeitende in den Mittelpunkt stellen oder lieber ihre Arbeit und ihr Umfeld so gestalten, dass Wertschöpfung leichter gelingt? Wie können wir Mitarbeitende jenseits von hierarchischen Aufstiegsmöglichkeiten fördern? Und welche Rolle spielt die Persönlichkeit im Miteinander in Unternehmen?
Fragen über Fragen. Vielleicht haben Sie auch welche; das ist gut! Dann hat auch Teil 10 von „Impulse für Organisationen“ sein Ziel erreicht.
Hinweise:
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Im t2informatik Blog hat Stephanie Borgert zwei Beiträge über Veränderungswiderstand im Team und „Wir brauchen ein Training!“ veröffentlicht.
[2] Kelly-Anne Cliff war früher eine rebellische Teenagerin mit leichten Autoritätsproblemen und einer enormen Tech-Affinität. Heute ist sie bei VAIVA Product Lead im Bereich autonomes Fahren, Fahrerassistenzsysteme und Safety und leidenschaftlich gerne dort, wo es brennt. Informationen über Kelly-Anne Cliff finden Sie in ihrem LinkedIn-Profil, den Impuls finden Sie hier im Original auf LinkedIn.
Im t2informatik Blog hat Ralf Lanwehr einen Beitrag über Authenitische Führung ist Unsinn! veröffentlicht.
Diese 3 und weitere 7 Perspektiven können Sie im Blogpaper Impulse für Organisationen – Teil 3 herunterladen.
Michael Schenkel hat im t2informatik Blog weitere Impulse veröffentlicht, u. a.
Michael Schenkel
Leiter Marketing, t2informatik GmbH