Führen mit Gefühl

Gastbeitrag von | 08.12.2025

Warum emotionale Kompetenz heute unverzichtbar ist

Gefühle prägen Zusammenarbeit stärker, als vielen bewusst ist. Sie beeinflussen, wie Menschen Situationen wahrnehmen, Entscheidungen treffen und miteinander umgehen. In Teams wirkt sich das unmittelbar auf Vertrauen, Kommunikation und die Qualität der Zusammenarbeit aus. Gute Teamführung setzt deshalb emotionale Kompetenz voraus, also die Fähigkeit, eigene Gefühle zu erkennen, zu verstehen und so einzusetzen, dass sie ein konstruktives Miteinander fördern.

In diesem Beitrag geht es darum, wie Sie mit emotionaler Kompetenz eine unterstützende Teamkultur entwickeln können. Sie erfahren, wie stark Stimmungen auf andere wirken und warum Ihre emotionale Verfassung entscheidend dafür ist, wie Sie Situationen und Menschen wahrnehmen.

Zu Beginn lohnt sich ein kurzer Blick auf die eigenen Muster. Zwei Fragen helfen dabei, die eigene innere Haltung einzuordnen:

  • Sehen Sie eher die Gemeinsamkeiten mit anderen Menschen oder richten Sie Ihren Blick stärker auf das, was Sie von ihnen unterscheidet?
  • Fühlen Sie sich innerlich stabil und offen für neue Entwicklungen und den Umgang mit anders denkenden Menschen oder suchen Sie eher Sicherheit und Abgrenzung?

Ihre Antworten sind ein Indikator dafür, wie Sie Situationen emotional bewerten. Die gute Nachricht lautet: Wenn Sie Ihre Gefühle verstehen, können Sie Ihre Wirkung auf andere bewusster gestalten und die Zusammenarbeit im Team positiv beeinflussen.

Abgrenzung oder Verbundenheit?

Wie stark Stimmung und innere Haltung die Wahrnehmung beeinflussen, hat die Psychologin Barbara Fredrickson untersucht. Sie gehört zu den prägenden Stimmen der Positiven Psychologie. Ihr Forschungsteam ging der Frage nach, wie positive oder negative Gefühle das Erleben von Verbundenheit verändern. [1]

In einer ihrer Studien wurden Menschen gebeten, die Beziehung zu einer engen Bezugsperson anhand eines grafischen Modells einzuschätzen. Dieses Modell zeigte verschiedene Grade der Überschneidung zweier Kreise und machte sichtbar, wie stark Nähe oder Distanz erlebt wird. Anschließend versetzte das Forschungsteam die Teilnehmenden in eine positive, negative oder neutrale Stimmung und wiederholte die Einschätzung.

Das Ergebnis war eindeutig. Positive Stimmung ließ die Teilnehmenden mehr Gemeinsamkeiten und stärkere Überschneidungen wahrnehmen. Negative Stimmung führte dagegen zu einer engeren Abgrenzung und zu weniger erlebter Nähe. Interessant, oder?

Diese Erkenntnis können Sie unmittelbar auf sich selbst übertragen. Die folgende Grafik zeigt das Modell, das auch in der Studie verwendet wurde.

Vom „Ich“ zum „Wir“

Abbildung 1: Vom „Ich“ zum „Wir“

Denken Sie an eine Person aus Ihrem Arbeitsumfeld und an ein gemeinsames positives Erlebnis. Welche der Varianten beschreibt Ihr Verbundenheitsgefühl am besten?

Denken Sie nun an dieselbe Person in einer schwierigen Situation, etwa bei einem Konflikt oder wenn Ihre Stimmung gedrückt war. Welches Bild würde diese Situation am ehesten charakterisieren?

Ergibt sich ein Unterschied?

Genau diese Unterschiede zeigen, wie sehr Stimmung unser Erleben prägt. Für Teams ist das bedeutsam. Die individuelle Stimmungslage beeinflusst nicht nur die eigene Wahrnehmung, sondern auch die Qualität der Beziehungen im Arbeitsumfeld. Positive Stimmung fördert Offenheit und Verbundenheit, negative Stimmung verstärkt Distanz.

Befinden Sie sich im Chaos oder sind Sie im Einklang mit sich selbst und anderen?

Unser innerer Zustand beeinflusst die Qualität unserer Zusammenarbeit erheblich. Das zeigen auch Untersuchungen des HeartMath Institute, das sich mit den Zusammenhängen zwischen Gefühlen, Wahrnehmung und physiologischen Reaktionen befasst. [2] Gefühle prägen unsere Wahrnehmung in besonderem Maße, besonders in Zeiten großer Veränderungen. Wenn wir uns sicher und verbunden fühlen, sind wir eher bereit, Risiken einzugehen und Neues auszuprobieren.

Dieser innere Zustand lässt sich sogar messen. Die Herzfrequenz wird über den Pulsschlag erfasst und in die Herzratenvariabilität (HRV) umgerechnet. In der folgenden Abbildung sehen Sie zwei typische Muster: einen chaotischen Zustand und einen kohärenten Zustand, die in der Studie durch Gefühle wie Frustration oder Wertschätzung ausgelöst wurden.

Elektrische Botschaft: Chaos oder Kohärenz - Blog - t2informatik

Abbildung 2: Chaos oder Kohärenz?

Im Zustand des Chaos ist der gesamte Organismus auf Bewältigung ausgerichtet. Für den Körper macht es dabei keinen Unterschied, ob eine reale Bedrohung vorliegt oder ob wir uns durch Menschen oder Umstände emotional angegriffen fühlen.

Typische Auslöser können sein:

  • ein autoritärer oder aggressiver Führungsstil,
  • die Angst, den Job zu verlieren, wenn man nicht regelkonform handelt,
  • die Sorge, im Team Anerkennung zu verlieren, wenn man Schwäche zeigt,
  • der Druck, technische oder marktgetriebene Entwicklungen nicht schnell genug zu bewältigen, sowie
  • die ständige Furcht vor Wettbewerb oder Vergleich.

In solchen Situationen dominieren Gefühle wie Angst, Frustration oder Ohnmacht. Der Körper reagiert mit einem engen, auf kurzfristige Bewältigung ausgerichteten System. Dieses Muster war evolutionär sinnvoll, wenn Kämpfen, Flüchten oder Erstarren überlebensrelevant waren. Für moderne Teamarbeit ist dieser Zustand dagegen hinderlich. Er führt zu typischen Einschränkungen:

  • Die Wahrnehmung verengt sich und fokussiert sich auf die vermeintliche Gefahr. Andere Lösungswege bleiben unsichtbar.
  • Kognitive Fähigkeiten sind eingeschränkt. In ausgeprägten Stresssituationen entsteht ein Tunnelblick, der klares Denken erschwert.
  • Das Bedürfnis nach Sicherheit steigt stark. Vertraute Lösungen werden bevorzugt, auch wenn sie nicht zur Situation passen.
  • Das Gefühl von Verbundenheit sinkt. Man erlebt sich stärker getrennt von anderen und fühlt sich mit Herausforderungen allein gelassen.

Diese Dynamik wirkt nicht nur auf das Individuum, sondern auch auf die Teamkultur. Ein Klima aus Unsicherheit oder Verengung kann sich im ganzen Team ausbreiten.

Kohärenz bringt innere Klarheit und schaltet Ressourcen frei

Dem Zustand des Chaos steht ein ganz anderer innerer Zustand gegenüber: Kohärenz. Damit ist ein Gefühl von innerer Ordnung, Klarheit und Ausgeglichenheit gemeint. In Momenten, in denen wir Wertschätzung, Ruhe oder Zuversicht empfinden, arbeiten Körper und Geist harmonischer zusammen. Dieser Einklang wirkt sich deutlich auf unsere Wahrnehmung und unser Verhalten aus.

Kohärenz führt zu einer Reihe hilfreicher Effekte, die auch in der Teamführung eine große Rolle spielen. Wenn Sie sich in einem kohärenten Zustand befinden, verändert sich Ihr Erleben und Handeln auf mehreren Ebenen:

  • Ihre Stimmung ist positiver. Gefühle wie Freude, Vertrauen und Gelassenheit geben Ihnen emotionale Stabilität und stärken Ihre Selbstwirksamkeit.
  • Sie fühlen sich stärker verbunden. Es entsteht der Wunsch, andere zu unterstützen, ihnen zu helfen oder ihnen Mut zu machen.
  • Sie werden mutiger und offener. Neue oder ungewohnte Lösungen wirken erreichbarer, selbst wenn sie zunächst herausfordernd erscheinen.
  • Ihre Wahrnehmung öffnet sich für mehr Aspekte. Chancen und alternative Wege werden besser erkennbar, ohne dass der Fokus auf das Wesentliche verloren geht.
  • Ihre innere Stimme wird deutlicher. Intuition und Erfahrung lassen sich leichter nutzen, besonders in komplexen Situationen.
  • Ihre Sensibilität für Stimmungen steigt. Bedürfnisse von Kolleginnen, Mitarbeitern und Partnern nehmen Sie schneller wahr, was wertschätzende Beziehungen stärkt.

Kohärenz beschreibt also einen inneren Zustand, in dem Gefühle und Verstand zusammenarbeiten. In diesem Zustand stehen Menschen mehr von dem zur Verfügung, was sie ohnehin mitbringen: Klarheit, Kreativität, Entscheidungsfähigkeit und soziale Wahrnehmung.

Dieser Zustand lässt sich bewusst herstellen und trainieren. Gedanken, Gefühle und Atmung sind dabei wirkungsvolle Ansatzpunkte. Viele Menschen nutzen kurzen Übungen vor Besprechungen, Entscheidungen oder herausfordernden Situationen, weil sie den Unterschied im eigenen Verhalten sofort spüren.

Wie innere Zustände die Teamkultur beeinflussen

Wie wir uns innerlich fühlen, prägt nicht nur unsere Wahrnehmung, sondern auch die Art der Zusammenarbeit im Team. Gefühle wie Sicherheit, Zuversicht oder Gelassenheit wirken anders als Angst, Frustration oder Anspannung. Sie bestimmen, wie wir kommunizieren, Entscheidungen treffen und Vertrauen aufbauen.

Haben Sie schon einmal die Erfahrung gemacht, dass Sie die emotionalen Signale eines Menschen wahrnehmen, selbst wenn Ihr Gegenüber nichts darüber sagt? Untersuchungen des HeartMath Institute weisen darauf hin, dass das elektromagnetische Feld, das einen Menschen umgibt und sich bis zu zwei Meter vom Körper entfernt messen lässt, vom Herzschlag geprägt ist und sogar die Hirnströme anderer Personen beeinflussen kann. [3] Meine eigenen Erfahrungen decken sich damit. In Gesprächen oder Teamsituationen nehme ich häufig wahr, ob jemand angespannt, unsicher oder in einer positiven inneren Haltung ist. Solche Schwingungen übertragen sich, oft subtil, aber deutlich spürbar.

Wenn Menschen über längere Zeit Gefühle wie Angst, Frust oder Ohnmacht in sich tragen, macht sich diese emotionale Energie im Team bemerkbar. Sie fördert Vorsicht, Rückzug oder defensive Kommunikation. Mit der Zeit kann sich daraus eine Atmosphäre entwickeln, die Innovation hemmt, Lernprozesse erschwert und Teams in ihrer Leistungsfähigkeit blockiert.

Positive innere Zustände erzeugen dagegen eine völlig andere Dynamik. Wenn sich Teammitglieder sicher, geschätzt und verbunden fühlen, richtet sich ihre Wahrnehmung stärker auf Gemeinsamkeiten und Unterstützung. Sie gehen offener aufeinander zu, probieren eher Neues aus und übernehmen leichter Verantwortung. Dieser Zustand stärkt Vertrauen, fördert Kooperation und verbessert die Fähigkeit, Herausforderungen gemeinsam zu bewältigen.

Fazit: Gute Teamführung braucht Gefühl und emotionale Kompetenz

Was bedeutet all dies nun für die Praxis und bspw. für die Führung von Projektteams?

Eine Führungskraft, die diese Zusammenhänge versteht, nutzt ihr Wissen bewusst in der Zusammenarbeit mit anderen Menschen. Sie kennt ihre eigenen Denk- und Gefühlsmuster und weiß, wie stark diese ihre Wirkung nach außen beeinflussen. Mit einer positiven, wertschätzenden Haltung stärkt sie die Teamstimmung, das Gefühl von Verbundenheit und letztlich die gesamte Teamkultur.

Emotionale Kompetenz zeigt sich im achtsamen Umgang mit den eigenen Zuständen und im Mut, aus Anspannung in einen ruhigeren, kohärenten Zustand zu wechseln. Sie zeigt sich auch im Vorbildsein: Wer innere Ruhe, Aufmerksamkeit und Wertschätzung ausstrahlt, stärkt das Miteinander im Team spürbar.

Eine verantwortungsvolle Führungskraft unterstützt zudem ihre Teammitglieder darin, ihre eigene emotionale Kompetenz zu stärken. Das kann in alltäglichen Situationen geschehen, in der Reflexion, in Teamgesprächen oder durch gezielte Trainings- und Coachingangebote. So entsteht Schritt für Schritt ein gemeinsames Verständnis dafür, wie Gefühle Zusammenarbeit beeinflussen und wie man mit ihnen konstruktiv umgehen kann.

 

Hinweise:

Wenn Sie neugierig geworden sind, wie Sie Ihre eigene emotionale Energie bewusster nutzen können, bietet Martina Baehr die Möglichkeit zu einem persönlichen Gespräch. In einem kostenfreien Energy-Call spricht sie mit Ihnen über Ihre aktuelle Situation und mögliche Schritte.

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[1] Barbara Fredrickson: Die Macht der guten Gefühle: Wie eine positive Haltung Ihr Leben dauerhaft verändert
[2] HeartMath Institute Research Library: Publications
[3] In der Schule wurde früher vermittelt, dass das Herz vor allem den Signalen des Gehirns folgt. Weniger bekannt ist, dass das Herz tatsächlich mehr Informationen an das Gehirn sendet als umgekehrt. Diese Signale beeinflussen emotionale Verarbeitung und höhere kognitive Funktionen wie Aufmerksamkeit, Wahrnehmung, Gedächtnis und Problemlösung. Herz und Gehirn stehen damit nicht in einem einseitigen Verhältnis, sondern in einem kontinuierlichen Austausch. Hier erfahren Sie mehr über den Einfluss der Herzaktivität auf die Gehirnfunktion.

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Martina Baehr hat weitere Beiträge im t2informatik Blog veröffentlicht, u. a.

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Martina Baehr
Martina Baehr

Martina Baehr ist Arbeits- und Organisationspsychologin und Inhaberin von Projektmanagement plus – Mit Energie + Strategie zum Projekterfolg. Sie hat in verschiedenen mittelständischen Unternehmen als Projektleiterin und Abteilungsleiterin für interne Prozess- und Systemberatung gearbeitet und verfügt über mehr als 15 Jahre Erfahrung in der Leitung großer Reorganisations- und IT-Projekte. Als Projektbegleiterin und Energie-Coach unterstützt sie Kundinnen und Kunden dabei ihre innere Stärke zu entfalten. Zur Steigerung ihrer Wirkkraft, für entspannte und erfolgreiche Projekte und einen positiven Impact im Job. Sie ist Gründerin und Moderatorin des Inner Power Clubs.

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