Endlich sinnvolle Meetings!
Haben Sie auch den Eindruck, dass fast niemand Meetings mag?
Die Terminplattform Doodle untersuchte im Jahr 2018 den jährlichen Schaden, den Meetings verursachen: über 60 Milliarden US-Dollar pro Jahr – allein in Deutschland.¹
Eine schlechte Meetingkultur demotiviert Mitarbeitende und kratzt am Ansehen von Führungspersonen – mitunter entstehen gar unbemerkt Beziehungsstörungen im sozialen Gefüge, die Kooperation und Informationsfluss behindern.
Wenn Sie Teilnehmende betrachten, können Sie an deren Augen die Qualität des Meetings ablesen: Alles ist in Ordnung, wenn alle konzentriert die sprechende Person, das Präsentationsmotiv oder Anschauungsmaterial betrachten. Doch meist spricht die Mimik der Anwesenden eine andere Sprache:
- der flehende Blick zum Himmel über der Decke des Meeting-Raums, der die Frage in sich trägt, wann es endlich endet oder das eigentliche Thema wieder in den Mittelpunkt rückt;
- der träumende Blick ins Unendliche, der verrät, dass hier eher Einkaufsliste, Beziehungsthemen, Wochenendplanung oder anderer Erfahrungen verarbeitet werden;
- der forschende Blick auf dem Tisch oder der Kleidung des Gegenübers, der vermuten lässt, dass dort mehr an Erkenntnis zu erwarten ist, als im aktuell den Raum beschallenden Beitrag.
Jeder Mensch scheint es zu wissen, viele spüren es vielleicht nur: Es könnte besser laufen!
Meetings-Tipps und Knäckebrote
Es ist kein Wunder, dass sich Tipps-und-Tricks-Posts in den sozialen Netzwerken oder Do-it-yourself-ähnliche Clickbaiting-Köder im Web aneinanderreihen und Lösungsansätze versprechen. Der Gehalt dieser Rezepte ist oft dem von Knäckebrot vergleichbar:
- Ziele und Vorgaben setzen,
- klare Tagesordnung festlegen,
- nur die richtigen Leute einladen.
Das wäre schon einmal ein Anfang. Doch helfen diese Empfehlungen nicht dabei, die Faktoren zu beeinflussen, die als schlechte Zutaten für Meetings genannt werden: Teilnehmende Personen, die
- in Meetings telefonieren oder Nachrichten schreiben,
- andere unterbrechen,
- anderen nicht zuhören,
- lange über nichts (Neues) sprechen,
- später kommen oder zu früher gehen.
Es muss also tiefer gehen. Das bedeutet gleichzeitig, es geht um eine Verhaltensänderung – bei allen an Meeting Beteiligten und insbesondere bei Verantwortlichen.
Das Konzept der Magic✯Meetings
Wozu gibt es eigentlich Meetings? Je nachdem, wen Sie fragen, ergibt sich möglicherweise eine andere Reihenfolge, doch im Prinzip geht es um:
- Informationsaustausch,
- Entscheidungsfindung,
- Lösung von Aufgaben und Problemen,
- Verbesserung von Team- und Zusammenarbeit sowie
- Feedback und Bewertung.
Würden sich alle Beteiligten auf Spielregeln und eine sinnvolle Struktur einigen, könnte es ganz einfach sein, oder?
Hier kommt nun das Konzept der Magic✯Meetings zur Anwendung, mit dem Versprechen, die Elemente einer solchen Struktur
- leichter gemeinsam, tragfähig zu entscheiden und beschließen;
- Lösungen auch für komplexe Probleme zu finden;
- Wir- und Teamgefühl zu verstärken und die Zusammenarbeit zu fördern;
- Motivation und Engagements zu fördern.
Damit dieses Versprechen Realität wird, werden zwei Aspekte benötigt:
- Die Basiszutat Gruppenintelligenz und
- der Beschleuniger Entscheidungsfähigkeit.
Basiszutat Gruppenintelligenz
Gruppenintelligenz nenne ich die Wirkkraft in Meetings, Teams und Unternehmen, der ich das größte Potenzial zuschreibe. Dabei geht es – im Gegensatz zu Schwarmintelligenz – nicht um gleichartige Individuen, sondern um die heterogene, diverse Zusammensetzung einer Gruppe beteiligter Personen.
Allein darin steckt schon riesiges Potenzial für andersartige, weiterführende Lösungsansätze. Viele Zitate erinnern uns daran, dass wir immer zum gleichen Punkt gelangen, wenn wir die gleichen Wege beschreiben, Methoden anwenden, Entscheidungen fällen. Es geht also in jedem Fall darum, etwas zu ändern. Oft ist es fast gleichgültig, was. Oftmals genügt es, einige andere Menschen als die üblichen Verdächtigen zu Meetings einzuladen, um so Gruppenintelligenz zu aktiveren.
Die Kunst ist nun, in gruppenintelligent-heterogen zusammengesetzten Meetings zu Ergebnissen zu kommen, ohne dass sich Fronten bilden, Beziehungsstörungen und resultierende Konflikte entstehen – dass, im Gegenteil dazu, ein Wir, ein Miteinander und eine gemeinsame Umsetzungsmotivation entsteht.
Beschleuniger Entscheidungsfähigkeit
Oft wird kaum bewusst, dass es um Entscheidungsfähigkeit, den Entscheidungsprozess geht, wenn man die Effektivität in Meetings erhöhen möchte:
Wir selbst als Person treffen ständig Entscheidungen. Der ehemalige LMU-Professor für medizinische Psychologie, Ernst Pöppel, spricht von 20.000 Entscheidungen pro Tag – die meisten davon glücklicherweise unbewusst.²
In Meetings wird ständig entschieden, wenn auch überwiegend unbewusst: Regelmäßig, wenn es um die Reihenfolge einer Agenda geht. Oder im Ablauf werden Themen und Ebenen gewechselt, etwa wenn es um das Thema selbst geht, um den Ablauf (Themenwechsel) oder gar um die Beziehungsebene (Konflikte oder Störungen).
Ein gutes Meeting bedingt eine Fülle von Entscheidungen bereits in der Planung zu treffen. Diese allein zu treffen ist vom Führungsstil nicht immer en vogue, kann über das Gelingen oder eben die Qualität der Ergebnisse entscheiden.
Blaupause für mehr Magie in Meetings
Und wie bekommen Sie nun „mehr“ aus Ihren Meetings heraus?
Das Folgende fokussiert auf den Nukleus in Magic✯Meetings, wenn es um die Sachebene geht: den Weg zur Entscheidung.
Die Anteile zur Vorbereitung, Einwands- und Konfliktbehandlung oder Unterstützung des Teamgefühls und Motivation lasse ich hier außen vor. Vielleicht bekommen Sie dennoch einen Eindruck, wie viele Entscheidungen es allein bei der Planung von Besprechungen und Versammlungen zu treffen gilt.
Der Rahmen
- Was ist als Ergebnis gewünscht – eine Entscheidung, eine Empfehlung zur Entscheidung, ein Meinungsbild ohne bindende Konsequenz?
- Was sind die Rahmenbedingungen – was darf gedacht, thematisiert, gemacht werden und was nicht?
- Wer ist betroffen von den zu treffenden Entscheidungen, wer ist beteiligt am Thema, am Problem?
- Wer von diesen Personen(-gruppen) soll einbezogen, eingeladen werden?
- Worum geht es – um welches Thema genau?
- Welche Randthemen gehören dazu?
- Welche Teilbereiche sollen nicht behandelt, außen vor gelassen werden?
- Welche Ergebnisse, welche Entscheidungen werden erwartet?
Das Problem
Wenn die Rahmenbedingungen formuliert sind und es an die Arbeit gehen soll, ist zu klären:
- Ist das Problem, das Thema, die Aufgabe von allen Beteiligten verstanden?
- Gibt es Rückfragen, die vorher geklärt werden müssen?
Die Ideensammlung
Wenn das Problem klar ist, geht es an die Ideenfindung bzw. Ideensammlung. In dieser Phase ist Kreativität gefragt und deswegen essenziell, dass jede Idee, jeder Vorschlag
- aufgenommen wird und
- ohne Diskussionen und/oder Bewertungen auf die Liste gelangt.
Zum Hintergrund:
Um wirklich kreative Antworten auf eine Frage zu erhalten, ist es wichtig, abseits von eingetretenen Pfaden zu denken. Deswegen gelten zunächst einmal folgende Regeln:
- jede Idee ist willkommen,
- auch verrückte, untaugliche, gegensätzliche Ideen,
- das heißt, Masse statt Klasse.
Es ist essenziell, in der Kreativphase nicht zu bewerten und zu diskutieren. Dies tötet den kreativen Prozess ab, als würde man über junge Getreidekeimlinge mit einem Kettenfahrzeug fahren.
Das empfohlene Reaktionsmuster als Vorlage:
- Was ich gehört habe: …
- Dazu habe ich eine weitere Idee: …
Wichtig:
Jede Idee ist für etwas gut – und sei es nur dazu, jemand anderen auf eine andere, noch bessere Idee zu bringen.
Das Meinungsbild
Hier trennt die vorhandene Gruppenintelligenz die Spreu vom Weizen. Als Bewertungs- und Entscheidungsverfahren verwende ich gerne eine recht aktuelle, konfliktdämpfende Methode, die unter dem Kürzel SK-Prinzip³ bekannt ist. Das Besondere dabei ist:
- Bewertet wird mit Punkten, die die Höhe des Einwands/Widerstands zur jeweiligen Option angeben. Das heißt: 0 Punkte bedeutet „ist o. k. für mich“, die maximale Punktzahl bedeutet „da habe ich maximale Bedenken, Einwände, Widerstand“.
- Jede Person bewertet jede Idee einzeln für sich allein als wäre es die einzige Antwort auf die Frage und das Problem.
Erklärung:
Mit diesem Verfahren wird über einen Umweg die Gruppenakzeptanz gemessen. Die Abwesenheit von Einwänden ist Akzeptanz – nicht zu verwechseln mit Begeisterung, die eine andere Maßeinheit wäre.
Das Ergebnis ist ein Stimmungsbild, wie hier zu sehen:
Tabelle 1: Meinungsbild von 24 Personen zu 26 Ideen und Vorschlägen aus einer Vereinssitzung
Der Austausch
Erst jetzt geht es darum, sich auszutauschen, zu diskutieren, Argumente zu hören – und auch dies wieder in einer stringenten und auf die Entscheidung gerichteten Form.
In den allermeisten Fällen genügt es, nur die sehr hohen Einwandwerte für die Ideen und Vorschläge zu hören, die auch eine hohe Gruppenakzeptanz erzielt haben – etwa in den obersten Rängen der Tabelle 1.
Die entsprechenden Personen begründen ihre hohen Einwände. Eine Diskussion kann unterbleiben. Wichtig sind zwei Aspekte:
- Ergibt sich durch diese zusätzliche Information ein weiterer, veränderter oder besserer Vorschlag?
- Verändern sich bei den anderen Personen die Bewertungswerte durch die Begründung der Einwandpunkte?
Nun entsteht vielleicht ein zweites Meinungsbild. Selbst wenn nicht, sieht dieser Abstimmungsmodus per definitionem kein Vetorecht oder eine Sperrminorität vor. Doch auch das sind Entscheidungen, die gemeinsam getroffen werden könnten.
In den allermeisten Situationen genügt es wirklich, die Einwände zu hören, sich darüber auszutauschen und zu entdecken, dass es in dem konkreten Fall auch andere Meinungen oder Wissen gibt.
Meist entsteht ein zweites Meinungsbild. In der obigen Situation entschied die Gruppe bspw. zunächst mit der Option auf Rang 2 zu starten, weil es dort weniger hohe Einwandwerte gab.
Die Entscheidung
Wichtig ist zu erkennen, dass das Meinungsbild in komplexen Situationen nicht sofort und automatisch der Entscheidung und dem Beschluss entspricht. Es ist Zwischenschritt und Hilfsmittel, um sich in der großen Menge an kreativen Lösungsansätzen zu orientieren. Das Stimmungsbild hilft zu erkennen, worüber es sich zu diskutieren lohnt.
In den Protokollen folgt unter dem Meinungsbild ein weiterer Abschnitt, indem die Beschlussformulierung noch einmal präzise ausformuliert wird. Diese Beschlussformulierung kann in brisanten Situationen – wenn es auf die Zustimmung aller ankäme – noch einmal bestätigt werden. Etwa mit der Einwandfrage: Gibt es zu diesem Beschluss schwerwiegende, begründbare Einwände?
In Umgebungen, in denen das Mehrheitsverfahren vorgeschrieben ist, würde die Beschlussformulierung mit diesem Verfahren rechtsgültig beschlossen werden – meist einstimmig.
Zusammenfassung
Gruppenintelligenz ist für mich eine entscheidende Zutat, um Antworten auf Fragen zu finden, die vorher noch niemand gestellt hatte, um die Herausforderungen zu lösen, vor denen wir in Krisensituationen stehen.
Die Herausforderung ist, in derart diversen und heterogenen dennoch zügig, verlust- und konfliktfrei zu tragfähigen Entscheidungen zu kommen. So erzielte Ergebnisse und Entscheidungen haben die Chance einer soliden Basis aus Gemeinsamkeit, Teamgeist, Wir-Gefühl und sind im besten Fall getragen von intrinsischer Motivation.
Ein kleines Beispiel aus meiner Praxis zum Schluss:
- Bei einem globalen Marktführer im Bereich Maschinenbau sollte eine Gruppe Ingenieure aus unterschiedlichen Abteilungen Ideen für eine Projektgruppe sammeln;
- Exakt eine Hälfte der Gruppe kam aus dem Bereich, der viel Umsatz mit Verbrennungsantrieben macht;
- Die andere Hälfte waren meist neu eingestellt und ihr Forschungszentrum E-Antriebe wurde gerade vom Ministerpräsident des Landes eingeweiht;
- Die Zeit drängte, die Besprechungsdauer war festgelegt auf drei Stunden.
Als das Meinungsbild auf der Leinwand prangte, herrschte ungläubiges Staunen und beklemmende Stille, die ein Teilnehmer schließlich mit dem Kommentar unterbrach: „Jetzt haben wir nach eineinhalb Stunden ein Ergebnis und haben uns noch gar nicht gestritten.“
Klingt nach einem Magic✯Meeting, oder?
Hinweise:
[1] Meeting Status Report 2019
[2] WirtschaftsWoche: Ernst Pöppel im Interview: „Die Beamten im Kopf“
[3] Systemisches Kondensieren
Tom Müller bietet den Abonnentinnen und Abonnenten seines Newsletters ein kostenloses E-Book zum Konzept der Magic✯Meetings. Bestimmt eine gute Idee, wenn auch Sie das Gefühl haben, dass Meetings besser laufen könnten.
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Tom Müller
Tom Müller begleitet mittelständische Unternehmen und Führungspersonen großer Konzerne seit mehr als 30 Jahren. Als Experte für Gruppenintelligenz bereichert er Teams und deren Meeting- und Entscheidungskultur mit seinem lang erprobten Konzept Magic✯Meetings.
Seine Kompetenzen in Moderation, Coaching, Kommunikationstraining und Persönlichkeitsentwicklung sind gefragt – insbesondere für schnelle Entscheidungen, sichere Problemlösungen, Innovations- und Wachstumsimpulse, Strategie- und Produktentwicklung, Unternehmensnachfolge sowie bei der Entwicklung von Teams und Führungspersönlichkeiten.