Empfehlungsmarketing: Highly recommended

Gastbeitrag von | 13.10.2022

Sinn und Unsinn beim Empfehlungsmarketing

Im Marketing wird ständig eine neue (alte) Sau durchs Dorf getrieben. Die Leuchtreklame von gestern ist nicht nur out, sie ist auch noch aus Energiegründen kein Medium der Zukunft. Der Werbeprospektstapel (ordentlich in recycelter Folie eingeschweißt) ist nicht nur ein samstägliches Ärgernis, sondern in seiner Kombination aus Materialien auch noch Sondermüll. Die DSGVO hat uns nicht nur die großartigen Cookie-Banner beschert, sondern verhindert (künftig noch mehr) auch das Tracken der Besucher unsere Websites und Ads.

Was also machen wir jetzt? Was geht im Marketing eigentlich noch? Da war doch was…

Wir empfehlen uns gegenseitig weiter.

Gute Idee. 😀

Und zudem eine, die auf Vertrauen basiert. Nicht auf Fachchinesisch (im Onlinemarketing gerne auch “Fachdenglisch”), glitzernden Reels oder Videos, die durch horrende Budgets gepusht und mit fragwürdigen KPI bewertet werden.

Einfach Mundpropaganda. Von Mensch zu Mensch. Dazu umsonst – vielleicht sogar im doppelten Wortsinn.

Empfehlungsmarketing – eine erste Stolperfalle

Erinnern Sie sich noch an die Zeit von Zeitschriftenabonnements? Diese wurden untereinander weiterempfohlen. Als Belohnung erhielt man so manches Kofferset oder ein Zusatzprodukt nach persönlicher Wahl. Beim Online-Shopping gibt es etwas ähnliches: nach einem Kauf erhalten Kunden Rabattcodes, um diese bei zukünftigen Einkäufen einzusetzen. Und mit einer kleinen Verzögerung flattert eine freundliche Aufforderung zur Bewertung des Produktes oder der Dienstleistung per Mail ins Postfach. Für die Bewertung gibt es in einigen Fällen wieder ein “Goodie”.

Empfehlungsmarketing setzt darauf, dass wir Menschen (zumindest bis zu einem gewissen Grad) käuflich sind.

Wobei hier genau schon die erste Stolperfalle lauert:

Zulässige Werbung mit Testimonials, Rezensionen oder eben Weiterempfehlungen liegt nur vor, sofern es keine Gegenleistung gibt. Es ist also erlaubt, Kunden um eine Bewertung zu bitten, allerdings dürfen Unternehmen diesen dafür weder Rabatte oder Gutscheine versprechen. Aua!

Die Praxis beim Empfehlungsmarketing

Gesagt getan: Das Kundenprojekt ist erfolgreich beendet – also bitten Unternehmen ihren Kunden um eine Empfehlung. Und wie machen Unternehmen dies genau?

Eine Weiterempfehlung muss unbedingt auf Freiwilligkeit und auch auf Individualität beruhen.

  • Eine persönliche Mail mit einem konkreten Anlass ist also in Ordnung.
  • Eine Sammelmail an die letzten 10 Kunden schon nicht mehr!

Es muss zudem klar werden, dass diese Bewertung dann auch zu Werbezwecken verwendet werden darf – sonst ist es eine schöne Rückmeldung für die heimische Pinnwand.

Und wo soll denn nun der zufriedene Kunde diese Empfehlung hinterlassen?¹

Google scheint eine gute Idee.

Bei Google finden Sie Bewertungen im Profil von Unternehmen sehr prominent platziert. Die dazugehörigen Sterne geben Unternehmen ein bisschen was von einem 5-Sterne-Hotel (natürlich nur bei guten Bewertungen). Sonst rutschen diese Unternehmen schnell in die Mittelklasse ab. In Zeiten von All inclusive und der stetigen Jagd nach dem allerbesten Angebot kann das leider schnell nach hinten losgehen. Zudem muss der oder die Sternespender:in über Google Konto verfügen. Doch auch wenn viele Menschen einen dedizierten Google-Zugang besitzen, nicht jede:r mag sich der Macht des Suchmaschinengiganten beugen.

Also vielleicht doch eine etwas subtilere (professionellere) Variante? Eine Plattform wie Proven Expert oder Trusted Shops zum Beispiel. Hier können Unternehmen die positiv gesammelten Bewertungen gleich in verschiedenen Designs auf der eigenen Website einbinden (natürlich wird so implizit auch die entsprechende Plattform weiterempfohlen; ein Schelm, der etwas böses denkt). Solche Einbindungen schaffen Vertrauen. Also schnell den Link an die oder den letzte:n Kunde:in gesendet und hoffen, dass er oder sie sich die Zeit nimmt, dort etwas Nettes zu hinterlassen und seinen oder ihren Namen dafür hergibt.

Hier lauert schon die nächste Stolperfalle: nicht jede:r zufriedene Endnutzer:in weiß, ob er oder sie auch im Namen seines oder ihres Unternehmen bewerten darf. Den wohlklingenden Namen des Unternehmens möchten wir verständlicherweise auch gerne erwähnt wissen. Es freut uns, wenn Peter Müller unsere Produkte oder Dienstleistungen bewertet, aber wenn Peter Müller bei einem DAX Unternehmen arbeitet, freut uns das noch ein bisschen mehr. Und natürlich wirkt das auch ein bisschen größer, die Sterne leuchten quasi goldener.

Leicht übersehen Unternehmen, dass solche Bewertungsplattformen nicht umsonst sind. Manche kosten Geld, andere zumindest Zeit. Als Unternehmen muss man zudem dranbleiben. Damit man die begehrten Auszeichnungen des bronzenen, silbernen oder goldenen Topdienstleisters erhält, braucht es eine ordentliche Anzahl gesammelter Bewertungen. Und diese laufen auch noch mit der Zeit ab.

Gibt es da nicht etwas Einfacheres?

Stimmt – da hat doch ein Bekannter letztens darum gebeten, dass man seine Kenntnisse auf LinkedIn bestätigt. Also schnell das eigene LinkedIn Profil um die Top-Kenntnisse ergänzt (nimmt man nun 10, 20 oder gar 30 Kenntnisse? Hilft hier viel oder ist weniger mehr?) und freundlich die Community abklappern. Wen bittet man um was? Und wem vertraut man so weit, dass er das auch tut – wäre ja peinlich, wenn man jemanden fragt und der oder die sich nicht rührt. Das könnte Beziehungen ordentlich wackeln lassen, weil man ja jede Menge in so eine Nicht-Reaktion reininterpretieren kann… Vermeintliche Businesspartner zweifeln an meiner Kompetenz … oweia.

Während wir noch darüber nachdenken, bittet eine ehemalige Workshopteilnehmerin um eine Empfehlung auf LinkedIn. Ach ja – eigentlich noch viel besser: lieber eine persönliche Empfehlung als nur so eine plumpe Kenntnisbestätigung. Also noch einmal die Community durchgehen und um eine solche bitten. Vielleicht sendet man den vorformulierten Text gleich mit – macht es dem Gegenüber doch einfacher und schließlich wäscht ja eine Hand die andere. Wir würden im Gegenzug ja auch eine Empfehlung verfassen, 5 Google Sterne vergeben oder auf Instagram folgen oder…

Gar nicht so einfach, dieses Empfehlungsmarketing. Was waren das für schöne Zeiten, als man einfach sagen konnte, dass der lokale Schreiner, der nicht einmal eine Website besitzt, den tollen Tisch hergestellt hat, und das Rezept für die leckere Torte von Oma stammt.

Achtung! Unlauterer Wettbewerb!

Mit dem Hype der Weiterempfehlungen steigt auch der Anreiz für dubiose Geschäfte. So hat sich ein eigener Markt für den Verkauf guter Empfehlungen entwickelt. Vergleichsweise transparent kann man im Netz erfahren, dass der Topseller, nämlich 20 Google Bewertungen, für 209,95€ erhältlich ist. Arbeitgebersiegel als “Top Employer” kosten direkt mal mehrere Tausend Euro. Die Rechtslage war hier lange unklar, seit Mai 2022 gilt jedoch eine überarbeitete Version des Gesetzes gegen den unlauteren Wettbewerb (UWG). Ausdrücklich als Wettbewerbsverstoß gelten seitdem zwei Dinge:

Das Kaufen von Bewertungen:

“Die Übermittlung oder Beauftragung gefälschter Bewertungen oder Empfehlungen von Verbrauchern sowie die falsche Darstellung von Bewertungen oder Empfehlungen von Verbrauchern in sozialen Medien zu Zwecken der Verkaufsförderung”

sowie

die Irreführung über die Echtheit von Bewertungen:

“Die Behauptung, dass Bewertungen einer Ware oder Dienstleistung von solchen Verbrauchern stammen, die diese Ware oder Dienstleistung tatsächlich erworben oder genutzt haben”.

Unser Tipp beim Empfehlungsmarketing

Nachhaltiges Empfehlungsmarketing setzt auf die “echte” Entwicklung von stabilen Kundenbeziehungen. Natürlich können und sollten Sie solche Kunden um Empfehlungen bitten. Und wie bei allen Marketingmaßnahmen – und es ist eine solche, selbst wenn wir sie uns aufgrund ihrer Freiwilligkeit und Kostenlosigkeit “schön” reden – gilt:

  • Gutes Marketing braucht Zeit,
  • Fingerspitzengefühl,
  • transparente Kommunikation und
  • eine Zielrichtung.

Die Kunden mit einer Mail und zahlreichen Optionen zu überfallen, ist sicherlich kein guter Zug. Zu wissen, auf welcher Plattform und in welchem Kommunikationsmedium sich Ihre Kunden heimisch fühlen, hilft enorm, wenn Sie um Bewertungen bitten.

Kreativität ist auch hier gefragt.

Tausche Karma-Punkte gegen Bewertung
Eine Bitte um Weiterempfehlung, wie hier im Bild zu sehen, ist gut gemacht. Würden Sie in einer solchen Situation nicht schon allein aus Gründen der Vorhersehung eine positive Bewertung abgeben? 😉

Nicht zuletzt müssen Sie auch damit umgehen können, wenn kritische Töne folgen. Wobei: um die – da funktioniert unsere deutsche Bewertungsmentalität – muss man selten bitten. Kritisieren können wir besser als loben. Wenn wir uns das alle gegenseitig vor Augen führen, dann klappt es vielleicht auch besser mit der Wertschätzung. Dann erhalten Sie vielleicht ganz ungefragt eine persönliche Nachricht, goldene Sterne oder Karma-Punkte. Im besten Fall tauchen neue Kunden aus dem (aus Marketingsicht) vermeintlichen Nichts auf. Sie kommen nicht über eine Anzeige, die Website oder einen Vortrag zu Ihnen, sondern weil sich Menschen untereinander nur Dinge empfehlen, von denen sie überzeugt sind – inhaltlich, preislich, menschlich. Und das nicht nur unmittelbar nach Projektabschluss, sondern vielleicht viel später, in einem gänzlich anderen Zusammenhang. Wahre Bewertungen sind sehr nachhaltig. Und echtes Empfehlungsmarketing ist tatsächlich sehr zu empfehlen. Highly recommended!

 

Hinweise:

[1] Unter https://neilpatel.com/de/blog/bewertungsplattformen/ finden Sie 25 Bewertungsplattformen, die der Marketingfachmann Neil Patel zusammengetragen hat. Und da sprechen wir noch nicht mal von Employer und Personal Branding.

Auf doppel[t]spitze.de finden Sie interessante Informationen zu den beiden Autoren Julia Collard und Sven Schnitzler. Sehr lesenswert ist auch ihr bekannter Digital Blog.

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Julia Collard und Sven Schnitzler haben einige weitere Beiträge im t2informatik Blog veröffentlicht, u.a.:

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Julia Collard & Sven Schnitzler
Julia Collard & Sven Schnitzler

Julia Collard und Sven Schnitzler sind Doppel[t]spitze. Netzwerken & Lernen sowie der persönliche und virtuelle Austausch von Wissen sind ihre Leidenschaften. Als Wissensnetzwerker machen sie Meinungen, Menschen, Unternehmen und deren Arbeit sichtbar. Innovatives Arbeiten bedeutet dabei, dass sie ohne Machtspiele & Konkurrenzdenken auskommen und die individuelle Leistung, die Anstrengungen und die Ideen im Vordergrund stehen.

Doppeltspitze heißt, dass Julia und Sven im Tandem in ihrer Agentur innovative und praktische Online-Marketing-Konzepte entwickeln und umsetzen. Eine klare Marketingstrategie ist der Schlüssel zum Erfolg. Im Mittelpunkt stehen immer Menschen und ihre Geschichten. “Teil deine Story” kann so viel aussagen – Storys verbinden Menschen, Unternehmen und Abteilungen. Sie machen sichtbar und wirken. So leben Julia & Sven Marketing.