Ein persönliches Wiki für Projektleiter

Gastbeitrag von | 02.09.2024

Wissen aufnehmen, den Überblick behalten und mit anderen teilen – die Anforderungen an die Projektleitung sind hoch. Oft scheitert es schon an den ersten beiden Punkten, nämlich Wissen strukturiert aufzunehmen, langfristig zu speichern und den Überblick zu behalten. Mit einem persönlichen Wiki können Projektleiter und -leiterinnen in einem ersten Schritt Abhängigkeiten für sich sichtbar machen und auch von Erfahrungen aus früheren Projekten profitieren.

Was ist ein persönliches Wiki?

Ein persönliches Wiki ist ein Netzwerk des Wissens, in dem Informationen gespeichert und miteinander verknüpft werden. So kurz, so einfach.

Seinen Ursprung hat das persönliche Wiki im Zettelkasten von Niklas Luhmann, einem der bekanntesten Soziologen. Auf seinen Theorien wird weiter aufgebaut und aus seinem Zettelkasten werden auch nach seinem Tod noch Publikationen generiert.

In seinem Zettelkasten (tatsächlich auf Papier und in Karteikästen geführt) sammelte er alle Informationen, Ideen oder erste Ausarbeitungen. Mit Hilfe eines Referenzsystems verknüpfte er diese Zettel miteinander, entdeckte neue Abhängigkeiten und kam auf neue Ideen.

Dieser Ansatz ist also für alle interessant, die selbst oft das Gefühl haben, von Informationen überflutet zu werden. Allerdings ist der ursprüngliche Zettelkasten für wissenschaftliches Arbeiten konzipiert, weshalb er für den Einsatz in Unternehmen und vor allem in Projekten noch etwas angepasst werden muss.

Das Ergebnis ist das persönliche Wiki, das die Bedürfnisse von Menschen in der Wirtschaft außerhalb des wissenschaftlichen Arbeitens adressiert.

Der Nutzen eines persönlichen Wikis

Stellen Sie sich vor, alle Informationen, die Ihnen zur Verfügung stehen, liegen vor Ihnen auf einer großen Tischplatte. Sie haben die Möglichkeit, jede Information sofort zu finden, weil Sie sie „nur“ auf dieser einen Ebene suchen müssen. Sie müssen sich nicht mehr durch eine tief verschachtelte Struktur oder viele verschiedene Ablageorte arbeiten.

Wenn sie nun noch auf einen Blick alle Informationen herausfiltern können, die beispielsweise die Information “IT Projekt” tragen, wird die Menge schnell kleiner und das finden dementsprechend schneller.

Und wenn sie dann beispielsweise mit irgendeiner Information starten und wissen, dass sie durch die internen Verlinkungen garantiert bei der Information ankommen, die sie tatsächlich suchen, kann praktisch nichts mehr schief gehen.

Kurzum: Ein persönliches Wiki macht das Leben von Menschen, die mit Wissen arbeiten, leichter.

Wie bauen Sie sich ein persönliches Wiki?

Es gibt nur wenige Grundsätze, die für ein persönliches Wiki wichtig sind und die Sie beim Aufbau beachten sollten.

Grundsatz 1:
Wer sein Wissen zeitlos speichert, kann auch in Jahren noch damit arbeiten.

Schon beim Erstellen von Notizen und beim Einfügen in Ihr persönliches Wiki sollten Sie darauf achten, dass die Informationen so aufbereitet sind, dass Sie sie auch in Zukunft noch verstehen können. Das bedeutet nicht nur, dass sie bei handschriftlichen Notizen leserlich schreiben, sondern vor allem, dass sie den Inhalt schnell wiederfinden können.

Grundsatz 2:
Wer sein Wissen vernetzt ablegt, findet immer eine Lösungsidee.

Von Anfang an vernetzen Sie die angelegten Informationen miteinander. „An welches Projekt erinnert mich diese Information?“ oder „Wie haben wir in einem früheren Projekt gehandelt, als wir vor einer ähnlichen Situation standen?“ können geeignete Fragen für das persönliche Wiki in der Projektleitung sein. Welche Fragen für Sie persönlich relevant sind, d.h. nach welchen Kriterien Sie Informationen miteinander verknüpfen wollen, entscheiden Sie letztendlich selbst.

Grundsatz 3:
Wer sein Wissen an einem Ort ablegt, muss nie wieder suchen.

Der bereits erwähnte metaphorische Tisch macht es möglich. Natürlich werden Sie Ihr persönliches Wiki nicht auf Papierbögen und auf einer Tischplatte führen wollen. Aber auch das digitale Werkzeug, für das Sie sich entscheiden, wird Ihre „Source of Truth“, also Ihr Speicherort für alle Informationen sein.

Die Schritte für Ihr persönliches Wiki sind dann überschaubar einfach:

Schritt 1:
Informationen auswählen

Natürlich wählen Sie die Informationen, die Sie in Ihr persönliches Wiki aufnehmen wollen, danach aus, ob Sie sie für relevant und richtig halten. Außerdem sollten die Informationen so klein wie möglich sein. Diese so genannten „Atomic Notes“ werden einzeln in Ihr persönliches Wiki aufgenommen. Die kleinteilige Erfassung ist besonders wichtig, um die Informationen später einzeln ansteuern und verlinken zu können.

Wie wichtig das ist und wie wenig darauf geachtet wird, wissen Sie aus eigener Erfahrung: Wenn wir ein Buch lesen, passiert es uns schnell, dass wir der Seite im Notizbuch den Titel des Buches als Überschrift geben und nacheinander alle Informationen aufschreiben, die uns wichtig oder interessant erscheinen. Auf diese Weise können wir aber später höchstens alle Informationen des Buches mit allen Informationen eines anderen Buches vergleichen. Nimmt man die Informationen jedoch stückweise auf und gibt dem Vergleich sofort eine neue, eigene Notiz, so eröffnen sich unendlich viele Möglichkeiten.

Eine Analogie ist die Suche nach einer guten Pizzeria. Wenn Sie eine Pizzeria in München suchen, müssen Sie Ihrem Navigationssystem die vollständige Adresse mitteilen, um wirklich dorthin zu gelangen. Es reicht nicht, als Ziel „Pizzeria in München“ einzugeben. Wenn Sie später in Düsseldorf sind und die Pizza dort mit der Pizza in München vergleichen können, dann geht das nur im direkten Vergleich. Es ist selten, dass alle Pizzerien in München besser oder schlechter sind als alle Pizzerien in Düsseldorf.

Eine gute Atomic Note ist also vergleichbar mit einem guten Text: Sie ist genau richtig, wenn man nichts mehr weglassen kann.

Schritt 2:
Informationen strukturieren

Die Atomic Notes strukturieren Sie anschließend nach immer der gleichen Art und Weise. Am besten verwenden Sie dazu eine Vorlage. So stellen Sie zunächst sicher, dass die Informationen immer die gleiche Struktur haben.

Sie werden schnell Ihre ganz persönliche Struktur entdecken. Als Tipp und ersten Anhaltspunkt zeige ich Ihnen grob, wie ich mein Template für Wissensnotizen aufgebaut habe:

Kernsatz:

Der erste Punkt ist der Kernsatz, also die atomar kleine Information, die alles beschreibt und nicht weiter gekürzt werden kann. Im Idealfall ist es sogar nur ein einziger Satz.

Weitere Beschreibungen:

Sobald ich merke, dass ich den Kernsatz später vielleicht nicht mehr eindeutig verstehe, füge ich eine kurze weitere Erklärung hinzu. Diese bläht den Kernsatz nicht unnötig auf, liefert aber schnell Informationen.

Verknüpfungen:

Für die Verknüpfungen untereinander habe ich mir verschiedene Fragen und Platzhalter notiert. Hier verbirgt sich der zweite große Vorteil eines Templates: Sie haben immer die Möglichkeit, strukturierte Verknüpfungen zu erstellen und sind nicht auf den Zufall angewiesen. Wie diese Verknüpfungen erstellt werden, sehen wir uns im dritten Schritt genauer an.

Tags und Schlagwörter:

Tags bieten die Möglichkeit, eine Information auf verschiedenen Wegen wiederzufinden. Sie können sie danach auswählen, wie eine Information beschaffen ist, wo oder wie Sie sie gefunden haben oder zu welchem größeren Thema sie gehört, z.B. “Geschichte”, “LessonsLearned” oder “ProjektA”. Sie wissen selbst am besten, wie Ihr Gehirn funktioniert und mit welchen Schlüsselwörtern Sie eine Information am besten suchen und finden.

Schritt 3:
Informationen verknüpfen

Das eigentliche Gold des persönlichen Wikis liegt in den Verknüpfungen der Informationen untereinander. Bisher waren wir darauf angewiesen, dass uns beim Mitschreiben der berühmte Geistesblitz kam. Nur durch Zufall erinnerten wir uns daran, was wir in einem anderen Projekt schon einmal erlebt oder irgendwo anders zu diesem Thema schon einmal aufgeschrieben hatten. Mit dem entsprechenden Fragenkatalog in der Vorlage können wir strukturiert Verknüpfungen herstellen.

Verknüpfungen können z.B. Vergleiche, Vergangenheits- oder Zukunftsbetrachtungen sein. Beispiele für solche Fragen sind

Vergleiche:

Vergleichsfragen können helfen, aus früheren Erfahrungen oder den Erfahrungen anderer zu lernen und Lösungen abzuleiten.

  • In welchem Zusammenhang ist dieses Problem schon einmal aufgetreten (und wie habe ich es gelöst)?
  • Welche Ähnlichkeiten gibt es zu einem ganz anderen Bereich?

Vergangenheitsbetrachtung:

Die Vergangenheitsbetrachtung geht den Ursachen auf den Grund, ohne anderen die Schuld zu geben.

  • Wie konnte es zu dieser Situation kommen, was hat zu der aktuellen Situation geführt?
  • Welche Alternativen wären möglich gewesen?

Zukunftsbetrachtung:

Der Blick in die Zukunft hilft, über den Tellerrand hinauszuschauen und mögliche Abhängigkeiten für zukünftige Szenarien zu erkennen.

  • Wohin führt die aktuelle Situation, wenn ich sie weiterdenke (Zeitraum x)?
  • Was muss noch passieren, damit diese Erwartung eintrifft/nicht eintrifft?

Gar nicht so schwierig, oder?

Atomic Note mit lokalem Graphen

Bild 1: Atomic Note mit dem lokalen Graphen bis in die zweite Ebene

Globaler Graph mit allen verbundenen Notizen

Bild 2: Globaler Graph mit allen verbundenen Notizen

Vom persönlichen Wiki zum Teamwiki

Auf den ersten Blick scheint es unglaublich spannend zu sein, ein Wiki zu erstellen und mit dem gesamten Projektteam zu teilen. Es wäre doch toll, wenn wirklich jeder auf die Informationen zugreifen und sie selbst ergänzen oder aktualisieren könnte. Ja, das ist richtig. Aber da gibt es ein Problem, das nicht so trivial zu lösen ist:

Je mehr Personen an einem solchen Wiki beteiligt sind, desto höher ist der initiale und laufende Aufwand für die Pflege. Zu Beginn müssen die Teammitglieder klären, wie sie eine Atomic Note definieren, was relevantes Wissen ist und wie ein Template aussehen soll. Aber auch im laufenden Projekt wird die Arbeit nicht weniger: Austausch für ein gemeinsames Verständnis, konsistente Verknüpfungen und Aufräumen bei Sackgassen oder irrelevanten Informationen sind notwendige Aufgaben. Die meisten dieser Aufgaben lassen sich nicht bewältigen, wenn man nur sein persönliches Wiki pflegt und es gelegentlich, z.B. in einer Teamsitzung, mit anderen teilt.

Daher mein Tipp: Probieren Sie das persönliche Wiki zunächst für sich selbst aus. Überlegen Sie dann, welchen Mehrwert es hat, wenn das ganze Team daran arbeitet oder nur punktuell Input gibt.

Fazit

Ein persönliches Wiki bietet Projektverantwortlichen einen leistungsstarken Ansatz, um Wissen strukturiert zu erfassen, zu vernetzen und langfristig nutzbar zu machen. Durch die gezielte Aufnahme und Verknüpfung von Informationen können Abhängigkeiten sichtbar gemacht und aus vergangenen Projekten gelernt werden. Bevor Sie jedoch versuchen, ein solches System auf ein ganzes Team zu übertragen, sollten Sie zunächst ein persönliches Wiki im kleinen Rahmen erproben. Hier helfen insbesondere die drei Schritte Informationen auswählen, strukturieren und verknüpfen. So können Sie für sich den Nutzen bewerten und optimieren und dann gegebenenfalls die Arbeit mit einem Teamwiki angehen.

 

Hinweise:

Wollen Sie Ihr Wissen in einem persönlichen Wiki organisieren? Dann sprechen Sie Stephanie Selmer gerne an, entweder über Ihre Website, auf der Sie weitere interessante Informationen über die Organisation von Wissen erfahren, oder über LinkedIn.

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Stephanie Selmer hat im t2informatik Blog weitere Beiträge veröffentlicht, u. a.

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Stephanie Selmer
Stephanie Selmer

Starke Unternehmen setzen für Weg in die Zukunft nicht nur auf neue IT-Systeme, sondern besonders auf ihre Mitarbeiter. Stephanie Selmer unterstützt Organisationen bei Veränderungen, bei der Verbesserung der Zusammenarbeit, beim Erreichen gemeinsamer Ziele und der Suche nach IT-Fachkräften. Zu ihren Kunden gehören mittelständische Unternehmen aus allen Branchen, die in der Digitalisierung eine Chance erkennen und ihre Mitarbeiter damit stärken wollen.