Die Macht des Unbewussten

Gastbeitrag by | 26.02.2018

Haben Sie sich schon mal Gedanken über Ihr Unbewusstes gemacht? Wissen Sie wie viel Bedeutung Ihr Unbewusstes auf Ihr Leben hat? Wissen Sie, wie Sie Ihr Unbewusstes beeinflussen können, damit es Sie unterstützt?

Wir leben alle in Zeiten des Wandels. Damit meine ich nicht nur technische Umbrüche wie die berühmt berüchtigte Digitalisierung und Industrie 4.0. Ich meine vor allem den Wertewandel in Gesellschaft und Wirtschaft. Viele wünschen sich mehr Menschlichkeit, mehr Lebendigkeit, mehr Beteiligung, mehr Wertschätzung, mehr Freude und Leichtigkeit und noch einiges mehr. Wir spüren, dass es an der Zeit ist, die energiezehrenden Konkurrenzkämpfe aufzugeben und mehr Kooperation und gegenseitige Unterstützung in unser Leben und Arbeiten zu bringen.

Ich habe schon viele Veränderungsprojekte ge- und begleitet und ich habe mich sehr dafür interessiert, wie Veränderung wirklich funktioniert. Ich habe viel gelesen, ausprobiert, mit anderen diskutiert und darüber reflektiert. In diesem Prozess bin ich ganz unten, an der Basis der Veränderungen angekommen – unseren Gedanken, Gefühlen und Einstellungen als Grundlage all unserer Handlungen. Und ich habe die Wirkung unseres Unbewussten kennen- und schätzen gelernt. Mein Motto lautet deshalb: Schaffen Sie sich ein Mindset, dass Sie unterstützt anstatt blockiert. Ein großer Teil Ihres Mindsets liegt im Unbewussten und ist damit Ihrem bewussten Einfluss nicht so einfach zugänglich. Es ist sogar so, dass Ihr Unbewusstes Sie eher blockiert als unterstützt, je stärker Sie sich bewusst Ziele setzen und Erwartungen kreieren – wenn diese neuen Wege Ihren alten, unbewussten Prägungen entgegen wirken.

Ich möchte mit diesem Artikel ein wenig Licht ins Dunkel bringen, denn ich sehe in meinen Trainings, Coachings und Gesprächen immer wieder, dass den meisten Menschen die Wirkung ihres Unbewussten nicht klar ist. Weil wir die eigentliche Ursache der Blockade nicht sehen können – sie ist ja in unserem Unbewussten verborgen – glauben wir, dass äußere Umstände uns ausbremsen und behindern.

Steigen wir zunächst mal in die Zusammenhänge und Hintergründe ein.

Was macht unser Unbewusstes aus?

Das Verhältnis unseres Unbewussten zu unserem Bewusstsein macht ca. 95 zu 5 % aus – manche sprechen sogar von noch weniger bewusstem Anteil – 98 zu 2 %. Die absolute Zahl spielt aber keine Rolle, es geht vielmehr darum sich bewusst zu machen, dass sich 95 bis 98 % unserer Wahrnehmung außerhalb unseres Bewusstseins abspielen. Gestern sah ich auf WDR 2 eine Sendung zum Thema Gewohnheiten, die den Sinn dieser Verteilung noch mal herausgearbeitet hatte, der da lautet: Unser Unbewusstes speichert alles was wir mal gelernt und für relevant befunden haben ab. Es verschafft uns Luft, damit wir uns nicht tagtäglich immer wieder bewusst mit den gleichen Routinen beschäftigen müssen. Es verschafft uns damit Platz für den 2 – 5 %igen Anteil bewusster Wahrnehmung. Damit wir ausreichend Raum haben, uns mit unseren Ideen, Planungen, Konzepten, Zukunftsträumen und Bedürfnissen zu beschäftigen. Viele dieser unbewussten Routinen sind sehr sinnvoll. Dazu gehören, Gehen/Laufen, Fahrrad- oder Autofahren, Schwimmen und noch vieles mehr. Dazu gehören auch Prägungen, die Sie sich angeeignet haben, weil Sie sie für sinnvoll – ja sogar unabdingbar erachten:

  • Sie strengen sich an, um ein Ergebnis, eine gute Leistung abzuliefern, weil Sie glauben, dass Sie auf diesem Weg Anerkennung erfahren und erfolgreich werden.
  • Sie vergleichen sich mit anderen, weil Sie das in der Schule so gelernt haben und Sie glauben, dass ein solcher Vergleich sie anspornt noch besser zu werden.
  • Sie finden Strukturen, Rollen und Autorität sinnvoll, weil Sie auf diese Weise sofort erkennen können, wer die Macht hat, wer was entscheiden darf und Sie auf diese Weise Orientierung erhalten.

Auch solche Prägungen und die damit verbundenen automatischen Bewertungen und Urteile sind in Ihrem Unbewussten abgespeichert und haben Ihnen vielleicht auf ihrem bisherigen Weg gute Dienste geleistet. In den letzten Jahren spüren Sie aber eine Veränderung. Sie bemerken, dass Sie unzufriedener werden und bestimmte Zusammenhänge einfach nicht mehr akzeptieren wollen.

  • Wir fragen uns, warum Führung so oft mit Fachlichkeit und so wenig mit Führungsqualitäten einhergeht. Wir vermissen Unterstützung und Wertschätzung für unsere Leistung.
  • Wir nehmen wahr, wie Hierarchien und eine Machkonzentration an bestimmten Stellen notwendige Entscheidungen und Veränderungen blockieren und spüren, wie lähmend das ist.
  • Wir ahnen, dass Arbeit auch Spaß machen und uns Sinn geben sollte. Anstelle der bloßen Pflichterfüllung und des reinen Geldverdienens.
  • Wir bemerken bei uns selbst, dass uns unsere eigenen Leistungsansprüche mehr sabotieren als weiterhelfen. Wir suchen einen Ausweg aus diesem Dilemma.

Hier muss sich doch jetzt wirklich was verändern. Das ist Ihnen schon klar. Ich sehe zurzeit enorm viele Menschen, die genau an diesem Punkt stehen. Aber wo genau ist der wirksamste Hebel zur Veränderung, an dem Sie gezielt ansetzen können?

Die Umgehung des bewussten Verstandes

Die Umgehung des bewussten Verstandes ist eine Abkürzung, die in unserem begrenzten Bewusstsein wieder Platz schafft.

Jetzt kommt wieder Ihr Unbewusstes ins Spiel. Erinnern Sie sich noch an die Funktion, die Ihr Unbewusstes erfüllt? Ihre inneren Programme laufen unbewusst ab, weil sie so Zeit sparen und Platz in Ihrem Bewusstsein schaffen. Dieser Satz ist jetzt ganz besonders wichtig: Einige dieser Abkürzungen, dieser inneren Programme, machen einfach keinen Sinn mehr, wenn Sie andere Ergebnisse erzielen und andere Erfahrungen machen wollen.

Wenn Sie grundlegende Dinge in ihrem Leben verändern wollen, müssen Sie sich Zeit nehmen und sich anschauen, was sich hinter dieser Abkürzung verbirgt. Damit Sie diese gezielt verändern können.

Sie müssen sich bewusst machen, was genau den Startknopf Ihres inneren Programms auslöst. Sie müssen sich überlegen, welches innere Programm stattdessen mehr Sinn macht bzw. zu einem besseren Ergebnis führt. Sie müssen diese Gewohnheit/dieses Programm verändern und das neue Programm in die tägliche Routine überführen und so Ihr Unbewusstes neu ausrichten.

Eine Bemerkung kann ich mir an dieser Stelle nicht verkneifen: Es ist schon interessant, wie viele Parallelen es zwischen unserem Unbewussten und der Digitalisierung gibt, finden Sie nicht auch?

Was sich hinter der Abkürzung verbirgt

Wie kommen Sie jetzt dieser Abkürzung auf die Schliche, die immer wieder Ihr altes Verhaltensprogramm startet und ablaufen lässt? In der Arbeit mit vielen Menschen habe ich für mich festgestellt, dass es hier einen ganz besonders wirkungsvollen Hebel gibt, das sind unsere Gefühle. Unsere Gefühle sind das, was uns in Bewegung bringt, sie sind der Trigger unserer Verhaltensprogramme. Sie lösen unsere emotionale Reaktion aus. Dazu mal ein Beispiel:

Nehmen wir an, Sie sind Projektleiter in einem mittelständischen Unternehmen. Ihr Chef beauftragt Sie mit einem neuen Projekt, was für das Unternehmen sehr wichtig ist. Sie haben schon einen vollen Terminkalender und genug andere Dinge zu tun. Sie denken sich insgeheim: Der hat ja wirklich gar keine Ahnung wie mein Alltag aussieht. Sie denken sich: Wie soll ich das bloß auch noch schaffen? Sie denken vielleicht: Es ist immer dasselbe Lied, die da oben denken sich was aus und mein Team und ich, wir müssen das dann umsetzen – ohne gefragt zu werden. Vielleicht haben Sie sogar ganz andere Ideen, wie das Problem gelöst werden könnte.

Diese Gedanken sind mit einem Gefühl von Ärger, Wut, Frustration oder Hilflosigkeit verbunden – je nach ihrem Temperament und ihrer Persönlichkeit. Diese Gefühle sind uns sehr oft gar nicht bewusst, sie lösen aber immer eine emotionale Reaktion, sprich eine entsprechende Handlung aus. In diesem Fall könnte es gut sein, dass Sie das Projekt wider besseren Wissens in Angriff nehmen. Dass Sie ihren Widerstand in sich einschließen. Einfach weil Sie es so gewohnt sind und die damit verbundenen Gefühle so unangenehm sind. Weil es entsprechende Konsequenzen haben würde, die Sie sich lieber nicht ausmalen wollen.

Sie nehmen die Abkürzung. Meist geschieht dies unbewusst, vielleicht haben Sie sogar das Gefühl dadurch Zeit zu sparen.

Es ist Ihre Wahl

Sie haben immer eine Wahl, sofern Sie nicht automatisch die Abkürzung nehmen. Was könnten Sie bzw. der Projektleiter in meinem Beispiel stattdessen tun? An dieser Stelle kommt jetzt Ihr Bewusstsein ins Spiel. Denn der erste Schritt zu einem neuen, selbstbewussteren Verhalten ist immer und ausnahmslos Ihr Bewusstsein für den sonst unbewussten emotionalen Trigger und der darauf basierenden Handlung – sprich Wirkung.

Sie können erst dann ein neues, passenderes Programm für sich auswählen, wenn Sie nicht mehr die vermeintliche Abkürzung nehmen. Nur dann können Sie herausfinden, was Sie wirklich brauchen und entsprechend der Situation und der Umstände vorgehen:

  • Sie könnten mit ihrem Chef reden und ihm klar machen, dass Sie die Wichtigkeit des Projektes schon sehen, aber keine Zeit dazu haben. Dass Sie gerne mit ihm gemeinsam über eine, für beide Seiten passende Lösung sprechen möchten.
  • Wenn das nicht weiterhilft, können Sie sich in jedem Fall Gedanken darüber machen, was Sie selbst brauchen, um ihre Arbeit gut bewältigen zu können. Dann können Sie die dafür nötige Unterstützung ganz konkret einfordern.
  • Oder aber Sie können sich Gedanken darüber machen, was Ihnen ganz persönlich dabei hilft Ihren eigenen, inneren Akku für die anstehenden Herausforderungen immer wieder aufzuladen. Damit Sie nicht unter die Räder kommen. Sie können sich Zeit einplanen, für all die Dinge, die dazu wichtig sind.

Das bedeutet im Klartext: Ohne das nötige Selbstbewusstsein über Ihre Abkürzungen und die damit verbundene Übernahme der Verantwortung gibt es keinen Gestaltungsspielraum und keine Selbstbestimmung. Dann sind Sie dazu verdammt immer die gleichen, frustrierenden Erfahrungen zu machen, die Ihrer automatischen, emotionalen Reaktion entspringen.

All denjenigen, die jetzt denken, ich habe doch sowieso keinen Einfluss, möchte ich folgendes mitgeben: Wenn Sie immer nur die Abkürzung nehmen, dann bestätigen Sie das alte System mit Ihrem Verhalten, ja Sie bekräftigen es sogar noch. Das gilt nicht nur für Führungskräfte, sondern für alle Menschen in den Unternehmen.

Wenn Sie sich Ihrer Gefühle, Gedanken, Prägungen, Ihrer emotionalen Reaktion und deren Auswirkungen bewusst werden, dann können Sie etwas in Bewegung bringen. Damit beginnen Sie auch schon, das  bestehende System zu verändern. Denn eine solche Veränderung oder besser gesagt Transformation, wie wir sie vor uns haben, das ist kein Urknall, der einmal geschieht und alles ist anders. Es ist keine Tablette, die wir einnehmen und morgen sind wir dann alle auf einem ganz anderen Bewusstseinslevel. Das ist kein einmaliges Seminar, das Sie besuchen und ab nächster Woche ist dann alles ganz anders. Aber das wissen Sie ja sicher selbst am besten.

Diese Transformation ist manchmal auch ein schmerzhafter Prozess. Wir tun gut daran, unser Unbewusstes und unser Mindset so auszurichten, das es uns dabei unterstützt. Denn nur so können wir innere Stabilität und Handlungssicherheit aufbauen, weil wir uns unserer Wirksamkeit und unserer Gestaltungskraft immer bewusster werden.

Unsere Gefühle spielen dabei eine ganz große Rolle, weil Sie unsere Kreativität und unsere Offenheit für Veränderungen und das Ausprobieren neuer Lösungen enorm beeinflussen. Wenn Sie wissen, wie Sie ihre Gefühle regulieren, dann können Sie sich diesen Prozess ungemein erleichtern.  Aber das wäre wieder eine neue Geschichte.

 

Hinweise:

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Häufig werden die Begriffe Unbewusstes und Unterbewusstes synonym gebraucht. Eine kurze Zusammenfassung finden Sie unter http://www.philolex.de/unbewust.htm.

Martina Baehr hat weitere Beiträge im t2informatik Blog veröffentlicht, u. a.

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Martina Baehr
Martina Baehr

Martina Baehr ist Arbeits- und Organisationspsychologin und Inhaberin von Projektmanagement plus – mit dem richtigen Mindset zum Projekterfolg. Als Projektbegleiterin und Mindsetcoach unterstützt Sie Ihre Kunden dabei sich innere Stärke aufzubauen. So dass sie aus ihrer vollen Kraft heraus handeln und ihre Projekte ganz entspannt zum Erfolg bringen. In ihrem Mindset-Blog schreibt Sie über Neues Denken, emotionale Intelligenz, Intuition und wertschöpfende Zusammenarbeit.

Martina Baehr arbeitete in verschiedenen mittelständischen Unternehmen als Projektleiterin sowie als Abteilungsleiterin für die interne Prozess- und Systemberatung und verfügt über mehr als 15 Jahre Erfahrung in der Leitung großer Reorganisations- und IT-Projekte.