Brand Purpose: Der goldene Faden erfolgreicher Unternehmen

Gastbeitrag von | 12.10.2023

Brand Purpose: Ist das wichtig oder kann das weg?

Neulich habe ich ein Paar Sportschuhe für meinen Sohn gesucht. Gezeigt wurden mir insgesamt acht Schuhe von vier verschiedenen Schuhmarken. Ich griff ohne zu zögern, zu der Marke, mit der ich seit fast 20 Jahren emotional verbunden bin: der Marke mit den drei Streifen.

Die ersten Schritte in die heiligen Hallen der „World of Sports“, spontane Tennis-Matches, frühmorgendliche Laufrunden und ausgedehnte Lunch-Dates im „Stripes“ mit Kolleg:innen aus aller Welt sind für immer in meinen Kopf und mein Herz eingebrannt.

Wissen Sie, von welchem Unternehmen die Rede ist? Doch was macht diese Marke anders als die anderen?

Erfolgreiche Unternehmen machen etwas anders, so viel ist sicher. Sie denken aber auch anders, als ihre weniger erfolgreichen Mitbewerber.

Doch wie schaffen die das? In einer Zeit, geprägt von der Klimakrise und anderen Krisen, ständigem Wandel und einem unerbittlichen Überangebot an Informationen und Produkten, hat sich innerhalb der letzten Dekaden ein Konzept als goldener Faden in der Unternehmensführung erwiesen – der Brand Purpose.

Was das genau ist und was das mit Emotionen, Werten und goldenen Fäden zu tun hat, möchte ich in diesem Artikel beleuchten.

Ich zeige Ihnen, wie Marken mit Haltung sozio-kulturellen Wert schaffen und warum es sich langfristig auch für Sie auszahlt, sich eingehend mit dem eigenen Brand Purpose zu beschäftigen.

Wofür das Ganze?

Ich erzähle Ihnen wahrscheinlich nichts Neues, wenn ich hier noch mal festhalte: Unser Wohlstand hängt am seidenen Faden. Das Wirtschaftswachstum gerät an seine Grenzen. Klimakrise, Rohstoffmangel, Innovationsdruck, Digitalisierung – um nur einige mächtige Schlagworte zu nennen.

Konsument:innen werden mündiger und haben größere Erwartungen an die Versprechen und Botschaften, die Marken nach außen tragen. Immer mehr, vor allem jüngere Angestellte schauen nicht nur auf die Arbeitsbedingungen und die Zahl auf dem Gehaltszettel, sondern auch darauf, wofür ihr Unternehmen steht.1

Mit der Wofür-Frage stellt sich automatisch die Sinnfrage. Die Frage nach dem „höheren“ Zweck des Wirtschaftens und der gesamten Wertschöpfungskette.

Unternehmen brauchen neue Ideen, müssen kreativer werden und neue Dimensionen der Wertschöpfung, abseits des Denkens in Wachstum und Profitmaximierung, ausloten, um langfristig am Markt zu bleiben. In dieser neuen Dimension von Wertschöpfung gewinnen sozialer und kultureller Mehrwert, Authentizität, Nachhaltigkeit, eine gesunde und glückliche Mitarbeiterschaft und gesellschaftlicher Fortschritt an Bedeutung.

In dieser neuen Sinn-Ökonomie gewinnt der Brand Purpose an Bedeutung.

Hype oder Herzensthema? Was Brand Purpose bedeutet

Das Konzept des Brand Purpose wird immer bedeutender, wenn es darum geht, eine Marke erfolgreich zu führen. Doch was genau meint der Begriff eigentlich? Und was nicht?

Der englische Begriff Purpose bedeutet so viel wie „Sinn“ oder „Zweck“. Unternehmen mit einem Purpose stehen für ein nachhaltiges Denken und Handeln. Purpose ist im Grunde das, wofür es sich lohnt, morgens aufzustehen und zur Arbeit zu gehen. Und damit ist eben nicht der Gehaltszettel gemeint. Sondern die tieferliegenden Werte eines Unternehmens, mit denen sich die Mitarbeitenden identifizieren und verbinden können.

Mit Brand Purpose, zu Deutsch „Markenzweck“ oder „Markenabsicht“, ist der Daseinszweck einer Marke gemeint. Dieser begründet sich in dem sozialen, kulturellen und/oder ökologischen Wert einer Marke für die Gesellschaft als Ganzes.

Er bezieht sich also auf die übergeordnete Vision, die hinter einer Marke oder einem Unternehmen steht. Er wird teilweise auch synonym mit dem Begriff Corporate Purpose verwendet und hat viel mit der Corporate Identity oder auch Brand Identity zu tun.

Eine klare Markenidentität, die konsistent und authentisch ist, soll den Kund:innen, Mitarbeitenden und auch Investor:innen also verdeutlichen: wer man ist und wofür man steht, dass man langfristig sinnvolle Ziele verfolgt und Wert stiftet, der weit über monetären Gewinn hinausgeht.

In der Markenidentität manifestieren sich Werte und Normen, die für die Menschen eine Art Leuchtturm sind. So rückt der soziale, kulturelle und ökologische Wert und der Sinn einer Marke im Konzept des Brand Purpose in den Mittelpunkt und somit ins Herz der Marke und ist nicht bloß ein Zusatznutzen oder ein „Add-on“ der Marke. Das führt mich zu der Frage, was Brand Purpose nicht ist.

Der Brand Purpose ist kein Hype, der bald wieder verschwindet. Der Begriff spiegelt einen Trend wider, der sich seit vielen Jahren ankündigt: einen Wertewandel, der sich in alle Lebensbereiche zieht. Vielleicht ist er gerade ein Buzzword, aber auch die haben m. E. nach ihre Daseinsberechtigung. Denn auch sie spiegeln lediglich eine gesellschaftliche Entwicklung wider und rücken damit das wichtige Thema „Brand Purpose“ in den öffentlichen Diskurs.

Was Brand Purpose ebenfalls nicht ist: eine Erfindung des Marketings und auch kein lediglich von einer teuren Werbeagentur kreierter Slogan. Ein authentischer Brand Purpose ist nämlich nichts, was von außen ausgestülpt werden kann. Ansonsten bleibt das Herzstück hohl und bricht bei der kleinsten Erschütterung wie ein Kartenhaus in sich zusammen.

Auf der Suche nach dem goldenen Faden

Der Brand Purpose muss aus der Tiefe des Unternehmens und damit von den Menschen und den Geschichten kommen. Erst wenn der Markenkern stark genug ist, dann kann er auch nach außen, an die Oberfläche, durchscheinen und in der Welt einen Unterschied machen.

Weltmarken, wie Adidas, Nike, Google und Apple haben eines gemeinsam: sie alle können ganz klar benennen, warum es sie gibt, wofür sie stehen und was sie im Kern ausmacht. (Es ist kein Zufall, dass ich immer noch von meiner Zeit bei den drei Streifen erzähle.)

Doch wie finden wir diesen goldenen Faden? Beginnen wir mit der Wofür-Frage:

„Start with Why“ ist ein Leitspruch von Simon Sinek, der ein erfolgreicher Storyteller ist und diesen Satz, wie kein anderer durch sein gleichnamiges Buch geprägt hat.2

Erstmalig bekannt wurden Simon Sinek und das Konzept des Golden Circle 2009 durch den TED-Talk „Wie große Führungspersönlichkeiten zum Handeln inspirieren“.3 In diesem beschrieb Sinek sehr bildhaft den Erfolgspfad inspirierender Führungspersönlichkeiten, wie Steve Jobs mit Apple, für die das „why“ im Zentrum der Kommunikation steht.

Visualisiert hat er sein Kommunikationsmodell in drei unterschiedlich großen Kreisen, die sich ineinander befinden. Den inneren Kreis bildet das Why und entspricht dem Brand Purpose. Um das Geheimnis des Konzepts zu verstehen, müssen wir uns einmal alle Kreise anschauen.

Der Golden Circle

Was macht Ihr Unternehmen? Software? Medizintechnik? Soweit so gut.

Die meisten Unternehmen können sagen, was sie tun. Aber die wenigsten formulieren klar, warum sie es tun. Meistens, weil sie Profit über Sinn stellen. Oder auch einfach nur, weil sie der Frage noch nicht ausreichend Beachtung geschenkt haben.

Laut Sinek konzentrieren sich die meisten Unternehmen auf das Was und kommunizieren demnach von außen (Was) nach innen (Warum). Sie gehen vom greifbarsten Gegenstand – das kann ein Produkt oder eine Dienstleistung sein – zum wenigsten greifbaren Gegenstand.

Einige Unternehmen können auch klar sagen, wie sie es tun. Das Wie ist das, was sie besonders macht und sie von anderen Mitbewerbern unterscheidet. Es wird im Marketing-Sprech auch als Alleinstellungsmerkmal bezeichnet.

Golden Circle von Simon Sinek - Start with why

Doch wenige Unternehmen wissen, warum sie das tun, was sie tun. Das Warum ist jedoch niemals monetär getrieben, da Gewinn oder Umsatz in Sineks Konzept nur das Resultat eines starken Whys sind. In diesem inneren Kreis befindet sich der Purpose und die emotional aufgeladene Vision. Und damit das, was erfolgreiche Marken anders machen. Sie kommunizieren authentisch, emotional und konsistent. Von innen nach außen.

Und das lässt sich auch neurobiologisch begründen. Das menschliche Gehirn, im Querschnitt von oben nach unten gesehen, ist in drei wichtige Teile aufgeteilt, die perfekt dem Golden Circle entsprechen (Quelle: Simon Sinek). Wenn wir von innen nach außen kommunizieren, können wir direkt das limbischen System ansprechen, also den Teil des Gehirns, in dem Emotionen, wie Vertrauen und ein gutes Bauchgefühl entstehen.

Weckt eine Botschaft Emotionen, indem sie beispielsweise an Erfahrungen und Werte anknüpft, gelangt sie in das Langzeitgedächtnis. Das limbische System wird besonders von Geschichten, Bildern und emotional aufgeladenen Worten wie etwa „Tod“ oder „Liebe“ angesprochen.4

„Why-Brands“ inspirieren andere Menschen ihren Glauben an einen bedeutungsvollen Wert oder an eine große Idee durch emotional aufgeladenen Botschaften, die von Herzen kommen.

Ein kurzes Statement reicht in der Regel nicht, um den Purpose einer Marke umfassend zu beschreiben. „Meist braucht es begleitende Erläuterungen, die das Purpose Statement in einen kulturellen und strategischen Kontext stellen und konkret für unterschiedliche Anwendungsbereiche und Handlungsfelder erläutern.“5

Beispiele für erfolgreichen Brand Purpose

Lassen Sie uns noch mal einen genauen Blick auf Unternehmen richten, die in Sachen Brand Purpose die Nase vorn haben.

Ein Parade-Beispiel ist die beliebte Outdoormarke Patagonia. Ihr Purpose Statement „We’re in business to save our planet.“ ist kein leeres Marketing-Versprechen, sondern durch und durch gelebte Haltung.6 Patagonia ist nicht an der Börse notiert und alle Gewinne fließen in Klimaschutz und andere Non-Profit Organisationen.

Aber auch viele deutsche Unternehmen haben sich bereits seit vielen Jahren als erfolgreiche Purpose Brand positioniert. Das Unternehmen Sonnentor setzt sich mit den Gewinnen, die sie mit dem Verkauf biologischer Tees, Kräutern und Gewürzen erwirtschaften, für „Mensch, Natur, Umwelt und die Gesellschaft“ ein. Ihr Statement: „Wir von SONNENTOR glauben fest daran, dass in der Natur die besten Rezepte für ein schönes und langes Leben liegen. Dafür arbeiten wir. Davon leben wir.“7

Ein besonders Beispiel ist im wahrsten Sinne des Wortes die Purpose Brand Einhorn. Das Anfang 2015 gegründete Berliner Start-up Einhorn vertreibt fair und nachhaltig hergestellte Kondome. 50 Prozent der Einnahmen sollen dabei in soziale und nachhaltige Projekte reinvestiert werden. Denn für die Gründer Philip Sievers und Waldemar Zeiler ist die Wirtschaft Teil der Lösung. Seit 2019 ist Einhorn deshalb ein Unternehmen in Verantwortungseigentum. Ihr Statement. „Mit Einhorn wollen wir beweisen, dass ein Unternehmen profitabel sein und einen Mehrwert für Menschen und Umwelt leisten kann.“8

Wie die Kommunikation von Einhorn eindrücklich zeigt, ist bei der Umsetzung des Brand Purposes nicht nur Authentizität und Konsistenz, sondern auch Originalität ein wichtiges Unterscheidungsmerkmal. Wer sonst würde auf die Idee kommen, mit Kondomen die Welt zu verbessern?!

Brand Purpose Do’s & Don’ts: Wie Sie Ihren goldenen Faden finden

Abschließend möchte ich Ihnen noch mal ein paar Dinge mitgeben, die Ihnen auf der Suche nach Ihrem Brand Purpose helfen können:

  1. Start With Why: Fangen Sie mit der „Wofür-Frage“ an.
  2. Beziehen Sie unbedingt den inneren Kreis der ihres Unternehmens, sprich die Mitarbeitenden, in Ihre Suche ein.
  3. Wenn Sie schwarzsehen, holen Sie sich eine:n externe Berater:in, an Bord.
  4. Versprechen Sie nichts, was Sie nicht halten können.

Wer als Marke falsches verspricht oder seinen Versprechen keine Taten folgen lässt, fliegt auf und schadet der Marke nachhaltig. Denn Kunden, die Produkte aufgrund eines höheren Zwecks kaufen, sind besonders sensibel.

Fazit: Der Kreis schließt sich

In einer Zeit voller Herausforderungen und wachsendem Sinnbedürfnis ist der Brand Purpose der goldene Faden zu langfristigem Erfolg für Unternehmen. Er ist nicht nur ein Marketingtool, sondern ein tief verwurzelter innerer Kompass. Das Herz eines jeden Unternehmens.

Unternehmen mit einem klaren Purpose handeln nicht nur aus Profitgründen, sondern verfolgen einen höheren Sinn. Sie kommunizieren von Innen nach Außen, schaffen so emotionale Verbindungen und bleiben im Gedächtnis der Menschen.

Brand Purpose ist nicht nur ein Trend, sondern eine Überlebensstrategie. Der Purpose dient als ein Leuchtturm für Mitarbeitende, Lieferant:innen und Kund:innen und stiftet einen Mehrwert für die Gesellschaft.

Die Marke eines Unternehmens ist durch den Purpose nicht mehr nur künstlich aufgeladen, sondern zeigt, welche realen Möglichkeiten für die Menschen es gibt und welche Potenziale ein Unternehmen gemeinsam mit seinen Mitarbeitenden ausschöpfen will.

Er ermöglicht Menschen, aktiv zu einer besseren Welt beizutragen und ein bedeutungsvolles Statement zu setzen. Sich selbstwirksam zu fühlen. Den Horizont zu erweitern. Jedes Unternehmen sollte daher intensiv über den eigenen Purpose nachdenken, um langfristig erfolgreich zu sein und andere zu inspirieren, es ihnen gleichzutun.

So können wir gemeinsam die Welt ein bisschen besser machen.

Das klingt doch Sinn-voll, oder?

 

Hinweise:

Wollen Sie mehr über das Thema Brand Purpose erfahren oder vielleicht sogar Ihre Story authentisch erzählen, dann lohnt sich ein Besuch auf der großartigen Website von Mayka Engelmann.

[1] Warum sich mehr Mitarbeitende einen nachhaltigen Arbeitgeber leisten können 
[2] Buch von Simon Sinek: Start with Why
[3] Ted Talk von Simon Sinek
[4] Storytelling: Geschichten als Wohltat für das Gehirn
[5] Baezgen Andreas: Brand Purpose (2002). Schäffer-Poeschel Verlag für Wirtschaft · Steuern · Recht GmbH
[6] Padagonia: Core Values
[7] Sonnentor: Wir sind halt anders
[8] Einhorn: About us

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Mayka Engelmann
Mayka Engelmann

Mayka Engelmann ist studierte Kultur- und Medienwissenschaftlerin, Nordlicht, zweifache Mama und liebt Geschichten und das Meer. Mit Y stories unterstützt sie Unternehmen dabei, Botschaften mit Tiefgang zu entwickeln, die Haltung zeigen und keinen Bullshit reproduzieren. Sie gibt co-kreative Markenstrategie-Workshops, steigt aber auch gern mal in den Zug, um Horizonte zu erweitern.