3 Mythen, die Ihr Mitarbeitergespräch ruinieren

Gastbeitrag von | 28.05.2025

Das Mitarbeitergespräch gehört zum Standardrepertoire guter Führung. Ganz gleich in welcher Häufigkeit die Führungskraft zum Gespräch lädt, das Mitarbeitergespräch ist essenziell, um konstruktives Feedback zu geben und die Zusammenarbeit für die kommende Periode zu stärken. Ich halte es für das wichtigste Führungsinstrument und plädiere dafür, es ganz bewusst zu nutzen. Ein gutes Mitarbeitergespräch basiert auf einer Vertrauensbasis, die durch eine gute Vorbereitung nicht auf die Probe gestellt, sondern im besten Fall optimiert wird. Es eröffnet wichtige Einblicke in die Perspektive der Mitarbeitenden und ist sehr wertvoll, um Leistung nachhaltig zu steigern. In diesem Beitrag räume ich mit drei Mythen auf, die Ihr Mitarbeitergespräch davon abhalten, erfolgreich zu sein.

Mythos 1: „Wir verstehen uns alle gut, wir brauchen gar kein Mitarbeitergespräch.“

Fangen wir zu Beginn damit an, zu klären, was ein Mitarbeitergespräch eigentlich ist. Fiege, Muck und Schuler beschreiben das Mitarbeitergespräch als ein Gespräch zwischen Führungskraft und Mitarbeiter, mit einem klaren Ziel, das fest terminiert ist, ein größeres Zeitbudget erfordert und von beiden Seiten vorbereitet werden muss [1]. Das Format ist somit weit davon entfernt nur für die Personen interessant zu sein, die ein Problem mit ihren Mitarbeiterinnen oder Mitarbeitern haben. Der hier erwähnte Mythos unterstellt, dass ein Gespräch keinen Mehrwert brächte, da insbesondere die Stimmung untereinander gut sei. Das unterschlägt unbewusst, dass das Mitarbeitergespräch viel mehr Aufgaben erfüllt als eine Temperaturmessung vorzunehmen. Ich würde sogar noch einen Schritt weitergehen und behaupten: Ein Mitarbeitergespräch funktioniert erst, wenn man sich gut versteht.

Dabei möchte ich das „Gut verstehen“ nicht als bloße gute Laune verstanden wissen. Ich spreche in diesem Zusammenhang von Vertrauen und einem sog. Vertrauenskredit. Mayer definiert Vertrauen als Bereitschaft sich gegenüber einer anderen Person verletzlich zu zeigen. In der Hoffnung, dass die andere Seite meine Interessen ebenfalls entsprechend wertschätzt und berücksichtigt [2]. Heißt: Sie glauben an Ihre Mitarbeitenden, dass sie ihre Aufgaben qualitativ gut und pünktlich erledigen und deshalb delegieren Sie dieser Person wichtige Aufgaben, sorgen für eine entsprechende Entwicklung oder gewähren sogar eine Gehaltserhöhung. Und dieses Vertrauen bauen Sie nicht erst im Gespräch auf, sondern in den 364 Tagen um das Jahresgespräch herum.

Vertrauen aufzubauen ist außerdem ein sehr dynamischer Prozess, der u. a. auch stark von den vergangenen Erfahrungen abhängig ist. Dies können bspw. Enttäuschungen, fehlende Transparenz oder Verletzungen von Vertrauensvereinbarungen sein. Und hier kommt der Vertrauenskredit ins Spiel. Das ist eine Art Metapher über die Bereitschaft Ihrer Mitarbeitenden Ihnen in puncto Gutwilligkeit, Integrität und Wirksamkeit Vertrauen entgegenzubringen. Hinter Gutwilligkeit stecken Eigenschaften wie z. B. Empathie, Hilfsbereitschaft oder Freundlichkeit. Unter Integrität versteht sich Ehrlichkeit, Pflichtbewusstsein oder Zuverlässigkeit und Wirksamkeit definiert Ihre Fähigkeit, Ihre PS auf die Straße zu bringen – Wie gut lösen Sie Probleme? Wie viel Selbstdisziplin legen Sie an den Tag? Für wie kompetent halten Sie Ihre Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter?

Je höher Ihre Mitarbeitenden ihnen diese Fähigkeiten zuschreiben, umso mehr Vertrauen sie Ihnen entgegenbringen, desto mehr gewähren sie Ihnen einen Kredit für z. B. ein Mitarbeitergespräch, in dem Sie Kritik äußern müssen. Fehlt dieser Kredit, dann schlägt Kritik schnell hohe persönliche Wellen und sorgt dafür, dass Mitarbeitende „zurückschlagen“, sich gegen Feedback wehren und das Gespräch eskaliert. Lassen Sie sich also nicht von guter Stimmung blenden und nehmen Sie sich die Zeit füreinander. Sehen Sie es als aktiven Aufbau Ihres Vertrauenskredits und sparen Sie ihn für schlechte Zeiten.

Mythos 2: „Ich kenne meine Leute. Da brauche ich mich nicht vorzubereiten.“

Höre ich so eine Aussage, dann schrillen viele Alarmglocken. Ich möchte gar nicht unterstellen, dass Sie Ihre Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter nicht kennen würden. Eine gute Vorbereitung beginnt aber nicht erst drei Stunden vor dem Termin, sondern läuft im Optimalfall das gesamte Jahr. Eine gute Vorbereitung ist eine Frage der Wertschätzung und der Ernsthaftigkeit mit der Sie als Führungskraft Ihren Job machen. In meiner Arbeit als Coach und Trainer begleite ich auch Unternehmen aus der Industrie, die, z. B. per Tarifvertrag oder Betriebsvereinbarung, eine regelmäßige Leistungsbeurteilung samt Mitarbeitergespräch abzuhalten haben. Eine schlechte Vorbereitung schlägt hier besonders schnell durch. Die Diskussionen finden allerorts nach dem gleichen Muster statt. Die Führungskraft bewertet den Mitarbeitenden. Dieser versteht die Bewertung nicht. Die Führungskraft kann oder will sie nicht erläutern und es kommt zur Eskalation. Eine gute Vorbereitung kann das vermeiden.

Machen Sie sich das gesamte Jahr über Notizen über die Leistung Ihrer Mitarbeitenden und halten Sie fest, welche Aufgaben oder Projekte bzw. welches Verhalten Sie positiv oder negativ in Erinnerung halten. Je ausführlicher Sie Ihre Einschätzung untermauern können, umso größer ist die Wahrscheinlichkeit, dass Ihre Mitarbeitenden die Rückmeldung verstehen und annehmen. Es bringt Ihnen außerdem den Vorteil, dass Sie Leistungsspitzen und -dellen auch viel besser nachvollziehen und feedbacken können. Nehmen Sie sich also in regelmäßigen Abständen Zeit, um die Leistung Ihrer Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter zu reflektieren. Überschätzen Sie nicht Ihre Fähigkeit, sich im Oktober noch daran zu erinnern zu können, wie gut oder schlecht die Leistung von Frau Maier oder Herrn Huber im Januar war. Auch Ihr Gedächtnis kommt an Grenzen. Machen Sie sich Ihr Leben also nicht so schwer. Außerdem hat das Ganze einen besonderen Mitnahme-Effekt: Die Zeit können Sie gleichzeitig dafür nutzen, Ihre eigene Leistung zu reflektieren.

Mythos 3: „Ich brauche nur 15 Minuten, dann bin ich fertig.“

Ein gutes Mitarbeitergespräch braucht Zeit. Meine Erfahrungen zeigen, dass 60 Minuten eine gute Richtschnur sein können und gleichzeitig appelliere ich an die Führungskräfte, sich etwas Puffer im Vor- bzw. Nachgang zu geben, obwohl der Terminkalender meist eng getaktet ist. Wenn mir Führungskräfte davon berichten, dass Sie ein Mitarbeitergespräch kurz und bündig abhalten, dann lassen sie Potenzial ungenutzt. In einem guten Mitarbeitergespräch können Sie viele Ziele bzw. Themenbereiche besprechen. Angefangen vom Feedback zur Leistung, legen Sie auch die Ziele für die kommende Periode fest. Sie thematisieren den Aspekt der Zusammenarbeit mit den Kolleginnen und Kunden und besprechen eine engere und direkte Kommunikation und Information. Und ganz wichtig: Sie bekommen im Optimalfall eine Rückmeldung zu Ihrer Führungsarbeit. Das sind alles wichtige Faktoren, die Sie durchdringen müssen, um leistungsfähige und gesunde Mitarbeitende in Ihren Reihen zu haben [3]. Kurze Mitarbeitergespräche ergeben dann Sinn, wenn Sie in einem Umfeld agieren, dass diese systematisierte Gesprächsform mehrmals im Jahr fest verankert hat [4]. Die Mehrheit der Unternehmen verfährt im jährlichen Rhythmus, wie eine Befragung des Bundesministeriums für Arbeit und Soziales zeigte.

Ihr Hauptanliegen im Mitarbeitergespräch sollte es sein, die Perspektive Ihres Gegenübers besser zu verstehen. Daher haben Sie im Wesentlichen zwei große Aufgaben: Zuhören und Fragen stellen. Doch hier kommen wir zu einer interessanten „Kann-Bruchstelle“. Im Regelfall verlaufen Mitarbeitergespräche problemlos. Man hört sich zu, lässt sich ausreden, gesteht Fehler ein, gelobt Besserung. Alles läuft rund. Doch dann gibt es die Fälle, die uns Bauchschmerzen bereiten. Mitarbeiterinnen oder Mitarbeiter, die nicht sofort einlenken und auch ihre Interessen berücksichtigt wissen wollen. Ich erlebe es häufig, dass der Zustand „Der Mitarbeiter versteht mein Anliegen nicht“ die Führungskräfte nur noch stärker dazu verleitet, ihre Punkte deutlich zu machen. Sie reden ohne Punkt und Komma und vergessen dabei ein Buzzword der Führung: Man muss die Menschen dort abholen, wo sie stehen. Doch dazu müssen Sie die Bereitschaft haben, zuzuhören und die richtigen Fragen stellen. Ich registriere dieses Verhalten immer dann, wenn die eigenen Werte und Erwartungen unklar oder sogar verletzt sind und die Sorge des Kontrollverlustes im Gespräch Überhand nehmen.

Nicht falsch verstehen: Lassen Sie sich nicht auf der Nase herumtanzen! Einige Menschen legen es darauf an. Wenn Sie jedoch lediglich miteinander sprechen, um Ihre Punkte nur deutlich genug zu kommunizieren, dann ist das fernab eines modernen Führungsansatzes [5]. Sie erziehen sich Mitarbeitende, die nur weiter auf Ansagen warten und Ihren Kopf nicht mehr einschalten.

Mein Tipp für Ihr Mitarbeitergespräch: Lassen Sie unbedingt Ihre Mitarbeiter oder Mitarbeiterinnen in den Rückblick starten. Fragen Sie nach seiner oder ihrer Einschätzung und lassen Sie ihn oder sie die eigene Leistung bewerten. Keine Sorge! Sie können Ihre Punkte machen, ganz egal, wie weit Sie voneinander entfernt sind.

Fazit

Das Mitarbeitergespräch stellt ein zentrales Element effektiver Mitarbeiterführung und -entwicklung dar. Durch eine kritische Auseinandersetzung mit bestehenden Mythen rund um das Mitarbeitergespräch sowie dessen regelmäßige, bewusste und strukturierte Durchführung schaffen Sie als Führungskraft eine solide Vertrauensbasis und fördern einen konstruktiven und zielführenden Austausch.

Dabei geht es nicht nur um die reine Informationsweitergabe oder Feedback, sondern vor allem um die aktive Einbindung und Beteiligung der Mitarbeitenden am Dialog. Dieser Prozess wirkt sich nachweislich positiv auf die Motivation, Leistungsbereitschaft und Arbeitszufriedenheit der Beteiligten aus und trägt entscheidend zu einem besseren Betriebsklima bei.

Darüber hinaus bietet das Mitarbeitergespräch Ihnen eine wichtige Gelegenheit, ihr eigenes Führungsverhalten und ihre Kommunikationsstrategien kritisch zu reflektieren, Verbesserungspotenziale zu erkennen und diese kontinuierlich zu entwickeln. Diese regelmäßige Selbstreflexion ermöglicht eine nachhaltige Entwicklung von Führungskompetenzen und trägt wesentlich zur persönlichen und beruflichen Weiterentwicklung bei. Letztendlich profitieren somit alle Beteiligten – Mitarbeitende, Führungskräfte und das gesamte Unternehmen – ein offener, wertschätzender und strukturierter Dialog, der eine tragfähige Grundlage für langfristigen unternehmerischen Erfolg bildet.

 

Hinweise:

Wollen Sie die Zusammenarbeit in Ihrem Team oder Ihre Kommunikationskompetenzen als Führungskraft verbessern? Dann besuchen Sie die Website von Michael Zocholl und vereinbaren ein Gespräch. Lohnt sich bestimmt!

[1] Hossiep, R., Zens, J. E. & Berndt, W. (2020). Mitarbeitergespräche: Motivierend, wirksam, nachhaltig (2. Aufl.). Göttingen: Hogrefe
[2] Czernietzki, Charlotte & Westmattelmann, Daniel. (2024). Künstliche Intelligenz in der Personalauswahl – Eine Studie zur Perspektive der Bewerberinnen und Bewerber. zfo – Zeitschrift Führung + Organisation, S. 236-242
[3] Demerouti, Evangelia & Nachreiner, Friedhelm. (2018). Zum Arbeitsanforderungen-Arbeitsressourcen-Modell von Burnout und Arbeitsengagement – Stand der Forschung. Zeitschrift für Arbeitswissenschaft. 1-12. 10.1007//s41449-018-0100-4
[4] Hossiep, Frieg, Land und Anke (2021): Unter vier Augen
[5] Personio: Die Vorteile und Nachteile des autoritären Führungsstils

Wenn Ihnen der Beitrag gefällt oder Sie darüber diskutieren wollen, teilen Sie ihn gerne in Ihrem Netzwerk

Michael Zocholl
Michael Zocholl

Michael Zocholl ist Wirtschaftspsychologe und unterstützt Führungskräfte und Teams dabei, Kommunikation, Zusammenarbeit und Vertrauen nachhaltig zu stärken – in Workshops, Coachings und Trainings. In seinem Podcast Zuhören, Fragen, Führen widme ich mich einmal wöchentlich den Herausforderungen und Chancen rund um das Mitarbeitergespräch.

Im t2informatik Blog veröffentlichen wir Beträge für Menschen in Organisationen. Für diese Menschen entwickeln und modernisieren wir Software. Pragmatisch. ✔️ Persönlich. ✔️ Professionell. ✔️ Ein Klick hier und Sie erfahren mehr.