Die Suche nach dem X
Inhaltsverzeichnis
Was ist Agilität?
Viele Blickwinkel auf Agilität
Was ist Ihr X?
Fazit
Erinnern Sie sich noch an die 7. Klasse im Mathematikunterricht? Funktionsgleichungen waren das Thema. X musste berechnet werden. Zu Beginn war das X häufig einstellig und gerade, später auch ungerade oder negativ. Es wurde als Bruch dargestellt oder der Lösungsbereich vorab eingeschränkt. Es wurde regelmäßig neu bestimmt, immer wieder diskutiert und besonders merkwürdig wurde es, wenn Klassenkameraden ein anderes X berechnet hatten.
An dieses X denke ich sehr regelmäßig beim Thema Agilität.
Was ist Agilität?
Der Duden beantwortet diese Frage überraschend kurz:
- Agilität, die
- Substantiv, feminin
- bildungssprachlicher Gebrauch
- Bedeutung: agiles Wesen, agile Art¹
Ein Substantiv (Agilität), dessen Bedeutung durch das entsprechende Adjektiv (agil) näher beschrieben wird? Na, das erinnert mich doch schon wieder an den Mathematikunterricht: Agilität = X. Und was sagt der Duden zu agil?
- Adjektiv
- bildungssprachlicher Gebrauch
- Bedeutung: von großer Beweglichkeit zeugend, regsam und wendig
- Beispiele: ein agiler Geschäftsmann, sie ist trotz ihres Alters körperlich und geistig noch sehr agil (Sorry, diese Beispiele hätte ich nicht gewählt!)
- Synonyme: betriebsam, beweglich, energiegeladen, geschäftig²
Dazu fällt mir nur Folgendes ein: agil = X. Ich bin mir ziemlich sicher, dass Unternehmen, die agiler werden wollen, damit nicht meinen, sie wollen betriebsamer oder beweglicher werden. Oder vielleicht doch?
Vielleicht hilft ja ein Blick in eine andere Quelle im Internet…
Viele Blickwinkel auf Agilität
„Willst Du immer weiter schweifen? Sieh, das Gute liegt so nah. Lerne nur das Glück ergreifen. Denn das Glück ist immer da.“ lautet ein Gedicht von Johann Wolfgang von Goethe. Mir ist zwar unklar, wie Goethe vor mehr als 200 Jahren bereits wissen konnte, dass wir einen Blog mit viel Wissenswertem betreiben würden, aber gut, schauen wir mal nach… 😉
Viele Beiträge bei uns im Blog drehen sich um das Thema Agilität:
- Prof. Dr. Monika Berg sucht den Schlüssel zur Agilität.
- Rob van Linda beschreibt, worum es bei Agilität wirklich geht.
- Dr. Annegret Junker stellt fest, dass Agilität im Herzen beginnt.
- Und Oliver Fels thematisiert das agile Manifest als Glaubensschrift.
- Cornelia Kiel nennt sieben Punkte für agile Projekte.
- Sebastian Kolberg fragt sich, ob Agilität alle Probleme löst.
- Und Heiko Bartlog führt aus, warum Agilität häufig nicht funktioniert.
- Gebhard Borck promotet Antifragilität anstelle von Agilität.
- André Claaßen fordert schlicht: Stoppt Agilität.
- Und Silke Nierfeld geht mit Beyond agile einen Schritt in Richtung Zukunft.
Offensichtlich gibt es über Agilität sehr viel zu schreiben. Und ich bin sicher, es werden noch viele weitere Beiträge den Weg zur Agilität beleuchten. Es werden Facetten herausgearbeitet, Mythen entmystifiziert, Tipps und Good Practices geteilt. Alleine aus der Aufzählung der Beiträge – und in unserem Blog finden sich noch viele weitere lesenswerte Artikel zu dem Thema – lässt sich erkennen, dass es viele Aspekte und Perspektiven gibt. X ist nicht immer dasselbe und kann es auch nicht sein. Es ist in jeder Aufgabe etwas anderes. Und das führt zu zur entscheidenden Frage:
Was ist Ihr X?
Ich habe letzte Woche von einem DAX-Unternehmen gelesen, das weltweit tätig ist, und ein neues Logo und eine neue Positionierung definiert hat. Ziel ist eine agile und fluide Marke.³ Ich habe zwar mit einem der Verantwortlichen vor 30 Jahren BWL mit Marketing als Vertiefung studiert (unsere Noten waren ähnlich „durchschnittlich“), aber ich habe keine Ahnung, was das bedeuten soll. Als Bestandskunde des Unternehmens wäre es vermutlich nicht verkehrt, wenn ich es verstünde, zumal es entsprechend öffentlich kommuniziert wurde, aber ich habe keinen Einfluss auf das Unternehmen und die entsprechende Kommunikation.
In Ihrem Unternehmen sollte das aber definitiv anders sein. Hören Sie bspw. „Wir wollen zukünftig agiler arbeiten!“, fragen Sie am besten nach, was damit gemeint ist. Oftmals werden agil und Agilität wie Platzhalter, wie X benutzt.
- Bedeutet agiles Arbeiten im Vertrieb eine engere Zusammenarbeit mit Kunden bei der Angebotserstellung oder eine schnellere Reaktion bei Problemen?
- Bedeutet Agilität in der Softwareentwicklung das kontinuierliche Einholen von Kundenfeedback oder die Entwicklung in kürzeren Iterationen?
- Soll das Team fortan nicht nur Vorschläge oder Ideen zusammentragen, sondern auch die Entscheidung über den besten Vorschlag oder die spannendste Idee treffen?
Natürlich ist Sprache lebendig und es ist auch nachvollziehbar, dass Menschen mit Begriffen unterschiedliche Dinge verbinden. Wenn ich Sie frage, was Ihre Lieblingsfarbe ist und Sie „grün“ antworten, dann könnte ich eine Ahnung haben, was Sie damit meinen. Da es aber unendlich viele Grüntöne gibt, ist die Wahrscheinlichkeit ziemlich hoch, dass wir bei allem Verständnis doch unterschiedliche Dinge meinen und verstehen. Daraus ergibt es ein zentraler Gedanke: Sie sollten für sich und Ihre Organisation herausfinden, was Ihr X bedeutet und was Sie damit verbinden. Hier zeigt die Erfahrung, dass konkrete Szenarien und Kennzahlen sinnvoll sind:
- In welchen Situationen kommt Ihr X zum Tragen?
Beispiel X = verbesserte Reaktion auf Aktion: Vertrieb beantwortet Kundenmails, Hotline ruft Kunden zurück, Marketing betreibt die Chatfunktion auf der Website, Buchhaltung ist Ansprechpartner für Rückfragen zu Rechnungen etc. - Innerhalb welcher Fristen bzw. Zeiten wollen Sie auf Aktionen reagieren?
Beispiel X = verbesserte Reaktionsgeschwindigkeit: Vertrieb antwortet binnen 15 Minuten auf eine Kundenmail, Hotline ruft Kunden innerhalb von 5 Minuten zurück, Marketing reagiert innerhalb von 30 Sekunden auf eine Chatanfrage auf der Website, Buchhaltung klärt Probleme innerhalb von 30 Minuten etc.
Bei der Festlegung der Kennzahlen sollten Sie jedoch bedenken, dass es nicht um die Werte an sich geht, sondern sie lediglich ein Mittel zum Zweck sind. Es geht nicht um die Jagd nach Kennzahlen; Selbstbetrug mag sich zwar in vielen Unternehmen zu Hause fühlen, in Ihrem Unternehmen sollte es aber nicht so sein.
Fazit
Ich hatte beim Abitur Mathematik als Leistungskurs und kann mich noch erinnern, dass Übung den Meister macht. Je häufiger ich mich auf die Suche nach dem X gemacht habe, desto leichter fiel es mir. Für Sie und Ihre Situation kann es ähnlich funktionieren. Wollen Sie als Organisation agiler werden, gibt es dafür vermutlich verschiedene Gründe. Evtl. ist Agilität gar nicht die passende Antwort für die Aufgabenstellung, evtl. ist Agilität zu grob und Sie sollten im übertragenen Sinne auch mehrere Nachkommastellen bestimmen. Auch da kann ich mich einen Professor im Studium erinnern, der stets „ungefähr“ sagte, bevor er das X mit seiner 8. Nachkommastelle an die Tafel schrieb. Offensichtlich lassen sich nicht alle Dinge eineindeutig definieren, ich glaube aber, wenn Sie sich mit Ihren Szenarien und Herausforderungen auseinandersetzen und bestimmen, was Sie zukünftig anders und auch besser machen wollen, dann lohnt sich jede Diskussion über X.
Hinweise:
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[1] Duden: Agilität
[2] Duden: agil
[3] Bei dem Unternehmen handelt es sich um einen Telekommunikationskonzern, der uns die Farbe Rosa als eine andere Farbe verkauft.
Michael Schenkel hat im t2informatik Blog einige weitere Beiträge veröffentlicht, u.a.
Michael Schenkel
Leiter Marketing, t2informatik GmbH