Impulse für Organisationen – Teil 17

von | 13.12.2025

Neulich wurde ich gefragt: „Ihr habt inzwischen über tausend Follower auf LinkedIn. Lohnt sich eine Company Page überhaupt?“ „Für uns schon“, habe ich geantwortet, „aber entscheidender ist, ob sie sich für die Follower lohnt. Sie lohnt sich, wenn Menschen dort Impulse finden, die ihnen bei ihrer Arbeit helfen. Und sie lohnt sich für uns, wenn unsere Inhalte zu Gesprächen führen. Das geschieht nicht im großen Stil, aber wenn ein Posting drei Menschen erreicht und ihnen weiterhilft, bin ich zufrieden.“

Apropos weiterhelfen. Hier kommt die siebzehnte Folge unserer Impulse für Organisationen. Diesmal geht es um „mehr vom Gleichen“ und das Optimieren von Funktionen, Feedback und Entschleunigung sowie den professionellen, reflektierten Umgang mit Zielen.

Los geht’s:

Stephanie Borgert¹:

„Wenn die Tür zu ist, hör auf die Klinke zu drücken!“

Was tun Sie, wenn sie schwungvoll auf eine Tür zugehen, beherzt die Klinke drücken und feststellen, dass die Tür sich nicht öffnet?

A: Ich warte an der Tür, bis sie sich öffnet.
B: Ich drücke die Klinke noch mal… und noch mal… und noch mal.

Die meisten von uns müssten Antwort B ankreuzen. Es ist ein Phänomen, das wir alle kennen – unsere erste (und manchmal einzige) Lösungsstrategie ist „mehr vom Gleichen“. Wenn der Hund nicht hört, ruft Herrchen ihn erst einmal beim Namen, ein zweites, drittes, viertes Mal. Das einzige, was sich dabei verändert, ist die Lautstärke. Wenn die Fernbedienung beim Drücken nicht, wie erwartet, das Programm umschaltet, drücken wir halt noch mal, und noch mal, und noch mal. Das ist menschlich.

Und damit finden wir diese Strategie auch in unserer Arbeitswelt wieder. Die Anforderungen ändern sich, also brauchen wir mehr Budget, mehr Ressourcen, mehr Zeit, noch mehr Budget, noch mehr Ressourcen, noch mehr Zeit, und so weiter. Das Projekt läuft aus dem magischen Dreieck, also brauchen wir mehr Controlling, noch mehr Controlling und noch mehr Controlling.

Wenn das, was du tust nicht funktioniert, dann tue etwas anderes.

Egal ob im Change-Prozess oder außerhalb: Kommen wir an eine Stelle, an der unser bisheriges Verhalten nicht mehr funktioniert, versuchen wir, mit mehr Energie das gewünschte Resultat zu erzielen – wir schalten auf „mehr vom Gleichen“.

Das nennt man sich Funktionsoptimierung. Sie ist eine gute Strategie für kleine bis mittlere Veränderungen, aber ihr Erfolg ist begrenzt. Nach anfänglich starken Effekten erreicht diese Methode irgendwann ihre Grenze. Es braucht dann viel Energie, um noch kleine Effekte zu erzielen. Wenn die Leistungssteigerung sehr hoch sein soll oder etwas Neues gefordert ist, brauchen wir einen anderen Ansatz. Was wir dann brauchen, ist ein Ordnungswandel. Wir müssen das Muster wechseln und etwas anders machen.

Im Sport finden sich viele oft zitierte Beispiele dafür. Dort geht es um höher, schneller, weiter. Beim Kugelstoßen führte Alexander Baryschnikow beispielsweise 1976 die Drehstoßtechnik als Alternative zur bisherigen Angleittechnik ein und erreichte als Erster die 22-Meter-Marke. Im Hochsprung setzte Dick Fosbury 1965 mit seinem Fosbury-Flop einen Meilenstein und veränderte die Sprungtechnik nachhaltig.

Kurzum: Wenn Sie mit Ihrem Change Innovationen generieren wollen, ein Projekt feststeckt oder Ihr Team zur Höchstleistung motiviert werden soll, dann braucht es einen Ordnungswandel. Aber seien Sie gewarnt, Musterwechsel bedeuten immer Umlernen und Verändern von Verhalten, denn grundlegende Muster und Routinen werden erneuert. Das kann an Hierarchien rütteln und Machtverhältnisse infrage stellen.

Wenn Sie das nächste Mal vor einer verschlossenen Tür stehen, ist es gut, eine weitere Strategie zu haben.

Ralf Lanwehr²:

Der blinde Fleck im Feedback: Niemand redet darüber, aber viele scheitern daran

Die meisten Organisationen sind besessen von Geschwindigkeit. Feedback heute, Umsetzung morgen, nächste OKRs bitte direkt im Anschluss. Doch das kann verhindern, dass Menschen wirklich wachsen.

Feedback funktioniert nicht wie ein Software-Update. Man kann es nicht installieren. Man muss es reifen lassen.

🔍 Was sagt die Forschung dazu?

Die Wissenschaft spricht in diesem Zusammenhang von systematischer Reflexion. Es zeigt sich, dass Feedback ohne Reflektionspause oberflächlich bleibt. Entschleunigung ist der Schlüssel.

Parallel wissen wir, dass Langeweile, etwas beschönigend „narrative Pause“ genannt, Kreativität und Einsicht fördert. Nicht Beschäftigung. Nicht Hustle. Nicht Tempo. Langeweile. Und genau hier beginnt die eigentliche Kunst. Reifung braucht Entschleunigung.

💭 Beispiele gefällig?

Das ist so ein bisschen wie beim Brauen von Bier. Nach dem Hopfen kommt keine Action, sondern Ruhe. Ohne Gärung entsteht nur bitterer Sud statt gutes Bier. Der entscheidende Schritt passiert nicht im Tun, sondern im Nicht-Tun.

Genau so trainieren übrigens auch viele Olympioniken. 90 % ihrer Einheiten sind monotone Wiederholung. Nicht spektakulär, nicht energiegeladen, nicht „Peak Performance“. Top-Leistungen entstehen nicht im Dauerfeuer, sondern in der geduldigen, langweiligen Basisarbeit.

👉 Was bedeutet das konkret?

Wer Feedback ernst meint, braucht Mut zur Lücke.

Wer Entwicklung will, muss Räume schaffen, in denen nichts passiert.

Das Entscheidende geschieht

  • beim Blick auf den Parkplatz,
  • im Bus auf dem Heimweg,
  • beim Zähneputzen,
  • in der Dusche,
  • in einer gedanklichen Mini-Flucht aus dem Alltag.

Dort verbinden sich Ideen neu. Dort entsteht Einsicht statt Pflichtgefühl. Dort wächst Verhalten statt Performance-Theater.

💬 Dazu habe ich einen Lieblingssatz:

„Man kann Menschen nur zur Einsicht führen, nicht zur Umsetzung prügeln.“

🎯 Fazit:

Entschleunigung ist nicht das Gegenteil von Leistung. Entschleunigung ist der Nährboden, auf dem echte Entwicklung gedeiht, genau wie gutes Bier und nachhaltige Höchstleistung.

 

Quellen:

Ellis, S., Carette, B., Anseel, F., & Lievens, F. (2014). Systematic reflection: Implications for learning from failures and successes. Current Directions in Psychological Science, 23(1), 67-72.

Van Tilburg, W. A., & Igou, E. R. (2017). Can boredom help? Increased prosocial intentions in response to boredom. Self and Identity, 16(1), 82-96

Kai-Marian Pukall³:

„Wir brauchen klare Ziele, wo soll sonst die Orientierung herkommen?“

Mir fällt immer wieder auf, wie unreflektiert bestimmte Mechanismen und Werkzeuge in Organisationen eingesetzt werden. Menschen sind mit etwas unzufrieden, nehmen die nächstbeste Idee, die wie eine Lösung aussieht und bewerfen das Problem damit. Wenn das nicht funktioniert, wird das Problem personifiziert – man hat die „falschen Leute“. Mich erinnert das an Jeremy Clarkson aus „Top Gear“, der den Motor seines liegengebliebenen Autos mit einem Hammer malträtiert, ihn damit weiter beschädigt und anschließend beschließt, das falsche Auto gekauft zu haben.

Leider wird von der Aussage „Wir brauchen Ziele“ auf seltsame Folgeaussagen geschlossen. Sind mehr Ziele besser als wenige? Sind präzise Ziele besser als unscharfe? Ich bin mir da nicht sicher. Ein professioneller Umgang mit Zielen (und Organisationsstrukturen allgemein) würde damit anfangen, zu verstehen, wozu sie da sind und was sie bewirken. Bei Zielen fallen mir da vor allem zwei Wirkungen ein:

  • Ziele zu besprechen und zu verhandeln hilft, Erwartungen zu klären.
  • Ziele zu beschließen bzw. zu vereinbaren versteift das Verhalten der Beteiligten.

Erwartungen klären ist meistens eine gute Sache. Nicht immer – es gibt Situationen, in denen unklare Erwartungen Lösungen erlauben, die geschärfte Positionen nicht zulassen würden. Aber meistens bringt es die Zusammenarbeit voran, über Erwartungen zu sprechen.

Versteiftes Verhalten dagegen kann gut oder schlecht sein, je nach Kontext. Mit „versteiftem Verhalten“ meine ich hier, dass Menschen Prioritäten, Ressourcen und Aufmerksamkeit auf einem Thema halten, auch wenn sie mit neuen Erkenntnissen oder Möglichkeiten konfrontiert werden. Das kann eine tolle Sache sein. Wer irgendetwas Größeres vorhat, muss das können. Eine dreiwöchige Trekkingtour durch Patagonien oder ein aufwändiger Website-Relaunch passieren nicht aus Versehen.

Das bedeutet aber auch, dass wir nicht an dem arbeiten, was uns heute wichtig erscheint, sondern an dem, was wir vor Wochen oder Monaten einmal für wichtig gehalten haben. Dass das nicht immer eine gute Sache ist, ist offensichtlich. Hinzu kommen „Good-enough“-Effekte: Warum sollte man sich weiter reinhängen, wenn das Ziel doch schon erreicht ist? Die Motivationsbalance zwischen dem, was möglich ist, und dem, was unwahrscheinlich ist – denn beides braucht ein gutes Ziel – ist schwierig zu treffen und zu halten.

Ziele müssen also gezielt eingesetzt und ihre Wirkung muss laufend reflektiert werden. Und beides vermisse ich häufiger.

Impulse und Fragen

Drei Themen, drei Fachleute, drei Impulse. Warum wiederholen wir regelmäßig Dinge, obwohl wir wissen, dass sie nicht funktionieren? Und wie können wir unsere Muster wechseln? Wie gelingt es uns, nicht nur auf Geschwindigkeit zu achten, sondern bewusst beim Arbeiten zu entschleunigen? Und was hindert uns daran, Ziele regelmäßig zu reflektieren, um tatsächlich die Dinge zu erreichen, die heute erstrebenswert sind und nicht die, die wir vor Monaten erstrebenswert fanden?

Fragen über Fragen. Vielleicht haben Sie auch welche; großartig! Dann hat auch Teil 17 von „Impulse für Organisationen“ auf wundersame Art und Weise funktioniert. Danke.

 

Hinweise:

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[1] Stephanie Borgert beschäftigt sich mit dem Managen von Komplexität und wesentlichen Aspekten wie Führung, Management, Kommunikation, Achtsamkeit und Systemik. Informationen über Stephanie Borgert finden Sie in ihrem LinkedIn-Profil, den Impuls finden Sie hier im Original auf LinkedIn.

Im t2informatik Blog hat Stephanie Borgert einige Beiträge – bspw. Veränderungswiderstand im Team oder „Wir brauchen ein Training!“ oder Macht und Selbstausbeutung – veröffentlicht.

[2] Ralf Lanwehr ist seit über 20 Jahren als Experte und Berater für evidenzbasierte Führung, Culture & Change tätig und hat seit 2008 eine Professur für Management. Informationen zu Ralf Lanwehr finden Sie in seinem LinkedIn-Profil, den Impuls finden Sie hier im Original auf LinkedIn.

Im t2informatik Blog hat Ralf Lanwehr einen Beitrag über Authenitische Führung ist Unsinn! veröffentlicht.

[3] Kai-Marian Pukall arbeitet als Organisationsentwickler für die Seibert Group GmbH. Seit vielen Jahren begleitet er agile Teams, immer mit dem Ziel, die Zusammenarbeit wertvoll und professionell, einfach und menschenfreundlich zu gestalten. Informationen über Kai-Marian Pukall finden Sie in seinem LinkedIn-Profil, den Impuls finden Sie hier im Original auf LinkedIn.

Im t2informatik Blog hat Kai-Marian Pukall einige Beiträge – bspw. Führung bedeutet, Aufmerksamkeit zu lenken oder Konflikte im Team produktiv nutzen oder Welche Rahmenbedingungen braucht Selbstorganisation – veröffentlicht.

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Hier finden Sie eine Auswahl weiterer Impulse im t2informatik Blog:

t2informatik Blog: Impulse für Organisationen - Teil 12

Impulse für Organisationen – Teil 12

t2informatik Blog: Impulse für Organisationen - Teil 14

Impulse für Organisationen – Teil 14

t2informatik Blog: Impulse für Organisationen - Teil 16

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Michael Schenkel
Michael Schenkel

Leiter Marketing, t2informatik GmbH

Michael Schenkel hat ein Herz für Marketing – da passt es gut, dass er bei t2informatik für das Thema Marketing zuständig ist. Er bloggt gerne, mag Perspektivwechsel und versucht in einer Zeit, in der vielfach von der sinkenden Aufmerksamkeitsspanne von Menschen gesprochen wird, nützliche Informationen – bspw. hier im Blog – anzubieten. Wenn Sie Lust haben, verabreden Sie sich mit ihm auf einen Kaffee und ein Stück Kuchen; mit Sicherheit freut er sich darauf!

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