Warum machen Mitarbeiter nicht, was sie sollen?

Gastbeitrag von | 19.06.2025

Ein Perspektivwechsel auf scheinbaren Widerstand von Mitarbeitern

Ein Projekt kommt nicht voran, Absprachen verpuffen, Aufgaben bleiben liegen und die Führungskraft fragt sich: Warum macht er oder sie nicht einfach, was abgesprochen war?

In solchen Momenten ist die erste Reaktion oft Frustration oder das Urteil: es fehlt die Motivation! Doch der vermeintliche Widerstand entpuppt sich häufig als Symptom ganz anderer Ursachen. Hier lohnt ein neuer Blickwinkel mithilfe eines einfachen, aber effektiven Dreiklangs: Können – Dürfen – Wollen.

  • Hat die Person die Fähigkeiten und fachlichen Kompetenzen? KANN sie, was gefordert ist?
  • Hat sie die nötige Entscheidungsbefugnis? DARF sie es tun?
  • Ist sie motiviert, die Aufgabe zu übernehmen. WILL sie es überhaupt?

 

Nicht können: wenn Kompetenzen fehlen, hilft kein Druck

Die Kompetenzlücke

Ein Beispiel aus meinem Projektalltag:

In einem Softwareentwicklungsteam knirscht es gewaltig. Die gelieferten Anforderungen treffen regelmäßig nicht die Erwartungen der Stakeholder. Ständig muss nachgearbeitet oder komplett umgearbeitet werden. Das kostet Zeit und Nerven. Der Projektleiter ist am Ende seiner Geduld: „Ich habe dem Product Owner schon zig-mal gesagt, dass er mit den Stakeholdern sprechen muss. Wieso tut er das nicht einfach!“, sagt er mir als ich zum Projekt dazukomme.

Ich lerne den Product Owner kennen, merke schnell, dass er mindestens genauso frustriert wie der Projektleiter ist. Wir gehen die User Storys durch und ich begleite ihn in ein Meeting mit Stakeholdern. Er hört sich die Anforderungen an, schreibt alles mit. Aber er stellt keine Fragen. Hat keine Systematik beim Erfassen der Themen. Es fehlt ihm ganz einfach das methodische Rüstzeug, um Anforderungen strukturiert zu erheben. Es ist kein Unwille, sondern ein Kompetenzmangel.

Was können Sie als Führungskraft in so einem Fall tun?

  • Prüfen Sie die fachliche und methodische Passung der Rolle. Hat der Mitarbeiter alle fachlichen, zwischenmenschlichen und methodischen Skills, die er braucht.
  • Sorgen Sie für gezielte Entwicklung: Ob externe Schulungen, kollegiales Coaching oder begleitete Praxis, Lernen braucht Struktur.
  • Ermutigen Sie zur Offenheit: Fachliche Lücken sind kein Grund die Position zu verlieren. Ein Mitarbeiter muss sich trauen, diese anzusprechen. Nur dann kann Lernen stattfinden.

Führungsimpuls:

„Welche Fähigkeit kannst du noch weiterentwickeln, um deine Rolle wirklich gut ausfüllen zu können?“ Diese Frage öffnet den Raum für Entwicklungspotentiale, ohne Vorwurf.

Nicht dürfen: wenn das System den Handlungsspielraum blockiert

Die Mandatslücke

Ein Beispiel aus meinem Projektalltag:

Ein Sicherheitsrisiko ist seit Wochen bekannt. Es wurde mehrfach intern gemeldet und eskaliert, doch es passiert nichts. Der Abteilungsleiter ist wütend: „Warum kümmert sich die Systemadministratorin nicht endlich darum? Dafür habe ich sie doch eingestellt!“ Er zweifelt an ihrer Kompetenz. Oder an ihrem Willen.

Im Gespräch mit ihr zeigt sich schnell: Sie hat das Problem erkannt, kann es auch analysieren. Sie will Verantwortung übernehmen, aber sie darf nicht. Interne Richtlinien verhindern Änderungen an sicherheitsrelevanten Komponenten ohne Genehmigung durch mehrere Instanzen. Sie ist gefangen im System – machtlos und selbst frustriert.

Was können Sie als Führungskraft in so einem Fall tun?

  • Hinterfragen Sie Entscheidungsbefugnisse: Gibt es unnötige Hürden, die Eigenverantwortung verhindern?
  • Vereinfachen Sie Prozesse: Bauen Sie klare, praxistaugliche Regelungen für typische Fälle auf.
  • Ermächtigen Sie die Mitarbeiterin bewusst: Übertragen Sie Verantwortung und den entsprechenden Handlungsspielraum. Vermitteln Sie der Mitarbeiterin, dass Sie ihre Entscheidungen mittragen.

Führungsimpuls:

„Wer oder was hindert dich gerade daran, das Problem zu lösen?“ Diese Frage verschiebt den Fokus: Weg vom Individuum, hin zum System.

Nicht wollen: wenn Motivation fehlt, hilft kein Fachwissen

Die Motivationslücke

Ein Beispiel aus meinem Projektalltag:

Eine neue Mitarbeiterin ist seit Wochen im Team, doch sie findet nicht richtig rein. Noch immer bestehen Lücken in ihrem Verständnis der Abläufe, das Onboarding zieht sich. Der zuständige Buddy ist ein erfahrener Senior-Entwickler, fachlich top und bestens geeignet der Neuen die Themen zu erklären. Aber es funktioniert nicht.

Im Gespräch wird deutlich: Der Senior hat schlicht keine Lust auf Einarbeitung. „Ich hab’s übernommen, weil’s halt mein Fachbereich ist. Aber ehrlich gesagt: Ich will lieber in Ruhe coden als jemandem alles erklären.“ Die Aufgabe passt nicht zu seiner Motivation und das spürt vor allem die neue Kollegin.

Was können Sie als Führungskraft in so einem Fall tun?

  • Ermitteln Sie die Passung zwischen Aufgabe und Motivation: Wer intrinsisch nicht motiviert ist, wird keine gute Arbeit leisten, auch wenn er es theoretisch könnte.
  • Binden Sie das Team ein: Gibt es andere, die Spaß an dieser Aufgabe haben? Können diese unterstützen oder die Aufgabe ganz übernehmen?
  • Erkennen Sie unterschiedliche Stärken an: Nicht jeder muss alles machen. Gute Führung nutzt individuelle Talente gezielt – gegebenenfalls in einem anderen Projekt oder Abteilung.

Führungsimpuls:

„Wie können wir diese Aufgabe erledigen, ohne dass du selbst zu sehr involviert bist?“ Eine solche Frage entlässt den Mitarbeiter nicht aus seiner Verantwortung, aber aus der operativen Umsetzung.

Fazit: Führung beginnt mit Fragen, nicht mit Forderungen

Warum tun Mitarbeiter nicht einfach, was sie sollen? Diese Frage klingt simpel, doch ihre Antwort ist vielschichtig. Wer in der Führung Verantwortung trägt, muss sich genau dieser Komplexität stellen. Denn Verhalten im Arbeitskontext ist selten rein willentlich gesteuert. Viel häufiger ist es Ausdruck struktureller, fachlicher oder motivationaler Hindernisse und lässt sich mit dem Dreiklang Können – Dürfen – Wollen systematisch und menschlich zugleich erschließen.

Dreiklang: Können - Dürfen - Wollen

Nicht können verweist auf fehlende Fähigkeiten, Methoden oder Erfahrung. Doch wo Defizite sichtbar werden, ist nicht Versagen im Spiel, sondern ein Aufruf zur Entwicklung. Fachliche Lücken sind keine Schwäche, sondern ein natürlicher Teil jedes Lernprozesses. Führung heißt hier: Raum schaffen für Wachstum, ohne Gesichtsverlust.

Nicht dürfen macht deutlich: Auch der motivierteste und kompetenteste Mitarbeiter kann scheitern, wenn Strukturen, Prozesse oder fehlende Mandate ihn ausbremsen. Hier ist Führung gefragt, die Regeln hinterfragt, Systeme anpasst und Handlungsfähigkeit bewusst überträgt. Wer Verantwortung will, muss sie auch nicht nur auf dem Papier bekommen.

Nicht wollen offenbart schließlich: Ohne innere Beteiligung bleibt jedes Tun flach. Motivation lässt sich nicht erzwingen, aber sie lässt sich verstehen, stärken und gezielt nutzen. Gute Führung erkennt: Nicht jeder kann alles gleich gut und das ist in Ordnung. Was zählt, ist, Talente richtig einzusetzen, Aufgaben passend zu vergeben und den Dialog offen zu halten.

Können – Dürfen – Wollen ist mehr als ein Analysemodell. Es ist eine Einladung zum Perspektivwechsel, weg vom schnellen Urteil, hin zur echten Ursachenforschung. Es fordert von Führungskräften die Bereitschaft, nicht nur Verhalten zu bewerten, sondern Verständnis für Bedingungen und Beweggründe zu entwickeln. Es verlangt Neugier, Empathie und den Mut zur Selbstreflexion: Was habe ich als Führungskraft beigetragen oder versäumt?

Mein Plädoyer: Wenn etwas nicht läuft, wie geplant, dann beginnen Sie nicht mit Kritik, beginnen Sie mit Fragen. Und zwar mit den richtigen:

  • Was braucht dieser Mensch, um sein Potenzial entfalten zu können?
  • Was blockiert gerade seine Selbstwirksamkeit?
  • Was motiviert ihn wirklich – und was vielleicht auch nicht?

So entsteht ein Führungsstil, der Menschen nicht nur „führt“, sondern befähigt. Der nicht nur Leistung einfordert, sondern Voraussetzungen für Leistung gestaltet.

 

Hinweise:

Marei Bauer unterstützt Führungskräfte dabei, wirksame, menschenzentrierte Führung mit Struktur, Klarheit und Vertrauen zu leben. Sind diese Themen in Ihrem Team ebenfalls relevant, schreiben Sie ihr gerne. Leicht können Sie über ihre Website oder auf LinkedIn Kontakt aufnehmen.

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Marei Bauer
Marei Bauer

Marei Bauer ist systemischer Business Coach mit Wurzeln in der Beratung und im klassischen Projektmanagement. Heute gestaltet sie vertrauensvolle Zusammenarbeit und menschenzentrierte Führung in Organisationen. Ihr Fokus liegt auf selbstorganisierten Teams, neuen Führungsverständnissen und der Frage, wie Arbeitsumfelder geschaffen werden können, in denen Menschen ihr Potenzial entfalten.

Dabei verbindet sie analytisches Denken mit einem feinen Gespür für zwischenmenschliche Dynamiken und organisationale Entwicklung. Ihre Expertise umfasst auch die Konzeption und Moderation von Workshops und Trainings. In diesen stößt sie nachhaltige Veränderungen an und entwickelt gemeinsam mit den Beteiligten tragfähige Arbeitsstrukturen.

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