INVEST-Prinzip
INVEST-Prinzip – erfolgreiche Softwareentwicklung mit guten User Storys
Das INVEST-Prinzip ist ein hilfreiches Konzept, um qualitativ hochwertige User Storys in der agilen Softwareentwicklung zu erstellen. [1] INVEST steht für die folgenden Kriterien:
- Independent (Unabhängig): User Storys sollten so gestaltet sein, dass sie unabhängig voneinander umgesetzt werden können. Dadurch wird die Planung und Priorisierung erleichtert, da keine Abhängigkeiten bestehen, die die Umsetzung behindern könnten.
- Negotiable (Verhandelbar): Eine User Story sollte nicht als Vertrag betrachtet werden. Eine gute Story fasst das Wesentliche zusammen, nicht die Details. Die Details der Story können und sollten durch Gespräche und Verhandlungen zwischen den Beteiligten geklärt werden.
- Valuable (Wertvoll): Jede User Story sollte dem Endnutzer oder Kunden einen klaren Mehrwert bieten. [2] Entwickler können berechtigte Bedenken haben, aber diese müssen so formuliert sein, dass der Kunde sie als wichtig empfindet. Wenn der Mehrwert nicht ersichtlich ist, sollte die Story überarbeitet oder möglicherweise verworfen werden.
- Estimable (Schätzbar): Eine User Story sollte so formuliert sein, dass das Entwicklungsteam in der Lage ist, den Umfang der Arbeit einzuschätzen. Wenn eine Story zu groß oder zu vage ist, sollte sie in kleinere, besser schätzbare Stories aufgeteilt werden. Die Schätzbarkeit ist zum Teil eine Funktion der Verhandlung, da es schwierig ist, eine Story zu schätzen, die wir nicht verstehen. Sie ist auch eine Funktion des Umfangs: größere Geschichten sind schwieriger zu schätzen. Und schließlich ist es eine Funktion des Teams: Was leicht zu schätzen ist, hängt von der Erfahrung des Teams ab.
- Small (Klein): User Stories sollten klein genug sein, um innerhalb eines Sprints abgeschlossen werden zu können. [3] Größere Storys, sogenannte Epics, sollten in kleinere, handhabbare Storys unterteilt werden.
- Testable (Testbar): Eine User Story sollte klare Akzeptanzkriterien haben, die eine Überprüfung der Umsetzung ermöglichen. Ohne diese Kriterien ist es schwierig zu bestimmen, ob die Story erfolgreich abgeschlossen wurde. [4]
Durch die Anwendung des INVEST-Prinzips können Teams sicherstellen, dass ihre User Storys klar, präzise und umsetzbar sind, was zu einer effizienteren und erfolgreicheren Softwareentwicklung führt.
Der Ursprung des INVEST-Prinzips
William Wake – ein US-Amerikanischer Programmierer, Trainer und Coach für agile Teams, der sich seit 1999 beginnend mit Extreme Programming (XP) mit agilen Methoden beschäftige – stellte das INVEST-Prinzip erstmals 2003 auf seiner Website XP123 vor. XP123 ist eine Ressource für Praktiken der agilen Softwareentwicklung, insbesondere Extreme Programming (XP). In einem Artikel beschrieb er die Prinzipien, die hinter guten User Storys stehen sollten, um sie effektiv und nützlich für agile Teams zu machen.
Der genaue Artikel, in dem er das INVEST-Prinzip vorstellte, trägt den Titel „INVEST in Good Stories, and SMART Tasks“. [5] In diesem Artikel führte er das Akronym ein und erklärte detailliert, wie jede Komponente des INVEST-Prinzips dazu beiträgt, die Qualität und Nützlichkeit von User Storys zu verbessern.
Stärken und Schwächen des INVEST-Prinzips
Das INVEST-Prinzip bietet zahlreiche Vorteile und bringt Herausforderungen mit sich, die nicht immer sofort offensichtlich sind.
Einer der Hauptvorteile ist die Schaffung von Klarheit und Verständlichkeit in User Storys. Indem man sich an die Prinzipien des INVEST-Akronyms hält, wird die Wahrscheinlichkeit verringert, dass Missverständnisse im Team auftreten. Dies führt zu einer effizienteren Kommunikation und Zusammenarbeit. Darüber hinaus erleichtert die Unabhängigkeit der User Storys die Planung und Priorisierung, da weniger Abhängigkeiten bestehen, die die Umsetzung behindern könnten. Teams können dadurch flexibler reagieren und Anpassungen vornehmen, ohne dass dies weitreichende Auswirkungen auf andere Teile des Projekts hat.
Ein weiterer Vorteil liegt in der verbesserten Schätzbarkeit von User Storys. Wenn User Storys klein und präzise formuliert sind, können Teams den Arbeitsaufwand besser abschätzen. Dies führt zu einer realistischeren Sprint-Planung und hilft, das Risiko von Über- oder Unterschätzungen zu minimieren. Außerdem stellt das Prinzip der Wertigkeit sicher, dass jede implementierte Funktionalität einen echten Mehrwert für den Nutzer bietet. Dies fördert eine stärkere Kundenorientierung und stellt sicher, dass das Team sich auf die wichtigsten Aspekte konzentriert.
Allerdings gibt es auch Grenzen und Herausforderungen bei der Anwendung des INVEST-Prinzips. Eine der größten Herausforderungen ist die Einhaltung der Unabhängigkeit von User Storys, besonders in komplexen Projekten. Es ist nicht immer einfach, User Storys zu erstellen, die völlig unabhängig voneinander sind, da oft technische oder geschäftliche Abhängigkeiten bestehen. Dies kann die Flexibilität und Anpassungsfähigkeit des Teams einschränken. Darüber hinaus kann die Verhandelbarkeit von User Storys zwar Flexibilität bieten, aber auch zu Verzögerungen führen, wenn zu viel Zeit in Verhandlungen investiert wird und die klare Definition der Anforderungen verwässert.
Die Schätzbarkeit von User Storys kann ebenfalls problematisch sein, insbesondere bei neuen oder technisch anspruchsvollen Aufgaben. Teams können Schwierigkeiten haben, den Arbeitsaufwand genau abzuschätzen, was die Planung erschwert. Das Prinzip der Kleinheit erfordert ein gutes Verständnis des Gesamtprojekts, um größere Epics in handhabbare User Storys zu zerlegen. Dies kann zeitaufwendig sein und erfordert eine sorgfältige Analyse und Planung.
Testbarkeit ist natürlich ein wichtiges Kriterium, da klare Akzeptanzkriterien sicherstellen, dass die Umsetzung den Kundenanforderungen entspricht. Ohne klare Testkriterien ist es schwierig zu bestimmen, ob eine User Story erfolgreich abgeschlossen wurde. Allerdings kann die konsequente Definition dieser Kriterien ebenfalls zeitaufwendig sein und erfordert Disziplin und Sorgfalt.
Ein weiterer Punkt, der nicht sofort ins Auge fällt, ist die praktische Anwendung des INVEST-Akronyms im Alltag. Es stellt sich die Frage, ob Teammitglieder das Akronym tatsächlich im Kopf haben, wenn sie User Storys erfassen, und ob es ihnen wirklich hilft, die Storys effektiv zu splitten. Hier zeigt sich, dass die theoretischen Vorteile des Prinzips nur dann zur Geltung kommen, wenn das Team entsprechend geschult und diszipliniert ist. Die konsequente Anwendung des INVEST-Prinzips kann in der Praxis eine Herausforderung darstellen, insbesondere wenn Teams unter Zeitdruck stehen oder wenn Mitglieder noch wenig Erfahrung mit agilen Methoden haben.
Insgesamt bietet das INVEST-Prinzip wertvolle Richtlinien für die Erstellung von User Storys und unterstützt die agile Entwicklung erheblich. Allerdings erfordert seine Anwendung in der Praxis Disziplin, Erfahrung und eine kontinuierliche Schulung des Teams, um die genannten Herausforderungen zu überwinden und sicherzustellen, dass die User Storys wirklich effektiv und nützlich sind.
Impuls zum Diskutieren
Was können Sie tun, damit das INVEST-Prinzip bei der Definition von User Storys dauerhaft zur Anwendung kommt?
Hinweise:
[1] Das INVEST-Prinzip ist im Kontext von Extreme Programming entstanden, einer inkrementellen, iterativen Methode zur Softwareentwicklung mit regelmäßiger Kundenbeteiligung und schnellem Feedback. Da User Storys heutzutage auch bei Produktentwicklungen jenseits der Softwareentwicklung genutzt werden, kann INVEST entsprechend auch bei Produktentwicklungen genutzt werden.
[2] Das gilt auch beim User Story Splitting. William Wake beschreibt es wie folgt: „Stellen Sie sich eine ganze Story als mehrschichtigen Kuchen vor: Netzwerkschicht, Persistenzschicht, Logikschicht und Präsentationsschicht. Wenn wir eine Story aufteilen, servieren wir nur einen Teil dieses Kuchens. Wir wollen dem Kunden die Essenz des ganzen Kuchens vermitteln, und das gelingt am besten, wenn wir die Schichten vertikal durchschneiden. Entwickler neigen oft dazu, nur an einer Schicht zu arbeiten, aber eine vollständige Datenbankschicht hat wenig Wert für den Kunden, wenn es keine Präsentationsschicht gibt. Jede Schicht muss für den Kunden wertvoll sein.“
[3] William Wake beschränkt den Arbeitsaufwand auf höchstens ein paar Personenwochen und erwähnt, dass andere Teams den Aufwand auf ein paar Personentage beschränken. Heutzutage findet die Begrenzung auf maximal einen Sprint meistens Zustimmung.
[4] „Testbarkeit“ war schon immer ein Merkmal guter Anforderungen; das frühzeitige Schreiben von Tests hilft zu erkennen, ob dieses Ziel erreicht wird. Wenn ein Kunde nicht weiß, wie er etwas testen soll, kann das darauf hindeuten, dass die Story nicht klar genug ist, dass sie nicht das widerspiegelt, was für den Kunden wichtig ist, oder dass der Kunde einfach Hilfe beim Testen braucht.
[5] Bill Wake: INVEST in Good Stories, and SMART Tasks
Hier können Sie sich das User Story Whitepaper herunterladen.
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