Toleranz und die Diversität von Meinungen
Corona verändert für viele Menschen, Familien und auch Unternehmen das Leben und Arbeiten. Manche Menschen und Organisationen erkennen darin Chancen, die sie beim Schopfe packen und für nachhaltige Veränderungen nutzen wollen. Andere kämpfen jeden Tag mit großen Problemen, mit finanziellen Herausforderungen, mit Einschränkungen oder persönlichen Konflikten. Und sicherlich wollen viele Menschen, Familien und Unternehmen gerne einfach zurück zur “Normalität”, also zu dem Leben, den Regeln und Abläufen, die sie gewohnt waren.
Wie ist das bei Ihnen? Fühlen Sie sich in der aktuellen Krise eventuell gefordert, im Rahmen der Selbstfürsorge verstärkt Eigeninitiative und Eigenverantwortung zu übernehmen? Wünschen Sie sich vielleicht mehr Informationen, deren Potenzial auf profundes Wissen schließen lassen? Oder sind Sie mit dem Status quo zufrieden?
Ich wünsche mir weniger Sturheit und Ignoranz, und mehr Toleranz und Meinungsaustausch. Als Gesellschaft, in Familien und in Unternehmen.
Meinungen und Meinungsverschiedenheiten
Wie in vielen Situationen vertreten Menschen auch in dieser Krise bilaterale Sichtweisen. Es gibt jene, die tolerant und souverän mit unterschiedlichen Meinungen und Ansichten umgehen, aber auch die, die glauben, die Wahrheit gepachtet zu haben, und stoisch auf ihre Sicht der Dinge beharren. Oftmals agieren Vertreter der zweiten Gruppe wie Missionare, die versuchen – gerne bspw. in Meetings – Menschen mit anderen Meinungen – fast auf Teufel komm’ raus – von ihren Meinungen zu überzeugen. Dass dies häufig zu einer Spirale führt, in der jeder auf seiner Meinung beharrt, ist nicht wirklich überraschend.
In einer solchen Situationen habe ich die Erfahrung gemacht, dass ein anderes Vorgehen deutlich zielführender ist:
- Hauen Sie Ihrem Gegenüber nicht Ihre Meinung wie einen nassen Lappen ins Gesicht.
- Stellen Sie stattdessen Fragen wie bspw. “Was glauben Sie, warum das so und so ist?” oder “Wie können Sie sich dieses und jenes erklären?”
Der Vorteil: Mit Fragen können Sie Opponenten lenken. Wer auf Fragen antwortet, muss in der Regel darüber nachdenken. Merken Sie dass Sie keine Antworten bzw. keine schlüssigen Antworten erhalten, können Sie durch Informationen, mit verständlichen Fakten und guten Argumenten in der Unterhaltung punkten. So und nur so, kann es gelingen, andere Teilnehmer von Ihren Argumenten und mit Ihrem Fachwissen zu überzeugen, ohne gleichzeitig zu missionieren.
Bewegung und Gegenbewegung
Es gibt ständig neue Themen, Konflikte und Probleme – doch selten gab es ein so omnipräsentes Thema, das global solch große Aufmerksamkeit auf sich gezogen hat, wie die jetzige Pandemie und die damit verbundene Krise. Ich persönlich bin froh, dass wir in Deutschland in einer Demokratie leben, in der es unterschiedliche Meinungen und Sichtweisen geben darf. Und auch wenn es manch einem schwer fallen mag, die Diversität der Meinungen ergibt eine Meinungsvielfalt, die mitunter für eine bunte Diskussionsvielfalt sorgt.
Finden Meinungen und Sichtweisen kein Gehör, werden sie im Laufe der Zeit lauter und mit mehr Nachdruck zum Ausdruck gebracht. Je nach Stärke der Bewegung kristallisiert sich eine starke Gegenbewegung heraus. Tatsächlich lässt sich oftmals beobachten, dass Menschen in Diskussionen versuchen ein Problem zu adressieren, für dass es genau einen Auslöser bzw. Schuldigen geben muss, den es zu finden gilt, um eine einzige, wahre Lösung zu identifizieren.
Nach meiner Erfahrung gibt es konstruktive Ansätze, die einen anderen, besseren Weg einschlagen und die auch zu einem anderen, besseren Ergebnis führen:
- Suchen Sie nicht nach den Schuldigen, sondern nach Wegen, die bestmöglich aus einer Krise, einem Problem oder einer Herausforderung führen.
- Versuchen Sie bewusst im Sinne einer konstruktiven Lösungsfindung alle Seiten für einen verbalen Austausch zu vereinen.
Natürlich hört es sich einfach an, wenn ich mir bspw. wünsche, dass sich Menschen an einen Tisch setzen und sich ruhig, tolerant und intelligent über ihre unterschiedlichen Meinungen austauschen. Und natürlich gibt es eine Menge an Gründen, die Menschen und ihr Verhalten beeinflussen: ein verletztes Ego, Eigeninteressen, Ängste, der Wunsch nach Kontrolle, Macht, das Bedürfnis Recht zu haben, Arroganz oder Überheblichkeit. Viele dieser Motive führen bei der Suche nach Schuldigen zu neuen Forderungen, zu Druck und durch die Gegenüberstellung von richtig oder falsch zu Gewinnern und Verlierern. In meiner Praxis als Konfliktmanagerin konnte ich sogar beobachten, dass ohne konsensorientiertes Gespräch und ohne den Austausch von Fachwissen und Sichtweisen alle Teilnehmer verlieren, auch diejenigen, die scheinbar als Sieger aus einer Diskussion hervorgehen.
Konflikte folgen Mustern
Ich hatte den Artikel mit der Frage begonnen, wie Sie sich gerade in Zeiten von Corona, mit den Herausforderungen, Problemen oder Chancen fühlen. Ich habe das Gefühl, dass es derzeit an vielen Ecken und Enden kracht. Menschen und Meinungen treffen im wahrsten Sinne des Wortes aufeinander, und es kommt – zumindest in meiner Wahrnehmung – zu sehr heftigen Konflikten. Auch dort, wo es sonst zwischenmenschlich gut zu klappen schien, gerät mitunter der Haussegen in Schieflage.
In einigen Fällen lassen sich Konflikte auf einfache Gründe zurückführen. Bspw. sind Menschen emotional sehr belastet. Kontaktverbote, veränderte Situationen, Existenzängste … gerade jetzt in der Krise kommen viele Faktoren zusammen, die nicht normal und nicht planbar sind. Viele Menschen geraten in Stress und infolgedessen sind sie angespannt und reizbarer. Das führt deutlich schneller zu Konflikten als sonst. Das gute Nachricht lautet: Konflikte folgen Mustern. Erkennen Sie diese Muster, dann können Sie die Konflikte auch auflösen:
- Konfliktspirale: Was mit dem Austausch von Daten, Fakten und Argumenten beginnt, führt durch einen (vermeintlichen) Angriff zu einer Verteidigungshaltung oder zum Kampf. Es folgen Wut, Ärger, Schuldzuweisungen, Anklagen, Ego, Verletzungen, Stolz, Sturheit, Macht, Kontrolle, Recht haben, Gier, Gewinn – je nachdem, welche Menschen im Konflikt miteinander stehen. Wem die Konfliktspirale bewusst ist, der kann sie verlassen.
- Reziprozität: Mit „wie du mir, so ich dir“ wird dieses Phänomen auch erklärt. Beispiel: Die Ehefrau arbeitet im Homeoffice und betreut parallel die Kinder, da die Kita geschlossen ist. Sie ist schon am Morgen gereizt und meckert ihren Mann an. Der nimmt den Ärger mit ins Büro und verteilt ihn an die ersten Mitarbeiter, die ihm begegnen, und diese geben im Laufe des Tages den Ärger an weitere Kollegen ab. Diese nehmen ihn dann am Abend mit nach Hause. Und während sich die „eigentliche“ Konfliktverursacherin am Abend bei ihrem Mann für die Ungerechtigkeit entschuldigt, zieht ihr Ärger weitere Kreise im Umfeld der Kollegen und deren Familien.
- Eigeninitiative: Die Schuld im Außen zu suchen, bringt uns nicht weiter – was stattdessen hilft, ist konstruktiv nach Lösungen zu suchen.
- Eigenverantwortung: Im Rahmen der eigenen Selbstfürsorge sollten wir selbst so kommunizieren und agieren, wie wir es uns von unserem Gegenüber wünschen. Wünschen wir uns profunde Kommunikation und wertschätzende Achtsamkeit, dann sollten wir lernen zuzuhören. Die besten Gesprächspartner sind gute Zuhörer.
- Konstruktive Werkzeuge: Fragen steuern Gespräche. Gutes Zuhören schafft Verbundenheit. Oberflächlichkeit weicht Aussagekraft.
Mein Appell für mehr Toleranz
Schließen möchte ich diesen Beitrag mit einem Appell. Ein Appell für mehr Toleranz. Toleranz für andere Meinungen und auch den Wert von anderen Meinungen. Die Diversität von Meinungen kann ein großartiges Hilfsmittel sein, wenn es darum geht, neue Wege zu beschreiten und neue Lösungen zu entdecken. Dazu ist es wichtig, sich auf das zu besinnen , was wirklich WERTVOLL ist. Für viele Menschen sind dies bspw.
- Anerkennung
- Achtsamkeit
- Aufmerksamkeit
- Wertschätzung
- …
Es ist vermessen, von Anderen etwas zu erwarten, war wir selbst nicht praktizieren. Wir können alle lernen – und sollten es auch tun. Ob wir Bundeskanzlerin, Ministerpräsident, Professor, Virologe, Abteilungsleiter, Entwickler, Produktmanager oder Pförtner sind – es ist nie zu spät, Konflikte und Krisen durch konstruktives Konfliktmanagement zu verändern. Es ist nie zu spät für Toleranz bei divergierenden Meinungen.
Hinweise:
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Weitere Informationen über Stephanie Huber finden Sie auf https://konsensation.de/. Als sehr gute Zuhörerin unterstützt Frau Huber sehr gerne beim Lösen von Konflikten.
Stephanie Huber hat hier im Blog weitere Beiträge veröffentlicht:
Stephanie Huber
Stephanie Huber ist Gründerin und Geschäftsführerin der konSENSation GmbH. Sie arbeitet mit Begeisterung als Mediatorin mit dem Schwerpunkt Wirtschaftsmediation und Konfliktmanagement und hilft Firmen und Führungskräften, das Betriebsklima zu verbessern.