Intuition im Projektmanagement

Gastbeitrag von | 02.10.2017

Die Planung und Steuerung von Projekten hat sich im letzten Jahrzehnt sehr verändert. Vorgehensweisen mit einer relativ starren Projektplanung sind heutzutage eher selten geworden. Mit agilen, iterativen Methoden reagiert das Projektmanagement auf die steigenden Unvorhersehbarkeit und Unplanbarkeit der Zukunft. Die Vorhersage der Zukunft war dabei schon immer eine eher magische Angelegenheit, allerdings hat sich doch einiges in den letzten Jahrzehnten geändert: Komplexität und Dynamik haben zugenommen. Dynexity, als unliebsame Kombination aus eben diesen beiden Zutaten, ist immer weiter im Vormarsch. Zusätzlich sehen wir uns eher mit Nichtwissen als mit Wissen konfrontiert. Das lässt sich einfach mit meinem „5-Eck des Nichtwissens“ verdeutlichen.

Das 5-Eck des Nichtwissens

Das 5-Eck des Nichtswissens zeigt, dass es mindestens fünf Ursachen für unser Nichtwissen gibt:

  • Unternehmen haben zu wenig Informationen. Für gute, fundierte Entscheidungen fehlen Unternehmen Zahlen, Daten und Fakten. Doch diese Situation gehört allmählich eher der Vergangenheit an, zumindest erhalte ich entsprechende Aussagen von Geschäftsführern, Vorständen und anderen Führungskräften, mit denen ich arbeite.
  • Unternehmen haben zu viele Informationen. Es gibt auch genau die gegenteilige Situation: Unternehmen haben zu viele Zahlen, Daten und Fakten, um sie zum Zeitpunkt der Entscheidung ausreichend verarbeitet zu haben. Die Hochrechnungen der International Data Corporation sprechen in diesem Zusammenhang Bände. Und tatsächlich war der Zuwachs an Datenströmen noch größer, als vorhergesagt. Ein Teufelskreis.
  • Die vorhandenen Informationen sind widersprüchlich. Informationen sind keineswegs immer konsistent und das erschwert die Beurteilung. Am Beispiel der Technikfolgenabschätzung lässt sich dies leicht erkennen: sind Atomkraftwerke sicher oder eher ein Risiko? Können Sie das einfach beurteilen? Ich nicht. Aber es gibt auch Entwicklungen beispielsweise in der Nano- oder Gentechnologie, deren Chancen und Risiken wir nicht widerspruchsfrei vorhersagen können. Aktuell: Sind E-Autos nun die Lösung unserer Umweltprobleme oder verschärfen sie sie vielleicht sogar?
  • Informationen sind nicht immer verständlich. Wir alle kommen oft genug in Situation, in denen wir Informationen nicht schnell genug verstehen. Zahlen, Daten und Fakten müssen erst in einem sinnvollen Kontext interpretiert werden. Und dabei entstehen oftmals Widersprüche.
  • Last not least sind Daten nicht immer vertrauenswürdig. Je größer eine Organisation, umso wahrscheinlicher werden mikropolitische Machtspiele. Das Streuen von falschen Informationen kann helfen, eigene Interessen durchzusetzen, am Stuhl eines anderen zu sägen, Projekte zu initiieren oder zu verhindern, etc.

Infolge der Globalisierung und der steigenden Dynexity nehmen diese Ursachen noch zu. Agile, iterative Methoden werden somit immer wichtiger, auch und gerade über die Steuerung des Projektmanagements hinaus. Aber was tun, wenn selbst in den heutzutage viel kürzeren Planungszyklen immer noch zu viel Nichtwissen dominiert?

Die Entscheidungskultur im Unternehmen

Was unterscheidet Menschen (noch) von Maschinen? Es ist unter anderem unsere Intuition. Es ist die Fähigkeit, unbewusst zu beurteilen, ohne im Nachhinein unsere Erkenntnisse oder Handlungsimpulse begründen zu können. Es ist „Mind over Machine“. Es ist eine wichtige Ressource, die bis heute im beruflichen Kontext nur unsystematisch genutzt wird. Dürfen Sie in Ihrem Unternehmen etwas intuitiv – ohne Belege, Zahlen, Fakten – entscheiden? Werden Sie zur Intuition ermutigt oder wird eine intuitive Entscheidung gerade so akzeptiert? Wie sieht also die Entscheidungskultur in Ihrem Unternehmen aus? Und was passiert bei Fehlentscheidungen, die natürlich auch bei intuitiv getroffenen Entscheidungen früher oder später vorkommen werden?

Intuition und Komplexität

Häufig wird in Unternehmen argumentiert, die Welt wäre viel zu komplex, um uns auf individuelle Intuition verlassen zu können. Das ist richtig und falsch. Richtig, weil natürlich niemand Gott ist und eine allwissende Intuition zur Verfügung hat. So werden auch intuitiv Fehlentscheidungen getroffen. Es ist aber auch eine geradezu naive Falschaussage. Jedes menschliche Urteil einer neurologisch gesunden Person ist IMMER eine Mischung aus rationalen, emotionalen und intuitiven Aspekten. Experimente haben eindeutig gezeigt, dass Menschen bei fehlendem Zugriff auf ihre Emotionen – beispielsweise bei Schäden des Gehirns – : keine rational sinnvollen Entscheidungen treffen können. Wir sind auch in unserer Vernunft von unseren Emotionen und unserer Intuition abhängig. Darüber hinaus haben wir im Berufsleben oft nicht die Zeit, die zu treffende Entscheidung erst mit einer Big Data Analyse abzusichern.

Fazit

Wir können nicht nur, wir sollten die Intuition auch in dialogische, konsultativ geführte Entscheidungsprozesse einbeziehen. Es geht darum, die Intuition der einzelnen Teammitglieder gemeinsam auf ihre Wahrscheinlichkeit und mögliche Folgen hin zu überprüfen. Es geht darum, herauszufinden, was passiert, wenn wir der Intuition folgen und was, wenn wir dies nicht tun. Mit unserer intuitiven Urteilsbildung verfügen wir über einen neurologischen Mechanismus zur Wahrnehmung und Verarbeitung von Informationen. Dieser Mechanismus geht weit über unsere Fähigkeit der rationalen Entscheidungsfindung hinaus. Das bedeutet allerdings keine Umkehrung der heutigen Verfahrensweise: den Kopf auszuschalten und nur noch auf den Bauch zu hören funktioniert natürlich auch nicht. Es geht darum, den bislang sehr einseitigen, rationalen Entscheidungsstil um die machtvollen Möglichkeiten emotionaler, intuitiver Entscheidungen zu bereichern. Es geht darum, unsere Gefühle und unsere Intuition ins Entscheidungskalkül einzubeziehen. Bauch, Herz UND Kopf sind ein starkes Team. Es lebe die Intuition im Projekt, im Unternehmen, im Beruf und im Miteinander.

Hinweise:

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Feel it!: So viel Intuition verträgt Ihr Unternehmen

“Feel it!: So viel Intuition verträgt Ihr Unternehmen”, Bestseller von Dr. Andreas Zeuch über individuelle Führungskompetenz und Führungskultur in Unternehmen. Inklusive zahlreiche Interviews mit  Top-Managern aus Unternehmen wie Deutsche Bank, Bauspar AG, de Sede AG, Zumtobel AG, CHANEL Deutschland und vielen mehr.

Dr. Andreas Zeuch hat weitere Beiträge im t2informatik Blog veröffentlicht, u.a.:

t2informatik Blog: Was ist New Work?

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t2informatik Blog: Hybride Organisationen – Lösung oder Problem?

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Dr. Andreas Zeuch
Dr. Andreas Zeuch

Dr. Andreas Zeuch ist als freiberuflicher Berater, Trainer, Speaker und Autor tätig. Er begleitet Unternehmen auf ihrem Weg zu mehr Mitbestimmung und Unternehmensdemokratie. Seine Bücher „Alle Macht für niemand. Aufbruch der Unternehmensdemokraten“ und „Feel it!: So viel Intuition verträgt Ihr Unternehmen“ sind Bestseller und liefern viele praktische Beispiele.