Gute Führung ist so einfach
Der Laden ist meistens voll und entsprechend viel zu tun haben die Mitarbeiter. Es gibt keine feste Zuordnung zu Tischen, man kann jeden ansprechen und jeder kümmert sich aufmerksam um die Gäste. Und was macht der Chef? Er sitzt meistens an einem Hochtisch in der Nähe des Eingangs. Aber wenn es hektisch wird, dann wird er aktiv und hilft beim Wegtragen von Geschirr oder stellt sich an die Bar und füllt Getränke ein. Dabei ist er nie in Kontakt mit seinen Gästen. Stets unauffällig im Hintergrund unterstützt er sein Personal.
Der Gastwirt aus Mainz hat bestimmt keine Führungsseminare besucht und besondere Methoden gelernt. Es ist seine Art, seine Haltung, die ihn zu einer guten Führungskraft macht und dadurch zu einem erfolgreichen Unternehmer mit mehreren Gastroobjekten. Ich glaube es ist klug, für mich als Führungskraft, von erfolgreichen anderen Führungskräften zu lernen. Ich glaube von ihm können wir drei Dinge lernen:
- Mitarbeiter stärken,
- sie Wertschätzen und
- mit Vision leiten.
Modern Leader machen Ihre Mitarbeiter groß
Unser Gastwirt unterstützt seine Mitarbeiter, damit sie ihre eigentliche Arbeit gut machen können. Das bedeutet auch, dass er sich selbst zurücknimmt und nicht in den Vordergrund schiebt. Der Mainzer Gastwirt ist eine bekannte Szenepersönlichkeit, der auch gerne im Mittelpunkt steht. Aber er trennt die Situation. Wenn er in seinem Laden ist, nimmt er sich zurück, und ordnet sich ganz freiwillig unter.
Er zeigt uns, wie wichtig ein engagiertes Team für den Erfolg ist. Und er zeigt, dass Engagement durch Verantwortung entsteht. Wenn er ständig präsent bei den Gästen wäre und alle Fragen persönlich regeln würde, würden sich seine Mitarbeiter wahrscheinlich kontrolliert und kleinteilig gesteuert fühlen. So kann kaum Spaß und Motivation entstehen. Er vertraut und unterstützt. Wenn das schon bei relativ einfachen Tätigkeiten wie der Arbeit in einer Gaststätte funktioniert, wieviel wirkungsvoller muss das sein, wenn die Mitarbeiter komplexe Tätigkeiten verantworten?
Wenn wir gute Führungskräfte sein wollen, sollten wir unsere Mitarbeiter in den Vordergrund stellen. Sie groß machen und die eigene Bedeutung zurücknehmen. Dann bekommen wir engagierte Mitarbeiter. Ein wichtiger Aspekt, dabei ist, dass auch kein Mitarbeiter ins kalte Wasser geworfen werden sollte. Ein vernünftiges Heranführen an die Aufgaben und Unterstützung bei den ersten Schritten ist wichtig. Mit der wachsenden Kompetenz bei den Mitarbeitern entsteht Selbstvertrauen und bei der Führungskraft auch das Vertrauen, dass der Mitarbeiter selbstständig arbeiten kann.
Ich persönlich finde diesen Teil übrigens am schwierigsten. Es erfordert eine gute Beobachtungsgabe und die Bereitschaft auch kleine Fehler oder Missverständnisse zu akzeptieren. Groß werden die Mitarbeiter dann, wenn die Führungskraft nach außen die Verantwortung für die Fehler übernimmt und nach innen in einem persönlichen Gespräch mit dem Mitarbeiter konstruktiv und lösungsorientiert den Fehler analysiert und schaut, was in Zukunft besser gemacht werden kann.
Alle Mitarbeiter sind gleich viel wert
Als ich einmal eine Mitarbeiterin nach der Rechnung gefragt habe, hatte sie mir diese schnell gebracht, obwohl sie mich vorher nicht bedient hatte. Weil ich mit meiner ersten Bedienung sehr zufrieden war, fragte ich neugierig, wie mit dem Trinkgeld verfahren wird. Sie erklärte mir, dass das gesamte Trinkgeld des Tages unter allen Mitarbeitern gleich aufgeteilt wird. Egal, ob sie bedienen oder in der Küche Abwasch machen. Deutlicher kann man nicht zeigen, dass alle Mitarbeiter wichtig sind und zum Erfolg des Ladens beitragen.
Auch das ist nach meiner Erfahrung ein wichtiger Aspekt von Führung. Das freiwillig gegebene Trinkgeld drückt sehr direkt Wertschätzung aus. Sicherlich ebenfalls ein starkes Signal von Wertschätzung ist die aktive Unterstützung des Chefs auch bei einfachsten Tätigkeiten. Auch das zeigt sehr deutlich, dass alle Aufgaben wichtig sind. Deswegen bin ich auch ein großer Freund davon, dass das Management immer wieder Seite an Seite mit ihren Mitarbeitern in den Kernprozessen präsent ist, und unterstützt oder zumindest präsent ist und interessiert an den Aufgaben.
In komplexeren Aufgaben sind Aufmerksamkeit und Interesse die wichtigsten Instrument, um Wertschätzung zu zeigen. Wenn ein Chef weiß, woran seine Mitarbeiter arbeiten und ihnen immer wieder im Gespräch die Möglichkeit gibt, darüber zu erzählen, fördert das sehr stark und direkt die intrinsische Motivation und auch die Loyalität der Mitarbeiter. Vorausgesetzt der Chef fragt nur interessiert nach und drückt sein Vertrauen in die Lösungskompetenz des Mitarbeiters aus und fängt nicht an, ungefragt Lösungsvorschläge zu machen. Das ist für mich als analytischer Problemlöser ein langer Lernprozess gewesen! Auch hier gilt: es ist viel wirkungsvoller sich selbst zurücknehmen, anstatt zu zeigen, was man drauf hat…
Und im Sinne der Gleichwertigkeit aller Mitarbeiter lohnt es sich, seine Zeit gut auf alle zu verteilen. Auf die, die super arbeiten genauso wie auf die „schwierigeren“ Mitarbeiter.
Gute Führung gibt eine Richtung vor
Etwas weniger deutlich ist die Vision des Gastwirts. Sie hängt nicht über dem Tresen. Und dennoch durchdringt sie spürbar den Laden und leitet alle Mitarbeiter. Der Chef will einen Ort schaffen, an dem man sich entspannen kann und als Gast gerne hingeht. Dazu gehört der Betrieb im gehobenen Restaurant im Winter genauso wie chillige Loungesessel am Rheinstrand.
Ich kann mich noch gut an einen Abend erinnern, an dem ein paar Freunde und ich mit einem Kumpel feiern wollten. Zur Überraschung habe ich eine Lounge reserviert. Eigentlich hatten wir die nötige Mindestzahl an Gästen nicht erreicht und dennoch durften wir Platz nehmen und in der Lounge feiern. Entschieden hat das spontan die Bedienung. Es musste kein Chef gefragt werden. Und wir waren glückliche und zufriedene Gäste.
In vielen Unternehmen wird von Vision gesprochen und viel Wert auf die Entwicklung einer solchen gelegt. In der Regel sind sie aber beliebig, austauschbar und entfalten kaum eine Wirkung. Konsequenterweise wird nach ein paar Jahren eine Managementberatung engagiert, um eine neue zu entwickeln. Ob diese dann authentisch zum Unternehmen, zu den Inhabern passen kann?
Wenn aber jeder Mitarbeiter spürt, was der Unternehmenszweck ist, und dass er ernst gemeint ist, dann kann sich alles darauf ausrichten. Dann hat der einzelne Mitarbeiter eine Orientierung, um in seinem Rahmen Entscheidungen zu treffen. Und mehr noch, er kann überprüfen, ob das Unternehmen zu seinen eigenen Wertvorstellungen passt. Auch das stärkt Motivation und Loyalität. Und genau das lebt der Gastwirt selbst vor. Authentisch und aufrichtig. Das reicht, es braucht kein Vision- oder Missionstatement. Es reicht deutlich zu machen, wo man hin will.
Vier Dinge, die ich als Führungskraft lerne
Was habe ich in der Beobachtung des Mainzer Gastwirtes gelernt?
- Mach deine Mitarbeiter groß. Halte dich selbst zurück und unterstütze deine Mitarbeiter, wenn es nötig ist.
- Behandle alle Mitarbeiter gleich. Schenke ihnen dieselbe Aufmerksamkeit. Alle sind wichtig für den Erfolg.
- Entwickle eine authentische Vision für deine Einheit. Lebe sie vor.
- Und nicht zuletzt: Suche Beispiele guter Führung und lerne von Ihnen. Du kannst sie überall finden. Bei dem Gastwirt oder in deiner Nachbarabteilung. Bei den DAX-Vorständen genauso wie beim Mittelständler in deiner Region. Beim Fußball oder im Ballett.
Gute Führung ist so einfach, mit der richtigen Haltung.
Hinweise:
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Zu guter Führung gehören weitere Aspekte wie das Lösen von Konflikten, die Teamentwicklung, die Verbesserung von Prozessen, die Weiterentwicklung seiner Einheit und und ganz wichtig, sich selbst zu steuern. Interessieren Sie sich für diese Themen, dann empfehlen wir Ihnen gerne das Buch Modern Leading – Methoden sind Nebensache von Dr. Eric Heinen-Konschak.
Diesen Beitrag finden Sie auch im kostenlosen Blogpaper Führung – Sieben Perspektiven zu Führung.
Dr. Eric Heinen-Konschak hat zwei weitere Beiträge im t2informatik Blog veröffentlicht:
Dr. Eric Heinen-Konschak
Dr. Eric Heinen-Konschak verfügt über 30 Jahre Erfahrung als Führungskraft. Von 2006-2018 leitete er die IT-Abteilung der GIZ, davor war er in verschiedenen Leitungspositionen bei Lufthansa und Lufthansa Systems tätig. Heute leitet er ein Digitalisierungsprojekt in der Entwicklungszusammenarbeit der GIZ und hilft nebenberuflich Führungskräften und Teams auf dem Weg in die agile Welt.