Führung durch Moderation lernen
Meine Karriere als Moderatorin begann vor mehr als zehn Jahren in einem Design Thinking Training. Während ich dachte, dass ich dort bin, um kreativer zu werden, war das Training die Initialzündung für meine Reise in die Welt der der Moderation und der Führung.
Ich erlernte eine Vorgehensweise, bei der ein Schritt auf den anderen aufbaut und jeder Schritt durch die Nutzung von Methoden unterstützt wird. Und im Rahmen dieses Trainings moderierte ich zum ersten Mal – völlig ohne Anleitung.
Ehrlich gesagt überforderte mich das Moderieren im Training total und auch die ersten von mir angeleiteten Workshops waren eher dilettantisch. Einige meiner Peers, die dieselbe Ausbildung durchlaufen hatten, taten sich genauso schwer.
Ich dachte, der Moderator sei für ALLES zuständig: vorbereiten, vorausdenken, Prozess und Methoden erklären, mitarbeiten, mitdenken, dokumentieren, präsentieren. Und wenn die Teilnehmer am Ende mit dem Ergebnis unzufrieden sind, ist das natürlich allein die Schuld des Moderators. Es war anstrengend und psychisch belastend.
Gottseidank musste ich nicht jeden Tag moderieren.
Angeborene Talente und die Metaebene
Es mag unlogisch klingen – aber ich moderierte trotz der damit einhergehenden Belastungen weiter und ich wurde auch häufig für Moderationen angefragt. Die Leute fanden, dass ich die „geborene“ Moderatorin bin und mir schmeichelte das ungemein. Also machte ich weiter und wurde sogar zur Trainerin im Design Thinking Curriculum in meiner Firma. Ich brachte fortan anderen das Moderieren im Rahmen von Design Thinking bei. Und um ehrlich zu sein, hatte ich immer noch nicht wirklich Ahnung davon. Und vielleicht war das mein Glück.
In diesem Training beobachtete ich andere Personen beim Moderieren.
Ich war auf der Metaebene gelandet, ohne den Begriff je gehört zu haben.
Von da an ging es bergauf.
Gemeinsam mit anderen Trainern analysierte ich Beobachtungen und gemeinsam fanden wir Muster und Tipps, wie gute Moderationen funktionieren.
Erkenntnis: Du vermittelst viel mehr als Design Thinking oder Kreativität – Du vermittelst Führung!
Moderation und Design Thinking wurden meine Leidenschaft und mein Geschäftsmodell. Im Jahre 2014 hielt ich mein erstes offenes Design Thinking Training für die Firma gezeitenraum, die ich gemeinsam mit meinem Mann Christian 2012 gegründet hatte.
Im Rahmen dieses Trainings erhielt ich ein Feedback, das meine Arbeit und mein Verständnis von Moderation seither auf den Punkt gebracht hat – ein gestandener Unternehmer sagte zu mir:
„Das was Du hier vermittelst, geht weit über Kreativität hinaus – es ist ein Führungstraining. Ich habe durch Dein Training verstanden, dass ich als Führungskraft viel mehr moderieren sollte. Moderation zwingt mich dazu, meinen Mitarbeitern zuzuhören und ihnen Freiraum zu geben. Und ich lerne, dass Ergebnisse auch gut sind, wenn ich keinen inhaltlichen Beitrag dazu geleistet habe.“
Dieses Feedback hat mich bis heute nicht losgelassen. Für mich ist Moderation das beste Führungstraining.
Welche Gemeinsamkeiten haben Moderation und Führung?
Ein Blogbetrag ist natürlich kein Training, aber ich will versuchen, meine wichtigsten Erkenntnisse über die Gemeinsamkeiten von Moderation und Führung hier zu skizzieren:
- Schaffung eines Rahmens, innerhalb dessen jedes Teammitglied seine Stärken und Potentiale optimal einbringen kann.
- Klare Aufträge geben und trotzdem Ergebnisoffenheit ermöglichen.
- Die Fähigkeit, es zu ertragen, sich inhaltlich zurückzuhalten.
- Ausgleich zwischen unterschiedlichen Charakteren im Team schaffen.
- In ungewissen Situationen den nächsten Schritt einleiten, auch wenn noch nicht alles klar scheint.
- Konflikte planen, statt sich von ihnen überraschen zu lassen.
- Das Team ermutigen, ins Tun zu kommen und im Zweifel schnell zu scheitern.
- Entscheidungen delegieren.
- Verantwortung tragen, ohne alle Entscheidungen selbst treffen zu wollen.
- Ständig Feedback geben, annehmen und reflektieren.
Wie lässt sich durch Moderation die Führungskraft trainieren?
- Probieren Sie zunächst Moderation nach Kochbuch aus, also bspw. mit einer Schrittabfolge mit zugeordneten Methoden wie bspw. beim Design Thinking.
- Begrenzen Sie die Moderationen zeitlich. Beginnen Sie mit kurzen Phasen und steigern Sie die Dauer nach und nach.
- Gestalten Sie Moderationsaufgaben spielerisch, indem Sie z.B. gemeinsam mit Kollegen in zwei Stunden ein neues Gesellschaftsspiel entwerfen.
- Probieren Sie Moderation im privaten Umfeld aus, bspw. durch die gemeinsame Planung des Ferienprogramms mit Ihrer Familie.
- Steigern Sie mit Zunahme an Erfahrung die Bedeutung der Aufgaben.
- Sehen Sie von Zeit zu Zeit bewusst anderen beim Moderieren/Führen zu und leiten Sie daraus Erkenntnisse und Anregungen ab.
- Finden Sie Ihren eigenen Stil und hinterfragen Sie diesen regelmäßig.
- Nutzen Sie das Feedback aus dem letzten Workshop als Anregung/Experiment für Ihren nächsten Workshop.
Meine wichtigsten Tipps für Moderatoren und Führungskräfte
1. Feedback ist Ihr täglich Brot.
Gute Moderation und gute Führung funktionieren nur, wenn Teams die Möglichkeit haben, sich einzuspielen. Und dafür braucht es Feedback. Nicht einmal im Jahr sondern ständig. Nicht immer funktional, sondern auch aus Kommentaren im Vorbeigehen aufgeschnappt. Sie müssen nicht jegliches Feedback umsetzen, aber annehmen müssen Sie es. Dasselbe gilt für Ihr Team.
2. In ungewissen Situationen sind sowohl Ziel als auch Weg unbekannt.
Ihre Rolle ist nicht so zu tun, als würden Sie bereits alle Antworten kennen, sondern die Zuversicht zu vermitteln, dass Sie Teams sicher und vorwärtsgerichtet durch solche Situationen navigieren können.
3. Sie sind dafür verantwortlich, Strukturen zu schaffen, die Ihre Teammitglieder dann mit Inhalten füllen.
Diese Strukturen können sich sowohl in zeitlich begrenzten Räumen wie Meetings und Workshops wiederfinden, als auch in länger laufenden Projekten oder Routineaufgaben. Strukturen sind z.B. Agenda, Zeitplanung, Aufbau der Schritte, Methoden, vorbereitete Vorlagen.
4. Bleiben Sie flexibel.
Nicht alles lässt sich genau vorbeiplanen. Planen Sie Puffer für Umwege und Konflikte ein. Werfen Sie im Zweifel auch mal Ihren Plan über Bord und planen Sie gemeinsam mit Ihrem Team. Optimalerweise können alle in Ihrem Team selbst zumindest rudimentär moderieren.
5. Betrachten Sie nichts als klar und selbstverständlich.
Schaffen Sie immer wieder Gelegenheiten, um ein gemeinsames Verständnis herzustellen.
6. Bringen Sie eigene Inhalte ein – aber wägen Sie gut ab, wann der richtige Zeitpunkt dafür ist.
Seien Sie sich bewusst, dass viele Menschen dazu neigen, ihre eigenen Ideen als „falsch“ zu beurteilen, sobald andere Personen (vor allem Führungskräfte) eine Richtung geäußert haben. Manchmal braucht es auch Geduld – Dinge, die Sie selbst im Kopf haben, werden oftmals nur kurz später vom Team geäußert. Notieren Sie Ihre eigenen Ideen und bringe Sie diese nur dann ein, wenn sie nicht vom Team selbst kommen.
7. Lassen Sie Teammitglieder so oft wie möglich erst ihre eigenen Gedanken notieren bevor gesprochen wird.
Auf diese Art und Weise erhalten Sie das volle Spektrum der Ideen. Außerdem kommen so auch introvertierte Personen zu Wort.
8. Dirigieren und schaffen sie immer wieder Raum für echten Austausch.
Sowohl in Workshops als auch in Routinesituationen kommt es vor, dass Menschen unterschiedlich viel Raum einnehmen. Das ist völlig in Ordnung, denn wir brauchen ganz unterschiedliche Charaktere, so wie auch ein Orchester lautere und leisere Instrumente benötigt und auch nicht alle gleich häufig zum Einsatz kommen (Triangel, Pauke vs. Trompeten und Violinen). Ihre Rolle ist es, die Zeitpunkte zu erkennen und zu steuern, an denen Raum für die unterschiedlichen Impulse nötig ist.
9. Sie sind für alles verantwortlich, aber Sie verlassen Sich auf Ihr Team und lassen es selbst Entscheidungen treffen.
Das ist vielleicht der schwierigste Punkt. Eine Führungskraft meinte dazu einmal: „Jaja – alle wollen mitentscheiden, aber am Ende muss ich den Kopf dafür hinhalten.“ Ich lasse gerne Steve Jobs darauf antworten: „It doesn’t make sense to hire smart people and then tell them what to to. We hire smart people so they can tell us what to do.“
Mal ganz ehrlich – wann mussten Sie häufiger den Kopf hinhalten – wenn Sie alle Entscheidungen selbst getroffen haben oder wenn Ihre sorgfältig ausgewählten und erfahrenen Mitarbeiter dies getan haben? (Im Zweifel bleiben Ihnen immer noch Punkt 1 und Punkt 6.)
10. Fail Fast statt Fail Big.
Übersetzen Sie Fail Fast bitte nicht mit schnellem Scheitern, sondern mit schnellem Fehler machen. Beim Fail Fast geht es darum, dass Sie versuchen, ein Fail Big zu verhindern. Und es geht darum, immer wieder ins Tun zu kommen, auszuprobieren und vorwärts zu gehen, selbst wenn noch nicht alles klar ist.
Abschließende Gedanken und Quintessenz
Wenn sich Moderation und Führung leicht anfühlen, dann ist das nie angeboren. Es ist das Resultat von viel Übung und Selbstreflexion.
In meinen „besten“ Moderationen fühle ich mich eher wie ein Beobachter, der fast unsichtbar das Geschehen verfolgt. Ich interveniere dann intuitiv und versuche minimalinvasiv vorzugehen.
Mit dem Unternehmer, der mich auf die Verbindung zwischen Design Thinking, Moderation und Führung gebracht hat, bin ich bis heute in Kontakt. Zwei Wochen nach dem Training rief er mich übrigens an und meinte: „Bei Dir hat sich das alles so logisch und leicht angefühlt. Mein erster eigener Moderationsversuch war ziemlich heftig und total verkopft. Ich muss wohl noch üben.“
Das meiste von dem, was ich über die Jahre über Moderation und Führung gelernt habe, entspringt meinen eigenen Experimenten, Austausch und Beobachtung mit und von anderen großartigen Moderatoren und der Lektüre vieler Bücher zum Thema Moderation und Führung.
Meine Quintessenz daraus ist:
„Alles wird leichter mit einer gemeinsamen Richtung, Inspiration und immer neuen Momenten des Weiterkommens. Verstehen Sie, was Ihr Team ausmacht, wie Sie gemeinam kreative Lösungen finden und zusammen Ihren Weg gestalten.“
Hinweise:
Interessieren Sie sich für weitere Tipps aus der Praxis? Testen Sie unseren wöchentlichen Newsletter mit interessanten Beiträgen, Downloads, Empfehlungen und aktuellem Wissen.
Sie können Inga Wiele als Moderatorin und Trainerin buchen, wenn Sie jemanden benötigen, um wieder ein Stück weiterzukommen. Oder wenn Sie lernen wollen, wie Sie Ihre eigene Führungskraft durch Moderation stärken können.
Hier finden Sie Termine für Trainings zum Thema „Design Thinking“ und „Moderation entlang von Design Thinking“.
Und falls Sie eine gute Struktur und inspirierende Methoden für Workshops suchen, dann ist das von Inga Wiele mitverfasste und illustrierte Buch „Design Thinking Schnellstart“ sehr zu empfehlen.
Inga Wiele hat einen weiteren Beitrag im t2informatik Blog veröffentlicht:
Inga Wiele
Inga Wiele liebt es, Menschen zu ermuntern, sich auf neue Wege einzulassen. Dabei versteht sie es, die verschiedenen Sichtweisen der Beteiligten zu erkennen und Teams zu fördern. Hindernissen begegnet sie mit der Analyse zur gekonnten Gegenstrategie – immer das Ziel vor Augen, den Kurs wieder in Sichtweite zu bekommen.
Inga hat Betriebswirtschaft an der Berufsakademie Stuttgart studiert. Einige Jahre Erfahrung als Software-Beraterin in Deutschland und in Boston/USA haben sie gelehrt, Kontexte schnell zu verstehen, und es ihr ermöglicht, bei SAP, wo sie fast 14 Jahre tätig war, kundenorientiert Produktinnovationen voranzubringen. In dieser Zeit war sie auch zwei Jahre Mitglied des Aufsichtsrats der SAP AG.
2011 wurde Inga an der d.school des Hasso-Plattner-Instituts in Potsdam zum Design Thinking Coach ausgebildet und war aktiv als Projektcoach und Trainer am Roll-Out dieser Arbeitsmethode bei der SAP AG beteiligt.
Seit 2014 ist sie selbständig als Geschäftsführerin der Firma gezeitenraum, die sie mit ihrem Mann Christian gegründet hat. In Sankt Peter-Ording verwirklichen beide ihren Traum, am Meer zu leben und Stürme zu meistern. Inzwischen wurd gezeitenraum sieben Mal von brand eins und statista als eine der besten Unternehmensberatungen ausgezeichnet.