Erfolgsfaktor Emotionale Kompetenz
Wenn ich von dem Nutzen unserer Gefühle im Projektalltag spreche, dann erscheint das für manche auf den ersten Blick eher suspekt. Was haben Gefühle im Arbeitsalltag zu suchen, wo Rationalität, Analyse und ein klarer Verstand gefragt sind?
Gott sei Dank bemerke ich in den vergangenen Jahren einen Gegentrend: Immer mehr Menschen haben es satt, dass im Business alles auf Funktion, Messbarkeit und Kontrolle getrimmt wird. Immer mehr Menschen entdecken die Bedeutung ihrer Gefühle. Sie sprechen offen über Wertschätzung, ihre persönlichen Motive aber auch ihre Ängste und Sorgen und schaffen so die ersten, zarten Ansätze eines neuen Bewusstseins im Business. Denn unsere Gefühle gehören zu uns als Menschen, sie sind individuell, subjektiv und je nach Temperament und Persönlichkeit sehr unterschiedlich. Begeisterung, Inspiration und Neugier sind die Grundlage der intrinsischen Motivation. Mitgefühl und Empathie sind die Basis für eine gute Kooperation und Zusammenarbeit. Gefühle unterscheiden den Menschen von der Maschine.
Aber sie haben auch den Nimbus der Unberechenbarkeit. Wir sind es einfach nicht gewohnt, auf unsere Gefühle zu achten und diese auch ernst zu nehmen. Erst recht nicht im harten Business. Wir wissen oft gar nicht, wie wir mit unseren Gefühlen so umgehen, dass es uns selbst und anderen gut tut und unterstützt. Sich das einzugestehen, das erfordert erst einmal Aufrichtigkeit und Mut.
Emotionale Kompetenz heißt sich selbst und andere besser zu verstehen. Das ist für eine erfolgreiche Zusammenarbeit einfach unabdingbar.
Bevor ich Ihnen jetzt 3 Tipps zur Weiterentwicklung Ihrer emotionalen Kompetenz gebe, möchte ich erst noch was zum Nutzen unserer Gefühle allgemein sagen. Natürlich immer im Kontext des Projektalltags.
Gefühle sorgen für Farbe, Dynamik und Bewegung
Unsere Gefühle bringen Farbe in unser Leben – gerade auch unseren Arbeitsalltag. Sie sorgen für Dynamik und Bewegung. Denn stellen Sie sich vor:
- Sie könnten sich nicht mehr für neue Ideen, eine neue Herausforderung begeistern?
- Sie würden nicht mehr wütend oder ärgerlich, wenn Ihr Arbeitskollege oder Sie selbst angegriffen oder ungerecht behandelt werden?
- Sie spüren keinen Stolz und keine Zufriedenheit mehr, wenn Sie Ihr Projekt erfolgreich abgeschlossen haben?
- Sie wären nicht frustriert, wenn Sie morgens Ihr E-Mail-Account öffnen und 50 neue Nachrichten finden, Sie aber gleich schon ins erste Meeting müssen?
- Sie empfinden keine Freude und Zufriedenheit mehr, wenn Sie gerade ein anregendes Gespräch mit Ihrem Teamkollegen über eine Problemlösung geführt haben, das Sie wirklich weitergebracht hat?
Auch wenn Ihnen bei diesen Beispielen sicher nicht alles gefällt, aber wie eintönig, wie leblos wäre das denn? Ich weiß allerdings auch, dass viele von uns ihre Gefühle und Stimmungen gar nicht bewusst wahrnehmen. Weil sie in der Hektik und Betriebsamkeit des Arbeitsalltags einfach untergehen. Weil wir sie nicht wirklich ernst nehmen und ihre Bedeutung nicht erkennen. Manche haben Schwierigkeiten ihre Gefühle wahrzunehmen und zu benennen. Ich kenne das selbst auch, auch mir ist die wahre Bedeutung meiner Gefühle erst in den letzten Jahren so richtig bewusst geworden. Auch wenn Sie Ihre Gefühle nicht bewusst wahrnehmen, sie sind trotzdem da. Sie sind dann in Ihrem Unbewussten verborgen und triggern von da aus viele emotionalen Reaktionen und Handlungen. Das Wegdrücken unangenehmer Gefühle ist auch keine Lösung. Vor allem dann nicht, wenn Ihre Gefühle eine wichtige Botschaft für Sie bereithalten. Denn diese wichtige Nachricht würden Sie dann ja einfach nicht bekommen. Sie hätten dann nicht die Gelegenheit darauf zu reagieren und Ihr Verhalten anzupassen.
Ich behaupte deshalb: Ein bewusster, konstruktiver Umgang mit unseren Gefühlen ist ein wichtiger Erfolgsfaktor. Gerade wenn es um die Zusammenarbeit mit anderen Menschen oder die Gestaltung von Veränderungen geht. Was ja in der Projektarbeit immer der Fall ist. Deshalb habe ich hier 3 Tipps für Sie, die Sie in Ihrem Projektalltag gleich mal ausprobieren können:
Gefühle sind der Messwert für Ihren Energielevel
Man kann es auf einen ganz einfachen Nenner bringen: Angenehme Gefühle geben Ihnen Energie, unangenehme Gefühle kosten Sie Energie. Stellen Sie sich vor, in Ihrem Inneren befindet sich ein Akku, der sich während des Tages ständig auf- oder entlädt. Immer dann, wenn Sie eine für Sie angenehme Situation erleben, ein inspirierendes Gespräch mit einem Teamkollegen oder ein gutes Meeting, in dem Sie viele Tipps erhalten haben, lädt sich Ihr innerer Akku über die damit verbundenen angenehmen Gefühle wie Freude, Dankbarkeit oder Zuversicht auf. Ihr Gehirn schüttet Wohlfühlhormone aus und Sie fühlen sich auch körperlich gut.
Bei unangenehmen Gefühlen passiert das Gegenteil. Manche von Ihnen kennen vielleicht sogenannte Grübelschleifen, in die wir immer dann geraten, wenn wir in unseren Problemen feststecken:
- Hätte ich die Präsentation nicht kürzer machen können?
- Wäre es nicht besser gewesen, ich hätte dem Bereichsleiter schneller geantwortet?
- Wie soll ich es bloß schaffen, diesen engen und eigentlich unrealistischen Abgabetermin einzuhalten?
Diese Gedanken lösen unangenehme Gefühle wie Angst, Frustration, Ohnmacht oder Ärger aus. Wir bauen inneren Druck auf und wenn wir es nicht schaffen, aus einem solchen Teufelskreis aus negativen Gedanken und Gefühlen auszusteigen, kosten uns solche Situationen sehr viel Kraft und Zeit. Körperlich gesehen schütten wir eine Menge Stresshormone wie beispielsweise Kortisol aus, das bis zu 6 Stunden in unserem Körper verbleiben kann.
Unsere Emotionen sind sozusagen die Verbindung zwischen Körper und Geist. Das konnten auch finnische Wissenschaftler belegen. Die haben 700 Personen danach befragt, wo Sie ihre Emotionen im Körper spüren. Angst empfinden wir beispielsweise in der Umgebung unseres Herzens, Schwermut zeigt sich in unseren Gliedmaßen und Freude empfinden wir sogar im ganzen Körper.
Indem Sie also bewusst auf Ihre Gefühle achten, bauen Sie ein Frühwarnsystem für Ihre Kraftquellen und Energielecks auf. Und an diesen Punkten können Sie dann gezielt ansetzen, um positive Veränderungen herbeizuführen.
Tipp # 2
Unangenehme Gefühle sind nicht erfüllte Bedürfnisse
Wie ich schon sagte, macht es gar keinen Sinn, Ihre unangenehmen Gefühle einfach wegzudrücken. Das wäre ungefähr so, als würden Sie den Überbringer schlechter Nachrichten köpfen und damit mundtod machen. Hinter unangenehmen Gefühlen wie Angst, Ohnmacht, Wut oder Ungeduld steckt meistens eine Botschaft verborgen.
Ich gebe Ihnen dazu mal ein Beispiel: Bevor ich in ein Meeting gehe, bereite ich Themen in der Regel gut vor. Ich habe meine Lösung also praktisch schon fertig in der Tasche. Das wäre an sich nicht schlimm, wenn ich nicht ab und zu dabei die Erwartung hätte, dass meine Lösung genau so angenommen wird, wie ich sie vorschlage. Die anderen Teilnehmer sie also einfach nur noch abnicken müssen. In Teammeetings, wo alle gemeinsam eine Lösung finden wollen, kommt das allerdings nicht so gut an. Die Teammitglieder wollen mitgestalten und meine fertige Lösung nicht einfach übergestülpt bekommen.
Ich selbst habe in solchen Situationen die Erwartung, dass die Lösungsfindung auf diese Weise schneller gehen könnte. Wenn ich bewusst mit meinen Gefühlen umgehe, dann bemerke ich in solchen Situationen meine aufsteigende Wut, den Ärger, den ich empfinde, weil genau diese Erwartung nicht erfüllt wird. Und meine Lösungsvorschläge nicht die nötige Anerkennung finden.
Wenn ich dieses Muster kenne, dann kann ich innehalten und entsprechend agieren. Ich kann mein Verhalten sofort in der Situation ändern und auf die Bedürfnisse der anderen Teammitglieder eingehen. Dann sind diese auch viel offener, sich mit meinem Vorschlag doch vielleicht mal näher zu beschäftigen. So kann ich meine unangenehmen Gefühle als Botschaft verstehen, die mich darauf aufmerksam macht, dass hier etwas nicht stimmt. Manchen meiner Kunden fällt es schwer Nein zu sagen. Das ist meist mit einem Gefühl der Hilflosigkeit oder Ohnmacht verbunden. Wenn uns dieses Muster nicht bewusst ist, dann gehen wir entweder automatisch in eine aggressive Abwehrhaltung und lehnen Unterstützung kategorisch ab oder wir nehmen jede Anforderung an, die an uns herangetragen wird. Je nach Persönlichkeit oder Situation. Auch hier lohnt es sich, sich die Zeit zu nehmen, um seine persönlichen Muster und die dahinter liegenden Bedürfnisse kennenzulernen. Um dann eine passende und bewusste Handlung auszuwählen. Anstatt wie im Autopilot zu reagieren und immer die gleichen frustrierenden Erfahrungen zu machen.
Achten Sie also gerade auch auf Ihre unangenehmen Gefühle und finden Sie heraus, welches Muster, welche Botschaft sich dahinter verbirgt.
Trainieren Sie angenehme, aufbauende Gefühle
Zu emotionaler Kompetenz gehört auch die Fähigkeit, aufbauende Gefühle wie beispielsweise Gelassenheit, Wertschätzung oder Dankbarkeit aktiv einzuüben. Das können Sie gerade in stressigen, herausfordernden Situationen nutzen, um Ihren inneren Akku wieder aufzuladen.
Das Training dieser „emotionalen Fitness“ funktioniert ähnlich, wie man eine Sprache lernt. Je bewusster, intensiver und öfter Sie eine neue Sprache anwenden, umso erfolgreicher und schneller können Sie mit anderen kommunizieren. Bewusstsein, Intensität und Frequenz, das sind auch die richtigen Ansatzpunkte, um Ihre emotionale Fitness zu trainieren.
Um bewusster mit angenehmen Gefühlen umgehen zu können, ist es wichtig, dass Sie diese überhaupt bemerken:
- Bei welchen Aufgaben fühlen Sie sich besonders wohl?
- Arbeiten Sie lieber alleine oder im Team?
- Gefallen Ihnen Tätigkeiten, die Genauigkeit erfordern oder macht es Ihnen mehr Freude ein Konzept auszuarbeiten oder eine kreative Lösung zu finden?
- Welche Gefühle lösen diese Aufgaben/Tätigkeiten ganz konkret in Ihnen aus?
- Welche Wirkung hat das auf Ihre Arbeitsqualität und die Zusammenarbeit mit anderen?
Wenn Sie wissen, was Ihnen gut tut und Sie stärkt, dann können Sie in solchen Situationen die damit verbundenen angenehmen Gefühle wie Freude, Zufriedenheit oder Begeisterung bewusst und intensiv fühlen, sie sozusagen auskosten. So können Sie auf einfache Art und Weise beginnen, angenehme Gefühle zu stärken und zu trainieren.
Indem Sie Ihre Aufmerksamkeit immer mehr auf angenehme und positive Begebenheiten in Ihrem Arbeitsalltag lenken, verstärken Sie die entsprechenden neuronalen Netzwerke in Ihrem Gehirn. Wenn Sie es schaffen, dabei zu bleiben, verstärkt sich dieses Muster immer mehr. Dann nehmen Sie automatisch immer mehr positive Dinge in Ihrem Alltag wahr. Es wird zu einer neuen Gewohnheit, die Sie aufbaut und stärkt. Einfach indem Sie Ihre Wahrnehmung verändern.
Auf diese Weise laden Sie Ihren inneren Akku auf und tanken Kraft und Energie. Und die brauchen Sie ganz dringend bei alle den Herausforderungen, die Ihr Projektalltag so mit sich bringt.
Mit emotionaler Kompetenz zum erfüllenden Projektalltag
Jetzt wissen Sie, warum ich gerade den bewussten Umgang mit unseren Gefühlen für so wichtig erachte. Emotionale Kompetenz ist der Schlüssel zu einem zufriedenen, erfüllenden Projektalltag.
Ich glaube, dass gerade dadurch, dass wir in der Vergangenheit alles rational mit dem Verstand lösen wollten, das Gefühl entsteht, einfach nur noch zu funktionieren. Wie eine Maschine, die keine Gefühle hat. Wir vermissen Wertschätzung und haben keine Klarheit über unsere Bedürfnisse, weil wir gelernt haben, unsere Gefühle nicht zu beachten. Fangen Sie am besten heute noch damit an, Ihre Gefühle ernst zu nehmen und Ihre emotionale Kompetenz weiter zu entwickeln. Das Gute dabei ist: Diese Ressource ist in jedem von uns vorhanden, wir müssen sie nur wieder hervorholen und stärken.
Hinweise:
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Martina Baehr hat weitere Beiträge im t2informatik Blog veröffentlicht, u. a.
Martina Baehr
Martina Baehr ist Arbeits- und Organisationspsychologin und Inhaberin von Projektmanagement plus – mit dem richtigen Mindset zum Projekterfolg. Als Projektbegleiterin und Mindsetcoach unterstützt Sie Ihre Kunden dabei sich innere Stärke aufzubauen. So dass sie aus ihrer vollen Kraft heraus handeln und ihre Projekte ganz entspannt zum Erfolg bringen. In ihrem Mindset-Blog schreibt Sie über Neues Denken, emotionale Intelligenz, Intuition und wertschöpfende Zusammenarbeit.
Martina Baehr arbeitete in verschiedenen mittelständischen Unternehmen als Projektleiterin sowie als Abteilungsleiterin für die interne Prozess- und Systemberatung und verfügt über mehr als 15 Jahre Erfahrung in der Leitung großer Reorganisations- und IT-Projekte.