Elternzeit – Gesetze, Gefühle, Gewinnchancen
Inhaltsverzeichnis
Gesetz – der Rechtsanspruch auf Elternzeit
Und der Arbeitgeber muss immer mitspielen?
Vor 19 Jahren – Elternzeit = Müttersache
Heute = die Väter sind dran, oder?
Kombinationsmöglichkeiten – wer geht und wenn ja wie lange
Elternzeit in Krisenzeiten
Fazit: Mit Spielräumen von Arbeitszeit auf Bedürfnisse einzahlen
Kinder hat man im Gegensatz zur Elternzeit eben nicht mal nur für eine kurze überschaubare Zeit, aus Arbeitnehmersicht ist also eine begrenzte Elternzeit eigentlich generell zu kurz gegriffen. Und aus Arbeitgebersicht andererseits immer zu ungewiss oder zu lang und häufig eine große Herausforderung für das Unternehmen, da der Arbeitgeber Einschränkungen seiner Planungsfähigkeit und Planungssicherheit hinnehmen muss, die aus seiner Sicht die Stabilität und Leistungsfähigkeit seiner betrieblichen Organisation betrifft, mit der er doch im Wettbewerb gegen Konkurrenten bestehen will und muss. Und aus Sicht der Politik wird es aus demografischen Gründen natürlich begrüßt, wenn Kinder kommen und die Eltern die Vergrößerung der Familie auch genießen können. Gleichzeitig will und darf man die Firmen aber nicht überfordern, da ohne im Wettbewerb erfolgreiche Firmen nicht die von der Politik ersehnten und auch schon langfristig verplanten Steuereinnahmen und Sozialversicherungsbeiträge erwirtschaftet werden könnten.
Wenn ein neuer Mensch auf die Welt kommt, sind also sehr viele und alle sehr legitime Interessen von Kind, Eltern, Kollegen, Unternehmen und auch dem Staat berührt; Interessen, die sehr behutsam in einen Ausgleich gebracht werden müssen. Ein Gewinner / Verlierer System wäre hier vom Ansatz her falsch, die Interessen aller Beteiligten müssen gewahrt werden, sonst wird das System von den Beteiligten nicht akzeptiert und würde nicht erfolgreich gelebt bzw. im Sinne der Sache funktionieren. Dass Elternzeitsystem muss also das Kunststück hinbekommen:
- Glückliches Kind.
- Nicht zu sehr gestresste Eltern – also auch eine zeitgemäße Rollenverteilung zwischen Mutter und Vater.
- Keine überforderten, sondern in ihrem Markt immer noch erfolgreiche Firmen.
- Keine überforderten Kollegen, die die Arbeit ja häufig mitmachen müssen, wenn Mutter bzw. Vater in Elternzeit sind.
- Und hohe Einnahme für den Staat, der ja die Kita-Plätze gewährleisten muss, damit die Eltern in absehbarer Zeit wieder mehr arbeiten können.
Das wäre die Kurzversion. Für die Langversion habe ich die aktuellen Regelungen und Erfahrungen einmal gegenübergestellt, die diesen Ausgleich der Interessen aktuell gestalten.
Gesetz – der Rechtsanspruch auf Elternzeit
Elternzeit im Rechtssinne benennt den Zeitraum nach der Geburt eines Kindes in welchem Arbeitnehmer von der Arbeit – zum Zwecke der Kinderbetreuung – freigestellt werden. Dieses Recht auf Elternzeit ergibt sich aus dem Bundeselterngeld- und Elternzeitgesetz (BEEG), vgl. § 15 Absatz 1 BEEG.
Voraussetzung ist, dass der Anspruchsberechtigte in einem Arbeitsverhältnis steht. Dabei ist es nicht relevant, ob das Arbeitsverhältnis in Vollzeit, als Minijob oder befristet oder unbefristet besteht. Auszubildende, Arbeitnehmer genauso wie leitende Angestellte haben Anspruch auf Elternzeit. Sogar bei einem Arbeitgeberwechsel hat der Mitarbeiter Anspruch auf Elternzeit dann gegenüber dem neuen Arbeitgeber. Nicht nur die leiblichen Eltern sondern auch Mitarbeiter, die in einem bestimmten familienrechtlichen Verhältnis zu dem zu erziehenden Kind stehen, wie z. B. Großeltern, Adoptiveltern oder Stiefmütter oder Stiefväter, können Elternzeit beanspruchen, vgl. § 15 Abs. 1 BEEG. Es ist möglich, dass Eltern auch gemeinsam Elternzeit nehmen. Jeder Elternteil ist dabei immer für sich zu betrachten.
Ein Anspruch auf Lohnfortzahlung durch den Arbeitgeber besteht in dieser Zeit nicht, denn das Arbeitsverhältnis ruht, vgl. § 18 Absatz 1 Satz 1 BEEG. Gleichzeitig genießt der Mitarbeitende den Schutz vor Kündigungen.
Um Elternzeit zu erhalten, ist es notwendig, dass der Arbeitnehmer die Elternzeit frühzeitig innerhalb bestimmter Fristen schriftlich bei seinem Arbeitgeber anzeigt. Je nach Alter des Kindes bestehen hier unterschiedliche Fristen:
- Für den Zeitraum bis zum vollendeten 3. Lebensjahr des Kindes muss der Antrag spätestens 7 Wochen vor Beginn der Elternzeit beantragt werden.
- Für den Zeitraum zwischen dem 3. Geburtstag und dem vollendeten 8. Lebensjahr des Kindes muss der Antrag spätestens 13 Wochen vor dem Beginn der Elternzeit dem Arbeitgeber vorliegen. § 16 Abs. 1 Satz 1 BEGG verlangt zudem, dass der jeweils gesamte Elternzeitanspruch des betreffenden Zeitraums innerhalb der Fristen verlangt werden muss – also auch etwaige Teile nach Unterbrechungen.
An diesen Fristen ist erkennbar, wie das Gesetz hier beim Antrag auf Elternzeit versucht, verschiedene Interessen, – z. B. das kurzfristig entstehende Interesse der werdenden Eltern und genauso das berechtigte Interesse der Firma an einer Reaktionsmöglichkeit – gleichzeitig zu berücksichtigen.
Und der Arbeitgeber muss immer mitspielen?
Der Arbeitgeber hat dem Arbeitnehmer die beantragte Elternzeit zu bescheinigen. Die gesetzlichen Regeln und damit auch der Anspruch auf Elternzeit sind – bei fristgemäßer und schriftlicher Geltendmachung – zwingendes Recht. Sie können auch nicht einvernehmlich zuungunsten des Mitarbeiters eingeschränkt oder gar abgedungen werden.
Aber dann, wenn sich private Umstände während der Elternzeit verändern, und diese vorzeitig beendet oder auch verlängert werden soll, bedarf es der gesonderten Zustimmung des Arbeitgebers, vgl. § 16 Absatz 3 BEEG. Auch hier findet sich also wieder eine Berücksichtigung beider Interessenslagen, was eine Gewinnchance für alle ermöglicht.
Es lohnt sich also sich in jedem Fall frühzeitig zu informieren, zu planen und sich die Gesetzgebung zu Nutze zu machen.
Vor 19 Jahren – Elternzeit = Müttersache
Mal knapp eine Generation zurück geschaut auf Elternzeit Anfang des Jahrtausends: 3 Jahre waren für Mütter auch „damals“ schon drin, inklusive des Kündigungsschutzes, also eines gesicherten Arbeitsverhältnisses. Allerdings musste das nur auf dem Papier existieren und die ursprüngliche Stelle wurde nicht freigehalten. Eine zusätzliche Väterzeit war nicht vorgesehen.
Einen Einblick in ihre Erfahrungen hat mir hier Julia gegeben: „Wir haben uns natürlich Gedanken darüber gemacht, wessen Karriere pausieren soll und die Wahl fiel – wie so oft, auf meine. Dazu gehörten rein biologische Überlegungen wie das Stillen, rationale wie der höhere Verdienst meines Mannes aber auch traditionelle. Nicht weil wir es mussten, sondern weil wir es auch so gut fanden. Ich habe direkt die vollen drei Jahre eingereicht, weil mein damaliger Arbeitgeber unverhohlen signalisierte, dass weder Teilzeit noch eine Verlängerung nach einem oder zwei Jahren eine Option darstellen würden. Also direkt die sichere Variante und ja, auf drei ‚freie‘ Jahre habe ich mich gefreut – letztlich wurden vier daraus, weil das 2. Kind direkt hinterherkam und ich es für sinnvoller hielt direkt komplett auszusetzen als immer wieder neu anzufangen. Was sich so geplant anhört, war aber auch einfach Luxus. Denn mein Mann hat natürlich viel weniger vom Babyalltag mitbekommen. Oft war es sogar am Wochenende mit gemeinsamer Betreuung anstrengender, als wenn ich ‚mein‘ Programm durchgezogen habe. Im Konzern meines Mannes war es ein offenes Tabu in Elternzeit zu gehen. Und gleichzeitig spiegelte sich das in allen Spiel-, Turn- und Krabbelgruppen wider: Männer Fehlanzeige. Elternzeit ist Frauensache – auch im 21. Jahrhundert.“
Dafür sprechen nach wie vor die Gehaltsentwicklung und der Teilzeitanteil von Frauen – von Gleichberechtigung weit entfernt.¹
Heute = die Väter sind dran, oder?
Die zusätzliche Elternzeit für Väter: sie ist in den Unternehmen angekommen. Elternzeit ist schon selbstverständlicher geworden – wenn auch in einer passend gemachten Konstellation. Denn über die 2 Pflichtmonate hinaus hat sich noch nicht so viel geändert.
Immerhin, Sven hat mir erzählt, was diese 2 Monate bedeutet haben: „Dass ich Elternzeit nehmen würde, war klar ab dem Moment, an dem ich wusste, dass ich Vater werde – eigentlich schon davor. Das gehört dazu. Aber ganz ehrlich, bei allen Gefühlen, allem Stolz und aller Zeit, die ich mit meiner Familie am liebsten rund um die Uhr verbringen würde – es muss auch finanziell passen. Und daraus ergibt sich neben dem ‚Wünschen‘ auch ganz schnell das ‚Können‘. Die zwei Monate aber, die sind es trotzdem wert. Im ersten Monat meiner Elternzeit – ich habe die Monate, wie wohl viele Väter, auf den Anfang und das Ende des ersten Lebensjahres verteilt – war es Familienzeit. Unterstützung vor allem auch für meine Frau. Und der letzte Monat – da ging es dann tatsächlich in eine reine Väterzeit über. Mit toben und spielen und so ist es bis heute geblieben – trotz Vollzeitjob. Es lohnt sich in jedem Fall, aber es geht auch darum, dass wir alle unsere Rolle einnehmen und am besten wirksam für die Familie sind. Für manche bedeutet dies alle Tätigkeiten ‚fair‘ zu verteilen, für uns bedeutet dies gemeinsam zum besten Ergebnis zu kommen. Fair ist subjektiv – und flexibel ist dafür perfekt!“
Für Unternehmen stellen diese beiden Monate inzwischen „überbrückbare“ Zeiten dar – auch wenn das heißt, dass das Team die Elternzeit mit auffangen muss. Auch hier spielen Interessen und Gefühle eine Rolle. Gerade darum geht eine stabile Organisationsstruktur Hand in Hand mit der Familienfreundlichkeit eines Unternehmens. Väter, die wirklich Väter sind, muss ein Unternehmen genauso tragen können wie Mütter, die wirklich Mütter sind. Denn umgekehrt tragen diese ja auch das Unternehmen.
Es gibt aber durchaus Berufe, in denen die zwei monatige Zusatzzeit enorme Schwierigkeiten mit sich bringt: In Schulen beispielsweise gibt es für solche „Kurzausfälle“ keinen Ersatz und in Zeiten von Lehrermangel bedeutet das fast unweigerlich Unterrichtsausfall. Kleine und mittlere Unternehmen haben kleine Teams – da fällt das Fehlen einer Vollzeitstelle sofort ins Gewicht!
Wenn man feststellt, dass eine Elternzeit von Vätern mit 4 Monaten schon überdurchschnittlich lang ist, dann wissen wir, dass Arbeitgeber und Gesellschaft durchaus noch an den Rahmenbedingungen arbeiten können.²
Kombinationsmöglichkeiten – wer geht und wenn ja wie lange
36 Monate Elternzeit pro Elternteil. Das klingt erstmal nach viel Zeit. Für den Arbeitgeber bedeutet dies in erster Linie Planung und Organisation. Aufgrund der Möglichkeit, die Elternzeit in drei Zeitabschnitte zu „zerlegen“, zwischen denen der Mitarbeitende wieder arbeiten kommt und der Option innerhalb der Elternzeit bis zu 30 Stunden zu arbeiten, gibt es im Vorfeld nur einen einzigen richtigen Weg: offene Kommunikation.
Denn ebenso wie die Elternzeit für den Arbeitnehmer inzwischen wesentlich mehr Chancen und Flexibilität bietet, bietet sie dies auch dem Arbeitgeber. Gut eingearbeitete Fachkräfte, Menschen, die ins Team passen und die unschätzbar viel Wissen angesammelt haben – die muss man als Arbeitgeber halten wollen. Darum gilt es frühzeitig zu überlegen, wie eine Lösung für die Elternzeit aussehen kann. Das kann von Teilzeitbeschäftigung über Homeoffice bis hin zur gemeinsamen Suche einer Vertretungskraft gerade für längere Auszeiten reichen. Und auch mit genau diesen „Elternzeitvertretungen“ gilt es offen zu kommunizieren: über Perspektiven, Aufgaben und ihren Wert für das Unternehmen. Denn eines ist sicher, dass sich die Elternzeit zwar planen lässt, nicht aber das Leben. Genau darum kann es für alle Beteiligten sinnvoll sein, neben Plan A auch Plan B und C in der Tasche zu haben. Zum Wohl, zum Schutz und zum Zeitgewinn für alle Vertragspartner.
Elternzeit in Krisenzeiten
Wie sahen eigentlich Elternzeiten in den letzten drei Monaten während der Corona-Pandemie aus? Da mag es sicher unterschiedliche Meinungen gegeben haben. Es werden gute und weniger gute Erfahrungen gemacht worden sein. Vom Genießen der sehr intensiven, menschlich nahen Zeit bis zu erdrückender Enge und Gewalt in Wohnungen. Insgesamt hat Familienzeit durch die räumliche Verdichtung einen viel höheren Stellenwert bekommen – oder zumindest einen höheren zeitlichen Umfang. Fast automatisch also war insbesondere die strikte Zeit des #stayathome für Familien eine besondere Art Elternzeit. Dies und Homeoffice haben sehr deutlich gezeigt, wie Elternzeit funktionieren kann und was vielleicht auch besonders herausfordernd ist. Fast einhellig ist die Meinung darüber, dass „Care Arbeit“ in dieser besonderen Zeit stärker auf Frauen und Mütter verteilt wurde, als es in unserer modernen und vermeintlich gleichberechtigten Gesellschaft wünschenswert gewesen wäre. Nicht zuletzt ist diese Krisenzeit noch einmal ein deutlicher Indikator für die Notwendigkeit neuer Regelungen, vor allem aber für eine offene Einstellungen und einer Haltung – sowohl auf Seiten der Arbeitgeber wie auch der Arbeitnehmer – gegenüber Familien, Eltern und Kindern geworden. Nicht weniger als das bedeutet gesellschaftliche Verantwortung.
Fazit: Mit Spielräumen von Arbeitszeit auf Bedürfnisse einzahlen
Ganz so spitz wie Jochen König zuletzt in der Zeit würde ich es nicht formulieren – „Wer Vollzeit arbeitet und unter sieben Monate in Elternzeit geht, sollte das Sorgerecht verlieren„.
Die Vereinbarkeit von Familie und Beruf aber steht für die meisten Menschen an erster Stelle, wenn es um ein „Lebensziel“ geht. Wir wissen alle, dass, sobald es im Privatleben schwierig wird (familiär, gesundheitlich oder eben durch einen externen Einfluss wie die Coronakrise), dies auch immer Auswirkungen auf die Arbeitsleistung hat. Eine Balance zu schaffen zwischen Ansprüchen des Arbeitnehmers und den organisatorischen Anforderungen des Arbeitgebers muss daher ein zentrales Ziel von Elternzeitregelungen sein. Für Arbeitgeber und Mitarbeiter können sich gerade hier viele Spielräume ergeben, um entsprechend ihren persönlichen, wirtschaftlichen und unternehmerischen Bedürfnissen Gestaltungsräume direkt zu verhandeln.
Hinweise:
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[1] https://www.diw.de/de/diw_01.c.741779.de/publikationen/wochenberichte/2020_10_2/gender_pay_gap_steigt_ab_dem_alter_von_30_jahren_stark_an.html
[2] https://www.bmfsfj.de/blob/127268/2098ed4343ad836b2f0534146ce59028/vaeterreport-2018-data.pdf
Aus Arbeitgebersicht geht es darum, den Mitarbeiter zu halten und ihm im Rahmen der organisatorischen und gesetzlichen Grenzen im Zeitmanagement zu unterstützen. Für den Arbeitnehmer bedeutet dies, neue Möglichkeiten einer flexiblen Arbeitszeitgestaltung zu bekommen, die es ermöglicht, in unterschiedlichen Lebensphasen unterschiedlich zu arbeiten. Dies immer wieder abzustimmen und auf den Prüfstand zu stellen schafft zukunftsfähige und nachhaltige Arbeitsplätze und vor allem eine Teamstruktur, in der jeder seinen Platz findet.
Britta Redmann hat verschiedene Bücher veröffentlicht, zuletzt „Agile Arbeit rechtssicher gestalten“. Hier finden Sie einen Überblick.
Britta Redmann hat im t2informatik Blog weitere Artikel veröffentlicht:
Britta Redmann
Britta Redmann ist als Anwältin, Mediatorin und Coach selbständig tätig und verantwortet bei einem Softwarehersteller den Bereich HR & Corporate Development. Sie ist Autorin verschiedener Fachbücher. Als Personalleiterin hat sie in verschiedenen Branchen Organisationsentwicklungen begleitet, geleitet und arbeitsrechtlich umgesetzt. Ihre besondere Expertise liegt auf der Entwicklung von Organisationen bis hin zu agilen und vernetzten Formen der Zusammenarbeit. Moderne Konzepte, wie z.B. zu Agilität, Arbeit 4.0 und Digitalisierung werden von ihr arbeitsrechtlich transformiert und organisatorisch implementiert.