Wie funktioniert echtes Lernen mit Serious Games?
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Wer die Zukunft nicht testet, verliert gegen diejenigen, die es tun!
Was, wenn Sie die Zukunft testen könnten, bevor sie passiert? Nicht nur theoretisch durchdenken, sondern wirklich erleben. Was würde das für Ihre Entscheidungen bedeuten? Stellen Sie sich einen Raum vor, in dem Sie Annahmen hinterfragen, neue Wege ausprobieren und erleben, wie Sie unter Druck handeln. Kein abstraktes Konzept, sondern eine echte Erfahrung. Hier können Sie testen, reflektieren und Strategien entwickeln, die sich nicht nur logisch anhören, sondern intuitiv richtig anfühlen – weil Sie sie selbst erlebt haben.
Das ist Lernen. Nicht als Konsum von Wissen, sondern als Experiment. Als echtes Erleben.
Theorie erklärt uns vieles. Doch wahres Verständnis entsteht erst, wenn wir es durchmachen. Ob Konfliktlösung, Verhandlungsführung oder Lean Management – Wissen wird erst wertvoll, wenn wir es in der Praxis testen. Serious Games schaffen diesen sicheren Raum, in dem Fehler keine Niederlagen sind, sondern Chancen für Wachstum.
Dieser Artikel zeigt, warum echtes Lernen erst beginnt, wenn wir es erleben – und wie genau das durch Serious Games möglich wird.
„Ich habe mehr als 9.000 Würfe verschossen. Fast 300 Spiele verloren. 26 Mal hätte ich das Spiel entscheiden können – und habe versagt. Ich bin immer wieder gescheitert. Und genau deshalb bin ich erfolgreich.“ – Michael Jordan [1]
Wie im Sport lernen wir auch im Spiel durch Fehlversuche – nicht durch reine Theorie. Erst durch Ausprobieren und Scheitern entwickeln wir echte Kompetenz.
Lernen durch Handeln und Anpassen
Lernen passiert nicht durch Zuhören, sondern durch Machen. Es ist ein Kreislauf aus Erfahrung, Reflexion, Theorie und Anwendung. Der Bildungsforscher David Kolb beschreibt dieses Konzept als erfahrungsbasiertes Lernen. [2] Seine Erkenntnisse basieren auf den Theorien des Entwicklungspsychologen Jean Piaget, der zeigte, dass Menschen Wissen entweder in bestehende Denkmuster integrieren oder ihre Sichtweise anpassen. Genau so entsteht echte Kompetenz.
Hier kommen zwei Praxisbeispiele, um es konkret zu machen:
- Eine Führungskraft erlebt in einem Serious Game, dass Kontrolle nicht immer zu besseren Ergebnissen führt. Sie merkt, dass klare Kommunikation und Vertrauen oft effektiver sind.
- Ein Teammitglied, das sich an feste Prozesse hält, erfährt in einem Lean-Management-Spiel, dass Standardisierung wichtig ist, aber Flexibilität entscheidend bleibt, um Verschwendung zu reduzieren.
Serious Games sind wie Spiegel für unser Denken. Sie lassen uns spüren, was funktioniert – und wo wir umdenken müssen.
Emotionen verankern Gelerntes
Emotionen sind der Klebstoff des Gedächtnisses. John Medina, Neurowissenschaftler und Autor von Brain Rules [3], erklärt, dass emotional geprägte Erfahrungen besonders gut haften bleiben. Serious Games aktivieren genau diese Mechanismen. Wenn sich Spielende beispielsweise durch eine Herausforderung arbeiten, empfinden sie oft Freude, Frustration oder Spannung – Emotionen, die das Erlebte tief verankern.
Weit bekannter ist die Flow-Theorie des Professors für Psychologie und Management Mihaly Csikszentmihalyi (vereinfacht ausgesprochen als „Tschick-sent-mi-hai“). [4] Er beschreibt Flow als Zustand völliger Vertiefung, in dem Lernen besonders effektiv ist. Totale Konzentration, passende Herausforderungen und echtes Engagement. Ein Serious Game bietet genau das: klare Ziele, unmittelbares Feedback und ein positives, belohnendes Erleben – auch wenn nicht immer alle Aufgaben im Spiel gelöst werden. Das bedeutet: mehr Motivation, tiefere Erkenntnisse und nachhaltiges Lernen.
„Manchmal sind Leute im Spiel richtig frustriert, weil sie nicht weiterkommen. Aber genau dieser Moment sorgt dafür, dass sie später eine echte Erkenntnis haben.“ – Dana Pylayeva [5]
Fehler als Lernchance
Serious Games bieten eine Mutzone, in der Fehler nicht nur erlaubt, sondern gewollte Sprungbretter sind. Das Konzept des Return-on-Failure – gemessen als Verhältnis zwischen Lernergebnis und dem dafür betriebenen Aufwand – zeigt, dass der Lerneffekt aus Fehlern oft größer ist als aus Erfolgen. Julian Birkinshaw, kanadischer Professor für Strategie und Entrepreneurship, beschreibt in der Harvard Business Review, dass es nicht darum geht, Fehler zu vermeiden, sondern aus ihnen den maximalen Erkenntnisgewinn zu ziehen. [6]
Aus Fehlern zu lernen und dabei die eigenen Kompetenzen zu erleben, stärkt Ihr Vertrauen in Ihre Fähigkeiten, gewünschte Handlungen erfolgreich auszuführen und Herausforderungen zu bewältigen – auch in schwierigen Situationen. Der kanadisch-amerikanische Psychologe Albert Bandura hat gezeigt, dass Menschen, die sich fähig fühlen, mehr Motivation, Durchhaltevermögen und Resilienz zeigen (Stichwort: Selbstwirksamkeitserwartung). Sie hilft Lernenden, Herausforderungen besser zu meistern, sich selbst zu regulieren und kontinuierlich an ihren Fähigkeiten zu arbeiten – was langfristig zu besserem Lernen und tieferem Verständnis führt. [7]
Lernen ist kein Einzelsport
Spielen fördert sowohl individuelles Lernen als auch Zusammenarbeit. Der Psychologe Lev Vygotsky beschreibt, dass Menschen am besten im Austausch und mit unterstützenden Partnern lernen. Seine Zone der nächsten Entwicklung zeigt, dass wir durch Herausforderungen, die wir mit Unterstützung bewältigen können, am meisten wachsen. Dies stärkt das Selbstvertrauen und maximiert das Lernpotenzial. [8] Ein Serious Game bringt Menschen genau in diese Zone. Es fordert heraus, ermöglicht gemeinsames Lernen, stärkt die Zusammenarbeit und hilft den Teilnehmenden, ihre Entwicklungsgrenzen schrittweise zu erweitern.
„Die stärksten Aha-Momente kommen, wenn Teams realisieren: ‚Oh, wir hätten einfach miteinander sprechen können.‘ Dann passiert wirkliches Lernen.“ — Sonja Sinz [9]
Debriefing: Der Schlüssel zum Lernen
Ein Serious Game ist nur der erste Schritt. Die wahre Magie liegt in der Nachbesprechung: im Debriefing. Hier reflektieren Teilnehmende ihre Entscheidungen, ihr Handeln und die Konsequenzen. Erst durch diese Meta-Ebene wird das Erlebte zu echtem Wissen.
Ob Lessons Learned, After-Action-Review oder Erfahrungsaustausch genannt – Debriefings machen blinde Flecken sichtbar, decken Muster auf und zeigen Wege zur Verbesserung. Konkret liegt der Wert darin, implizite Annahmen sichtbar zu machen, blinde Flecken zu erkennen und neue Denkweisen zu erproben. So können Teilnehmende Erkenntnisse, vermittelte Lektionen und Strategien in ihre Denkmuster integrieren und ihre zukünftigen Herangehensweisen anpassen.
Damit ist das Debriefing mehr als nur Rückblick – es ist Meta-Lernen, das hilft, den eigenen Lernprozess so zu hinterfragen und zu verbessern, dass zukünftiges Lernen nachhaltiger und anpassungsfähiger wird. Und nur so bleibt das Serious Game nicht nur eine spannende Erfahrung, sondern schafft einen echten Mehrwert für den Arbeitsalltag.
„Nach einem Spiel will ich nicht nur hören, was jemand gelernt hat. Ich will wissen: Was ändern Sie konkret in Ihrer Arbeit?“ — Dana Pylayeva [10]
Fazit: Gute Entscheidungen lernt man durch falsche – nicht durch Vorträge und Folien
Lernen bedeutet nicht nur, Informationen aufzunehmen, sondern sie zu erleben, zu reflektieren und anzuwenden. Serious Games schaffen genau diesen Raum: sicher, motivierend und mit nachhaltigem Lerneffekt.
Oder um es mit den Worten von George Bernard Shaw zu sagen: „Wir hören nicht auf zu spielen, weil wir alt werden; wir werden alt, weil wir aufhören zu spielen.“ [11]
Die Frage ist also nicht, ob Sie spielen – sondern ob Sie es sich leisten können, es nicht zu tun.
Hinweise:
Julian Kea hat mehr als 20 Jahre Erfahrung als Serious Games Facilitator und betreibt den bekannten Serious Games Podcast (über Hintergründe, Motivation und seine Zielgruppe spricht er hier im Interview). Auf Linkedin können Sie ihn leicht erreichen, falls Sie sich über Serious Games austauschen wollen oder Sie konkreten Bedarf haben.
[1] Michael Jordan, Nike Culture: The Sign of the Swoosh, 1998
[2] Factsheet: Lernen durch Eigenerfahrungen oder erfahrungsbasiertes Lernen
[3] John Medina: Brain Rules
[4] Flow-Erleben: Theorie von Csikszentmihalyi
[5] [10] Dana Pylayeva, Serious Games Podcast DevOps Culture Simulation, 2020
[6] Harvard Business Review: Increase Your Return on Failure, 2016
[7] Albert Bandura: Das Konzept der Selbstwirksamkeit
[8] Lev Vygotsky: Theorie des sozialen Lernens
[9] Sonja Sinz, Serious Games Podcast Fang-Schuh, 2024
[11] Wikipedia: George Bernard Shaw
Julian Kea hat zwei weitere Beiträge im t2informatik Blog veröffentlicht:

Julian Kea
Julian Kea ist Serious Games Facilitator und Team-Coach aus Berlin. Er schafft aktivierende Lernumgebungen mit minds-on Workshop-Methoden wie Training from the BACK of the Room, LEGO® SERIOUS PLAY®, Agile Classrooms, Thiagi’s interaktiven Trainingsstrategien, Open Space Technology, und Liberating Structures und natürlich Training from the BACK of the Room. Diese ermöglichen Teams einen authentischen Austausch, fördern das gegenseitige Verständnis und stärken die Zusammenarbeit. Sein Mantra lautet „Rediscover Learning. Work Smarter.“
Darüber hinaus ist Julian Kea die Stimme hinter dem #SeriousGamesPodcast und der Macher des #TheDebriefingCube. Er veranstaltet das #LSPmeetup rund um LEGO® SERIOUS PLAY® und die Unkonferenz #play14 rund um Serious Games in Berlin.
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