Die Stimme im Business

Gastbeitrag von | 10.03.2022

Ein Gespräch mit Tatjana Lackner über Rhetorik und Quellen der Inspiration, die Verschriftlichung von Reflexionen und die daraus resultierenden Vorteile, sowie die Bedeutung der Stimme in Zuge zahlreicher digitaler Formate und Botschaften.

Quellen der Inspiration

Seit Anfang 2019 betreibst Du den Podcast „Rhetorik: Tipps & Tools mit Tatjana”. Vor kurzem hast Du in einer Folge über Inspiration und gute Redner gesprochen. Wodurch schöpfen wir Inspiration?

Tatjana: Lesen und Denken hilft. So viel ist klar. Aber wir werden auch durch Beiträge in sozialen Medien getriggert und auf Themen aufmerksam. Manche stärker über YouTube, andere kommen klassisch durch TV- oder Radiobeiträge auf frischen Gedanken. Es gibt schließlich eine Reihe hochwertiger Dokumentationen und inspirierender Interviews mit Menschen, die in der Tiefe inhaltlich Bescheid wissen. Selbst Themen zu recherchieren und Quellen zu prüfen, ist zudem durchaus lustvoll – nicht nur für Medienmacher oder Journalisten.

Woher holst Du Dir denn Inspiration für Deine Kolumnen, Podcasts und Newsletter?

Tatjana: Auf der einen Seite bekomme ich durch unsere Rhetorik-Spin-Trainings hautnah mit, was Kunden aktuell beschäftigt und wozu sie gerne mehr wissen möchten. Auf der anderen Seite stehen in meinem Kalender philosophische Veranstaltungen, Innovationstalks und Events, die gedankliches Frischwasser garantieren. Vom Philosophicum in Lech über das Symposion Dürnstein bis hin zum interdisziplinären Austausch mit anderen Keynote-Speakern – ich denke bspw. an Colin Crouch, Matthias Horx, Konrad Paul Liessmann – ist vieles dabei.

Außerdem liebe ich es, alleine zu verreisen und mich mit fremden Kulturen oder neuen Gegebenheiten auseinanderzusetzen. Das bereichert mich jedes Mal. Mein Mann und die Kinder sind zum Glück verständnisvoll, was mein immer stärker werdendes Bedürfnis nach Ruhe betrifft. „Ich-Zeit“ ist nötig, damit man meinen intensiven Beruf 30 Jahre lang auf Top-Level ausführen kann.

Die Verschriftlichung von Reflexionen

Reflexion gehört auch zur Business Rhetorik. Was sind Deine konkreten Tipps?

Tatjana: Beides sollten wir draufhaben: Nachdenken und Vorausschauen. Das bringt uns zu einer vergessenen Disziplin, die sogar die alten Meister vorgelebt haben: Der Wichtigkeit, Tagebuch zu führen.

Eugène Delacroix oder Claude Monet haben täglich kurze Einträge in ihren Skizzenbüchern notiert – ihre waren zudem farblich reich bebildert, was bei späteren Auktionen ordentlich Geld brachte. Piloten führen Flugbücher, Kapitäne dokumentieren relevante Informationen im Logbuch. Wir führen an DER SCHULE DES SPRECHENS ein Organisationshandbuch, um Abläufe zu standardisieren und nicht jährlich das Rad neu zu erfinden. Immer geht es um Nachvollziehbarkeit.

Der große griechisch-argentinische Reeder Aristoteles Sokrates Onassis, der einst Jacky Kennedy heiratete, hat in einem kleinen Buch auch privat all seine wichtigen Begegnungen festgehalten. Sein Notizbuch war ihm heilig und funktionierte wie ein Mini-CRM. Er sammelte Vorlieben und Kontakte seiner Gesprächspartner und vor allem relevante Themen, über die gesprochen wurde. Täglich waren das nur kurze Sätze, kleine Erinnerungen in Form von Stichworten – dabei hatte der Tankerkönig, der einige Jahre als „reichster Mann der Welt“ galt, sicher einen volleren Kalender als die meisten von uns.

Welche konkreten Vorteile siehst Du in den Notizen?

Tatjana: Ein klarer Vorteil ist, durch diese sanfte Biographiearbeit selbst ein besseres Zeitgefühl für Begegnungen zu erlangen und einstige Gesprächsinhalte parat zu haben. Ich höre beispielsweise oft anerkennende Worte, wie: „Das weißt Du noch? Tolles Gedächtnis!“

Heute dienen uns diesbezüglich versperrbare Diary-Apps. Dort lassen sich zu den Einträgen sogar Fotos hochladen, Audio- & Videofiles hinzufügen und ein Stimmungsbarometer einpflegen. Ich finde es wichtig – auch schriftlich – Formulieren zu trainieren. Wer sich täglich einen Titel für den Tag überlegt und in wenigen Sätzen inhaltlich eindampft, was die Essenz der vergangenen 24 Stunden gewesen ist, der wird besser beim „Klartexten“.

Wenn man jedem einzelnen Tag eine Note und Bedeutung gibt, dann hilft uns das – selbst Jahre später – diesen Tag noch einmal zu erleben. Andernfalls verblassen die Stunden, je weiter wir uns Stück für Stück in Richtung Tod bewegen. An hektischen Tagen stehen dort vielleicht nur drei Sätze:

  • Was triggert mich?
  • Welche Emotionen catchen aktuell meinen Verstand.
  • Was erkenne ich aus meinen und was aus den Reaktionsmustern der anderen?

Für mich sind diese kurzen Brainskripts wichtige Übungen, um den eigenen Fokus zu kontrollieren und schriftlich Reflexion zu üben – nach der Devise: „Schau zurück und denke nach vorne!“

Klartexten und die Bedeutung der Stimme im Business

Du schreibst in Deinem Bestseller „Rede-Diät“ darüber und gerade hast Du es erwähnt: Was ist Klartexten?

Tatjana: Die Welt ist voll von Dampfplauderern und Schwadroneuren. Viele reden zu fett und zu wahllos. Unsere Meetings dauern heute gefühlt eineinhalb Mal so lange, als noch in den 1980er Jahren. Der Output ist jedoch nicht höher. Ich bin davon überzeugt, dass es Führungskräften mittlerweile vor allem an Ruhe mangelt. Wie soll man vorausschauend gestalten und gute Entscheidungen treffen, wenn ein Meeting das andere jagt und leitende Angestellte nur reaktiv durch den Tag getrieben werden? Würde ich heute noch einmal starten, hätte ich vielleicht „Die Schule des Schweigens“ gegründet (lacht).

Ich empfinde es heutzutage regelrecht eine Wohltat, wenn jemand gelassen, strukturiert und vor allem empathisch Gespräche führt. Das macht ihn oder sie dann sowohl inhaltlich als auch menschlich bedeutsam.

Beobachtest Du Veränderungen in Bezug auf Business Rhetorik?

Tatjana: Es gibt zahlreichen Veränderungen. Vor Corona ging es vor allem um die Unique Selling Proposition. Knapp 24 Monate danach geht es vorrangig um die Emotional Selling Proposition und damit um die Frage, was hat meinen Kunden zum Kauf bewegt? Was war der ausschlaggebende Punkt? Das Alleinstellungsmerkmal ist wichtig, aber die Emotion entscheidend. Und eine zentrale Zutat zu dieser Emotion ist unsere Stimme.

Wieso?

Tatjana: Die Digitalisierung zwingt uns dazu, analog besser zu werden. Das geht bei unseren Mailboxen los: Wie präsentieren wir uns sprachlich und hoffentlich grammatikalisch richtig? In einer personalisierten Welt überlässt man seine Kunden eben nicht der Systemstimme, sondern bespricht selbst. Dazu braucht es sowohl sprechtechnische als auch stimm-modulatorische Skills.

Viele Führungskräfte sind zu Podcast-Gesprächen eingeladen oder werden um kleine Videostatements gebeten. Damit transportieren Entscheidungsträger nicht nur ihre Botschaften, sondern es werden gegebenenfalls auch sprachliche Holprigkeiten, Grammatikfehler und Auftrittsschwächen offensichtlich.

Ähnliches erlebe ich auf Audioplattformen, wie Clubhouse oder Twitter Space. Rhetorische Skills braucht es, um Menschen nur durch die Stimme und Kernaussage zu begeistern. Wer relativierende Füllworte inflationär verwendet, wie „manchmal“, „ein bisschen“, „sozusagen“, der nervt. Gefragt ist stattdessen in 25 Sekunden eine Aussage punktgenau und anschaulich zu formulieren. Gerade Audioplattformen leben vom lebendigen Austausch. Viele heben die Hand und möchten auf die virtuelle Bühne kommen, um einen Beitrag leistet. Das geht nur, wenn die Dampfplauderer nicht alle Zeit für sich beanspruchen.

Diese technischen Errungenschaften eröffnen allen mehr Wirkungsmöglichkeiten. Das erklärt, warum sich in den letzten Jahren zunehmend Vorstände und leitende Angestellte stimmlich und rhetorisch verbessern wollen. Das Business Rhetorik Diplom ist bei uns nachgefragt.

Die Stimme wird also zu einem Faktor im Business?

Tatjana: Genau. Wer das Ohr des eigenen Mitarbeiters oder Kunden erreicht, ist physisch näher an seinem Gehirn. Zudem schreitet die „Verstimmlichung“ des eigenen Business voran. Erklärfilme haben in den letzten Jahren einen enormen Erfolgskurs hingelegt. Dort geht es ebenfalls darum, in maximal 90 Sekunden die eigene Dienstleistung oder das Alleinstellungsmerkmal des eigenen Produktes zielgruppenorientiert zu formulieren.

Und was denkst Du über Voice Commerce?

Tatjana: Mit Voice Commerce rollt eine Lawine aus den USA an und wird auch bei uns das Rennen nach dem teuersten Immobilienplatz der Welt digital entscheiden. Voice Commerce bedeutet, einen Sprachbefehl in ein Endgerät zu geben, um online zu kaufen oder etwas zu suchen. Wir werden uns die Pizza zwar auch weiter über den Bildschirm bestellen, weil das Auge bekanntlich mitisst und wir Bilder brauchen, aber viele andere Suchanfragen laufen schneller via Sprachbefehl. Wenn jemand jedoch auf Urlaub ist und den Sprachassistenten fragt: „Wo ist eine gute Pizzeria?“, und man als italienisches Restaurant nicht unter den Erstgenannten  rangiert, dann bringt das klare Nachteile. Wie bei Google gilt: Wer vorne gereiht ist, wird wahrgenommen.

 

Hinweise:

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Tatjana Lackner hat hier im t2informatik Blog weitere Beiträge veröffentlicht, u.a.:

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Tatjana Lackner
Tatjana Lackner

Tatjana Lackner gehört zu den führenden Kommunikations- & Verhaltens-Profilern. Ihr Auge erfasst Menschen. Ihr Ohr hört persönliche Details aus jeder Stimme. Sie erkennt kleinste Verhaltensaspekte. Die „Trainerin des Jahres“ (Magazin Training) ist Politiker-Coach, 6-fache Bestseller-Autorin und 2-fache Mutter und schon junge Oma. Tatjana Lackner ist durch ihre wirkungsvollen Coachings Top-Trainerin deutschsprachiger Radio- und Fernsehmoderatoren, vieler Führungskräfte, Manager, Politiker und erfolgreicher Unternehmen im In- und Ausland. Blitzschnell erkennt sie die potenziellen Lernfelder ihrer Kunden. Ihr Trainer-Feedback formuliert sie präzise, inhaltlich punktgenau und spürbar ehrlich. Tatjana Lackners Trainings, Seminare und Veranstaltungen garantieren hohen Fun-Faktor.