Die Auswahl von Unternehmensberatern

Gastbeitrag von | 12.12.2019

„Mit rund 33,8 Milliarden Euro lag der Umsatz der Unternehmensberatungsbranche in Deutschland im Jahr 2018 so hoch wie nie zuvor.“1 Damit einher geht eine stetig steigende Anzahl an Beratungsunternehmen und Unternehmensberatern. Im Jahr 2018 arbeiteten in den rund 20.000 Beratungsfirmen in Deutschland etwa 124.000 Unternehmensberater. Da „der Beratermarkt heiß gelaufen (ist)“ (…) ist es „umso wichtiger, bei der Auswahl eines Beraters sorgsam darauf zu achten, dass dieser auch wirklich das beherrscht, was für den Projekterfolg wichtig ist.“2

Trotz dieser beeindruckenden Zahlen tun sich kleine und mittlere Unternehmen (KMU) häufig mit der Beauftragung von externen Beratern schwer. Sie haben Vorbehalte gegenüber Unternehmensberatern, denn sie können Leistungen vorab schwer einschätzen und ihnen fehlen Kriterien, um Anforderungen an die Qualität von Beratungsleistungen zu definieren. Gerne möchte ich Ihnen nachfolgend eine Methode vorstellen, um Anforderungen an die Qualität von Beratungsleistungen zu definieren.

Die Merkmale externer Beratertätigkeiten

Der Begriff „Unternehmensberater“ ist in Deutschland bekanntlich weder staatlich noch standesrechtlich geschützt. Unabhängig von Ausbildung und Qualifikation kann sich somit „Jeder“ als Berater bezeichnen und seine Dienstleistungen auf einem Markt anbieten. Für Unternehmen, die bspw. nach einer Unterstützung in der IT suchen, ist somit oftmals unklar, wo Berater ihren Schwerpunkt sehen und welche Kenntnisse sie tatsächlich besitzen. Bietet der IT-Berater eine funktionale Beratung entlang der Wertschöpfungskette an, handelt es sich um eine  Strategieberatung, oder möchte er die Organisation entwickeln, in dem er ein neues Change Management aufsetzt?

„Zum Glück“ gibt es einige wesentliche Merkmale, die sich eigen, um externe Beratungsleistungen zu definieren:

  • Berater erbringen ihre Leistung für einen definierten Zeitraum.
  • Meist handelt es sich um eine führend-unterstützende Aufgabe.
  • Die partnerschaftliche Zusammenarbeit mit dem Auftraggeber ist ein zentrales Element der Zusammenarbeit.
  • Die Kommunikation zwischen den Parteien ist intensiv.
  • Die Zusammenarbeit fokussiert auf ein Ziel.
  • Und: es gibt eine eingeschränkte Verantwortungsübernahme durch den Dienstleister.

Diese Merkmale können Organisationen bei der Beraterauswahl helfen. Doch wie gelingt das genau?

Wie werden Entscheidungen getroffen?

Entscheidungen in Unternehmen zur Beauftragung einer Beratungsdienstleistung können entweder als Einzelentscheidungen auf einer festgelegten Hierarchiestufe getroffen werden oder die Entscheidung erfolgt als Gruppenentscheidung (z.B. innerhalb eines Gremiums). Bei einer Gruppenentscheidung kann die Entscheidung alternativ auf Grundlage eines Mehrheitsbeschlusses oder als Konsensbeschluss erfolgen.

Gerade für KMU ist es sinnvoll, die Entscheidung über die Beauftragung einer Unternehmensberatung auf Grundlage einer breiten Übereinstimmung  konsensorientiert zu treffen, um eine möglichst hohe Akzeptanz der späteren Beratungsleistung bei den obersten Führungskräften abzusichern.

Hierzu bietet sich die Anwendung der Entscheidungsmethode des sog. „Fahnens“ an, bei der die für eine Entscheidung notwendigen Bedingungen herausgearbeitet werden, die vorliegen müssen, damit die Gruppe zu einem gemeinsamen „JA“ (positiver Entscheid) oder „NEIN“ (bei Nicht-Erfüllung von Bedingungen) kommt.

Hierbei sind verschiedene Grundregeln zu beachten:3

  • Alle vorgebrachten Argumente werden als zu erfüllende Voraussetzungen (notwendige Bedingungen) für eine Entscheidung formuliert.
  • Die Formulierungen der Bedingungen müssen eindeutig sein und von allen Entscheidern akzeptiert werden. Dabei sind „Killerbedingungen“, die nicht erfüllbar sind, zwingend zu vermeiden.
  • Alle Bedingungen werden einem Konsistenz-Check unterzogen, um Widersprüche zu erkennen und aufzulösen.
  • Sind alle notwendigen Bedingungen erfüllt, wird eine positive Entscheidung getroffen.

 

Notwendige Bedingungen, um eine Unternehmensberatung zu beauftragen

Wie lassen sich notwendige Bedingungen formulieren, um eine Unternehmensberatung zu beauftragen? Werfen wir einen Blick auf einige Beispiele:

Die Beauftragung einer Unternehmensberatung erfolgt nur dann, wenn …

  • alle internen Beratungen als nicht mehr zielführend anerkannt werden,
  • Klarheit über das zu „bearbeitende Thema“ besteht,
  • die Ziele der Beratung klar festgelegt sind,
  • beschrieben ist, was sich konkret ändern soll,
  • das Beratungsunternehmen über eine definierte Qualität der angebotenen Leistungen verfügt,
  • mit dem Beratungsunternehmen ein Vertrag abgeschlossen wird, der die Leistungen definiert,
  • das erforderliche Budget bereitgestellt werden kann.

Nicht alle notwendigen Bedingungen können bereits zum Zeitpunkt der Entscheidung erfüllt oder erfüllbar sein. Häufig lässt sich eine Aussage erst zu einem Zeitpunkt nach der Beauftragung treffen. Beispiel: Die Beauftragung einer Unternehmensberatung erfolgt nur dann, wenn diese eine langfristige Verbesserung des Unternehmensergebnisses ermöglicht. Diese Bedingungen sind kontinuierlich zu überprüfen.

Empfehlung: KMU sollten vor dem Hintergrund eines fragmentierten und überhitzten Beratungsmarktes ein besonderes Augenmerk auf den Qualitätsaspekt einer Beratungsleistung legen.

Qualität in der Beratung aus Anbietersicht

Um für ihre Kunden eine verlässliche Orientierung zu bieten, hat der Bundesverband der Deutscher Unternehmensberater (BDU) einen Rahmen für Qualität in der Unternehmensberatung definiert. Dieser Qualitätsrahmen umfasst drei Qualitätsdimensionen:

  • Qualität des Beraters,
  • Qualität der Klienten-Beziehung und
  • Qualität der Dienstleistung.

Diese Qualitätsdimensionen werden anhand von neun Elementen beschrieben.4

Der BDU erklärt dabei allerdings ausdrücklich, dass es sich bei dem Qualitätsrahmen lediglich um eine Empfehlung handelt und es den Mitgliedsunternehmen des BDU freigestellt ist, von dem Leitbild abweichende Methoden und Lösungen für die Qualitätssicherung zu verwenden.

Auch der Bundesverband der freien Berater e.V., der von sich selbst sagt, „Wir sprechen mittelständisch“5 hat Qualitätsstandards und Beratungsgrundsätze für die Arbeit mit Kunden definiert.

Neben einer angemessenen fachlichen Qualifikation fordern die „KMU-Berater“ von ihren Mitgliedern u. a. eine ausreichende Berufserfahrung und eine regelmäßige Teilnahme an Fortbildungen, um den Qualität der Beratung aufrecht zu erhalten.6

Einen anderen Weg geht die „Offensive Mittelstand“ (OM), ein unabhängiges Beraternetzwerk unter dem Dach der nationalen Initiative Neue Qualität der Arbeit (INQA) Die OM formuliert prozessorientierte Qualitätsanforderungen. Der Beratungsprozess wird dabei in vier Phasen unterteilt:

  • Vorbereitung des Auftrages
  • Vertrag und Arbeitsplanung
  • Durchführung des Auftrages
  • Abschluss des Auftrages

Entlang dieses Phasenmodells hat die OM insgesamt 28 Anforderungen an eine gute und anzustrebende Beratungspraxis entwickelt. Die OM-Qualitätskriterien „Qualität der Beratung“ werden dabei in Form eines Selbstchecks abgebildet, der als Instrument zur Überprüfung, Reflexion und Weiterentwicklung der Beratungsqualität der Mitglieder der OM konzipiert ist.7

Der Qualitätsbegriff in der DIN-Norm 55350

Die DIN-Norm 55350 definiert Qualität als die „Beschaffenheit einer Einheit bezüglich ihrer Eignung, die Qualitätsanforderungen zu erfüllen.“8 Das bedeutet, Qualität setzt sich zusammen aus einem leistungs- und einem kundenbezogenen Qualitätsbegriff.

Der leistungsbezogene Qualitätsbegriff (Eignung) ergibt sich aus vereinbarten Qualitätsstandards für den betrachteten Leistungsbereich, wie z.B. Qualitäts-Siegel oder Zertifizierungen. Der kundenbezogene Qualitätsbegriff (Qualitätsanforderung) kann aus der Qualität einer Leistung aus Sicht des Kunden, also seinen Erwartungen und Ansprüchen abgeleitet werden.

Nachweis der Eignung einer Unternehmensberatung

Ein Nachweis der Eignung kann z.B. durch eine Zertifizierung des Qualitätsmanagementsystems eines Beratungsunternehmens auf Grundlage der DIN:EN ISO 9001-2015 erfolgen. Dass aus Kundensicht eine solche Zertifizierung ein entscheidungsrelevantes Alleinstellungsmerkmal einer Unternehmensberatung darstellt, kann bezweifelt werden.

Die DIN EN 16114:2011-12 beinhaltet ausführlich empfehlende Leitlinien für eine effektive Bereitstellung von Unternehmensberatungsdienstleistungen; eine Zertifizierung nach dieser Norm ist jedoch nicht möglich. Dieser Standard wurde zudem 2018 zu einem international gültigen ISO-Standard der EN ISO 20700:2018 ausgeweitet.

„ISO 20700 gives practical guidelines based on outcomes and emphasizes the importance of understanding clients’ needs. It is useful to all management consultancies, (…). It is also useful for clients in that it helps them better understand what they can expect from a management consultant in a consultancy project.”9

Einen persönlichen Qualitätsnachweis für Unternehmensberater zur Qualitätssicherung in der Unternehmensberatung bietet auch das Zertifizierungsprogramm Certified Management Consultant (CMC), das in Deutschland vom Institut der Unternehmensberater GmbH (IdU) angeboten wird. Für eine Zertifizierung muss der Berater dabei nicht nur seine Berufserfahrung sowie Projekterfolge und Fachwissen nachweisen. „Für eine Zertifizierung muss der Unternehmensberater seine Kunden ebenso wie qualifizierte Kollegen von seinen Fähigkeiten überzeugen.“10 Eine Re-Zertifizierung ist alle drei Jahre notwendig, sonst wird der Titel wieder aberkannt.

Qualität der Beratung aus Kundensicht

Nach einer österreichischen Beraterstudie werden Kundenanforderungen an die Qualität einer Beratungsdienstleistung insbesondere über die Erfüllung folgender Kriterien definiert: 11

  • Fachliches Know-how
  • Branchenkenntnis
  • Umsetzungskompetenz
  • Erwartete Performancesteigerung
  • Maßgeschneiderte Lösungen (Kundennähe)

In diesem Zusammenhang ist es sinnvoll, bereits im Rahmen der Entscheidung über die Beauftragung einer Beratungsleistung entsprechende Anforderungen aus Unternehmenssicht eindeutig zu definieren. Als Hilfestellung kann die Erstellung einer Checkliste dienen, die die Anforderungen an eine Unternehmensberatung anhand eines Kriterienkatalogs enthält. Neben den o.g. Kriterien können dies z. B. sein:

  • Qualifikationsnachweise
  • Ausgewiesene Beratungsschwerpunkte
  • Nachweis von Beratungserfahrungen
  • Besondere Fachkenntnisse
  • Mitgliedschaft in einem Berufsverband

Unterstützung für die Erstellung einer solchen Checkliste bietet die Offensive Mittelstand, die eine Empfehlung zur Auswahl freier Berater erstellt hat.12

Fazit

Wenn Sie vor der Entscheidung stehen, eine Unternehmensberatungsleistung in Anspruch zu nehmen, würde ich Ihnen ein konsensorientiertes Vorgehen empfehlen. Treffen Sie ein gemeinsame Entscheidung, ohne permanent unterschiedliche Sichtweisen in den Vordergrund zu stellen und/oder eine Entscheidung aufgrund von Konflikten (immer wieder) zu verschieben.

Haben Sie eine Entscheidung getroffen, dass Sie eine Beratungsleistung in Anspruch nehmen wollen, bedarf die Auswahl eines Beratungsunternehmens natürlich besondere Sorgfalt. Qualitätskriterien aus Anbietersicht zu betrachten, kann im Rahmen des Auswahlprozesses durchaus sinnvoll sein. Maßgeblich ist meiner Meinung nach aber die Definition der Erwartungen an die Qualität der Beratungsleitung anhand von nachvollziehbaren Kriterien aus Kundensicht.

Und ein kleiner Tipp zum Schluss: Da Unternehmensberater „führend-unterstützend“ arbeiten sollen, ist es unerlässlich auch die Persönlichkeit des Beraters selbst in die Auswahl-Entscheidung einzubeziehen und besonders die Integrationsfähigkeit und Motivation des Beraters zu berücksichtigen. Viel Erfolg bei Ihrer Auswahl.

 

Hinweise und Quellenangaben:

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[1] Hubert, Julia (2019), Statista Veröffentlichung. Umsatz der Unternehmensberatungsbranche in Deutschland bis 2018
[2] Dietmar Student (2016), Interview mit Bianka Knoblach (2016) in Manager Magazin 09/2016
[3] Steffens, Bernd (2017),  Fahnen, Entscheiden unter besten Bedingungen. in: managerSeminare Heft 234 S. 74-76
[4] Bundesverband Deutscher Unternehmensberater e.V., https://www.bdu.de/verband/qualitaet-im-consulting/
[5] KMU-Berater, https://www.kmu-berater.de/verband/
[6] KMU-Berater ebenda
[7] Offensive Mittelstand (2019) Selbstcheck Qualität der Beratung
[8] DIN 55350 Teil 11, S. 3 Nr. 5
[9] Naden, C. (2017), Guidelines for optimizing use of management consultancies just published, https://www.iso.org/news/ref2160.html
[10] Das IdU Institut für Unternehmensberater, http://www.idu.eu/iduhome/
[11] Ennsfelder, I./Bodenstein, R, (o.J.), Qualitätssicherung für Management Consulting.
[12] Offensive Mittelstand (2018), Gut beraten. Auswahl, Beauftragung und Bewertung von Beraterinnen und Beratern – Empfehlungen für mittelständische Unternehmen

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Stephan Pust
Stephan Pust

Stephan Pust war lange Zeit Führungskraft in der IT. Heute unterstützt er als freiberuflicher Trainer und Berater Führungskräfte beim organisationalen Wandel und als Impulsgeber für Veränderungen in der neuen Arbeitswelt. Dabei kommt ihm auch seine umfangreiche Erfahrung als Prozessmanager zu Gute. Außerdem ist er als Lehrbeauftragter für verschiedene Universitäten in Niedersachen tätig, um seine beruflichen und persönlichen Erfahrungen an zukünftige Fach- und Führungskräfte weiterzugeben.