Der Mensch in der Digitalisierung

Gastbeitrag von | 10.09.2020

Unsere Welt ist digital. Wir nutzen Suchmaschinen, um den Weg zu einer Adresse oder einem bestimmten Produkt zu finden, wir kaufen bevorzugt online ein und unsere Kommunikation findet zum großen Teil über digitale Plattformen statt. Das führt dazu, dass unser Verhalten von Unternehmen observiert und analysiert wird. Im besten Fall, um Services und Produkte an unsere Anforderungen anzupassen. Dabei geht es meistens um Zahlen, und ab und an habe ich das Gefühl, dass Menschen immer mehr als Datensätze wahrgenommen werden. Aus meiner Sicht ist es aber wichtig, Menschen nicht als abstrakte Zahlen zu verstehen, denn schlussendlich geht es bei dem, was Unternehmen produzieren, kommunizieren und verkaufen, um Individuen, lebende Menschen mit Emotionen, Vorlieben und Aversionen.

Sehr viele Unternehmen befassen sich mit den Themen Digitale Transformation und Digitalisierung (zwei unterschiedliche Themen, die allerdings stark miteinander verbunden sind). Sie versuchen Produkte und Kundenbeziehungen besser, schneller und auch automatisierter zu zu gestalten. Parallel dazu diskutieren wir als Gesellschaft immer häufiger darüber, wie wir unsere Welt im Guten verändern können. Die Menschen werden (selbst)bewusster und haben höhere Anforderungen an Dienstleistungen, Produkte und deren Anbieter.

Der Mensch Kunde

Kunden möchten als Menschen und Individuen wahrgenommen, wertgeschätzt und respektiert werden. Sie möchten ein Erlebnis beim Kaufen, sie möchten persönlichen Service. Sie möchten eine nahtlose Kundenerfahrung sowohl On- als auch Offline (Seamless Customer Experience). Sie erwarten von Anbietern Authentizität und gelebte Werte. Sie wollen keine Models sehen, die mittels Photoshop optimiert wurden. Sie suchen nachhaltige Mode, die fair produziert wurde.

Unternehmen reagieren darauf, in dem sie ihr Marketing an diese Anforderungen anpassen. Die Digitalisierung macht Marketing intelligent, daher spricht man auch von Marketing Intelligence. Durch Daten und das “Verfolgen” der Kunden, im guten Sinne des Wortes. Ein Wandel findet aber nicht nur in Richtung der Kunden statt. Auch firmenintern wandelt sich Einiges. Mitarbeiter werden immer selbstbewusster und fordern, wie Kunden, dass sie mit Wertschätzung, Empathie und Vertrauen als Menschen wahrgenommen werden.

Der Mensch Mitarbeiter

Als Leader wie Charles Dickens Romanfigur Mr. Ebenezer Scrooge hierarchisch – also top-down – zu agieren, ist schon lange nicht mehr zeitgemäß. Heutzutage wird es immer wichtiger, dass ein Verständnis für die Tatsache entsteht, dass der Mensch der Faktor zum Erfolg ist. Klassische Hierarchien funktionieren nicht mehr, denn Mitarbeiter sind, wie Kunden, selbstbewusster und haben mehr Anforderungen.

Sie möchten auf Augenhöhe mit dem Management kommunizieren, sie möchten wertgeschätzt werden. Sie möchten, dass ihnen vertraut wird, dass sie sich weiterentwickeln und eigene Ideen einbringen können. Darüber hinaus ist eine Unternehmenskultur, in der offene und transparente Kommunikation, Wertschätzung und Respekt gelebt wird, notwendig, um Experten bzw. neue Mitarbeiter zu finden.

Der Mensch MUSS Fehler machen

Glücklicherweise wird heute die Arbeit in Unternehmen hauptsächlich noch durch Menschen erledigt. Wie es sich in der Zukunft verhält, ist ein anderes Thema. Es liegt in der Natur des Menschen, Fehler zu machen. Wie Martin Luther bereits sagte “Wo gehobelt wird, da auch fallen Späne”.

Für mich ist eine gute Fehlerkultur sehr wichtig. Fehler sind keinesfalls verwerflich, denn aus ihnen kann der Mensch lernen. Es ist elementar, sich mit Fehlern zu befassen, sie zu analysieren und als Informationsquelle zu verstehen. So gewinnen Organisationen (und damit auch Menschen) einen tieferen Einblick in die Art und Weise, wie Individuen denken. Es gilt herauszufinden, was die Logik hinter einem Fehler und wie die Herangehensweise der Person ist, die den Fehler verursacht hat. Und da Niemand wirklich einzigartig ist, und Menschen oftmals auf ähnliche Art und Weise denken, ist es hilfreich diese Erfahrung zu nutzen.

Der Mensch braucht Vertrauen

“Nichts kann den Menschen mehr stärken als das Vertrauen, das man ihm entgegenbringt.” – Adolf von Harnack (1851 – 1930)

Heute ist oft – bspw. im Kontext von Homeoffice – von Vertrauensarbeit die Rede. Ich kenne einen ehemaligen CEO, der davon überzeugt war, dass Mitarbeiter im Homeoffice Rasen mähen oder auf dem Sofa RTL II schauen. Jedoch umfasst Vertrauensarbeit meiner Meinung nach mehr als nur einen CEO, der Mitarbeiter nicht verdächtigt. Es geht bspw. darum, dass man seinen Kollegen vertrauen kann und man sich gegenseitig unterstützt. Hat jemand Schwierigkeiten bei einer Aufgabe, sollte man blind auf die Unterstützung der Mitglieder des Teams vertrauen können. Und wenn sie nur darin besteht, dass andere zuhören und vielleicht bereits dadurch helfen, die Lösung zu finden, in dem das Problem laut ausgesprochen wird.

Das Management sollte Vertrauen in Mitarbeiter und Teams zeigen, indem sie diese autonom arbeiten und entscheiden lässt. Vertrauen schenkt den Menschen Selbstvertrauen und das motiviert dazu, die – wie es so schön heißt – Extrameile zu gehen. Und das führt zu besseren Ergebnissne für den Kunden. Oder wie ich es gerne sage: “Happy Team <-> Happy Customer”.

Die Mischung macht es

Unsere Welt ist global. Völker kommen zusammen. Eine Vielfalt aus Kulturen, Charakteren, Hintergründen und Erfahrungen ist eine gute Sache, denn Vielfalt, auch gerne Diversity genannt, bereichert eine Gesellschaft und auch ein Unternehmen, das im Grunde eine kleine Gesellschaft darstellt.

Vor allem bei Themen wie Business Innovation und Digitaler Transformation ist es wichtig, vielfältigen Input zu bekommen. Wie bereits geschrieben, Menschen sind Individuen und jeder hat seinen eigenen Blickwinkel, eigene Erfahrungen und Wahrnehmungen. Je mehr Menschen bei einer Innovation beteiligt sind, desto mehr Kreativität entsteht, desto detaillierter wird die Vision/Idee, desto besser wird das Produkt und desto glücklicher wird der Kunde.

Diversität ist sehr hilfreich. Sowohl für Unternehmen, die Unternehmenskultur als auch den Customer Success. Es ist nachgewiesen, dass Firmen, die Diversität adaptieren und auch leben, erfolgreicher und widerstandfähiger gegenüber Änderungen auf dem Markt sind. Sie werden durch diese Diversität agiler.

Flexibilität

Durch den ständigen Wandel der Konsumenten, wandelt sich der Markt im gleichen rasanten Tempo. Vor allem für alteingesessene Firmen ist es überlebenswichtig, sich ständig den neuen Anforderungen anzupassen und eine hohe Flexibilität an den Tag zu legen.

Heutzutage wird Flexibilität Agilität genannt (alte Eigenschaft im neuen Gewand). Und es ist eine wichtige Eigenschaft, um eine Resilienz gegenüber anderen Firmen und Start-ups zu entwickeln. Vor allem Start-ups entwickeln Produkte, die entweder bestehende Produkte in einer besseren und moderneren Version anbieten, oder gar neue Produkte entwickeln, die bestehende Produkte vom Markt vertreiben. Beispiele sind Kodak und die Entwicklung der Digitalkamera oder Videotheken und das Streamingangebot von Netflix.

Um agil zu agieren und zu reagieren, braucht es neben Agilität auch Mut, Kreativität, Neugierde und, wie es so schön auf Neudeutsch heißt, ein Make Mindset (eine Macher Mentalität). Und, natürlich nicht zu vergessen, müssen Unternehmen kundenzentriert denken und den Kunden bei der Produktentwicklung aktiv einbeziehen. Kunden wissen am besten, was sie brauchen und somit verhindert eine kontinuierliche Kommunikation und ein aktives Zuhören, dass Produkte am Kunden vorbei entwickelt werden. Es braucht

  • Mut, um neue Wege zu gehen, auch wenn das Ergebnis nicht klar ist und man nicht weiß, ob es wirklich gelingen wird.
  • Kreativität, damit man neue und evtl. auch unorthodoxe Ideen für innovative Produkte nutzt.
  • Neugierde für den Markt, die Entwicklungen anderer Unternehmen und allgemein die Welt, um daraus seine Schlüsse zu ziehen und zu reagieren.
  • konkretes Tuns anstatt endloser Planung, bei der jedes noch so kleine Detail erörtert und als Ziel festgelegt wird. Das dauert zu lange und es passiert schnell, dass sich ein Markt bereits gewandelt hat, bevor Organisationen mit der Planung fertig sind.

Und damit wären wir wieder beim Thema Agilität.

Ins Digitale transformieren

Das Obengenannte ist eine Auflistung einiger Zutaten für das “Rezept” einer Digitaler Transformation. Übrigens ist eine Digitale Transformation keine Digitalisierung. Die Digitalisierung ist eine Teilmenge einer Digitalen Transformation und umfasst die IT-Landschaft.

Der Basis für eine erfolgreiche Transformation ist eine gesunde Unternehmenskultur. Ein vielgelesene Aussage im Web lautet wie folgt: Culture eats Strategy for breakfast. Ohne gute Unternehmenskultur kann keine erfolgreiche Transformation stattfinden.

In einem derartigen Projekt ist es essenziell, dass das Management alle Mitarbeiter vom Anfang an informiert und diese aktiv involviert werden, denn jeder Mitarbeiter ist wichtig für den Erfolg einer Transformation. Durch regelmäßige Kommunikation entsteht ein allgemeines Wissen und eine Transparenz. Idealerweise helfen alle Teams helfen, finden neue Ideen und entscheiden selbständig. Die Aufgabe des Managements liegt darin, als Coach zu agieren und bei entstehenden Problemen zu unterstützen.

In einem Prozess der Transformation entstehen bei den Menschen Ängste, Wut und Verunsicherung. Das Management sollte diese Emotionen ernst nehmen, aktiv zuhören und in die Haut dieser Mitarbeiter schlüpfen, um die Gefühle der Beteiligten nachzuvollziehen und bei Bedarf konkret helfen zu können.

Resümierend kann man sagen, dass, obwohl die Welt und unsere Gesellschaft sich drastisch verändert, der Mensch immer noch im Mittelpunkt steht. Ich wage sogar zu behaupten, dass der Mensch, trotz aller Digitalisierung und Automatisierung immer eine sehr wichtige Rolle spielen wird. Selbstredend werden irgendwann Berufe komplett digitalisiert werden. Es ist die Aufgabe und die Pflicht unserer Gesellschaft, den betroffenen Menschen eine sinnvolle und vor allem befriedigende Aufgabe zu ermöglichen. Ganz egal, wie diese Aufgabe dann aussehen wird. Bestimmt ist es eine gute Idee, bereits mit dem Sammeln von Ideen zu beginnen.

 

Hinweise:

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Im t2informatik Blog hat Rob van Linda einen weiteren Beitrag veröffentlicht:

t2informatik Blog: Worum es bei Agilität wirklich geht

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Rob van Linda
Rob van Linda

Rob van Linda hat bereits als junger Mann in der Firma seiner Eltern mit Kunden gearbeitet. Nach der Hotelmanagement Schule in Maastricht (NL) war er als Event Manager in verschiedenen Ländern tätig. In Deutschland hat er die Domäne gewechselt und ist seitdem im IT-Bereich als Bindeglied zwischen Kunden und dem Team aktiv. Er ist Fachmann für Digitalisierung mit einem Fokus auf Menschen. Rob van Linda arbeitet als Chief Digital Officer, Digital Transformation Manager, Leadership Coach, Digital Business Innovator und Marketing Intelligence Manager.