Das Konzept der integralen Führung
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Die Rahmenbedingungen von Führung in Unternehmen sind tiefgreifenden Veränderungen unterworfen. Die wesentlichen Transformationstreiber Digitalisierung und Dekarbonisierung werden dabei katalysiert durch eine Polykrise mit den wechselseitigen Wirkungen von COVID-19 Pandemie, Kriegen, Klimawandel und deren ökonomische Auswirkungen. Gleichzeitig sind eine steigende gesellschaftliche Verunsicherung und Überforderung sowie eine Verschiebung des gesellschaftlichen Diskurses in Richtung populistischer und autoritativer Denkmuster festzustellen.
Die Transformationsprozesse bewirken auch einen grundlegenden Wandel der Arbeitswelt. Die Digitalisierung führt zu einer Zunahme der Automatisierung in Industrie und Dienstleistungen. Arbeitsplätze und deren Tätigkeitsinhalte verändern sich dabei umfassend. Der mit den Megatrends der Digitalisierung und der Dekarbonisierung häufig einhergehende weitere Komplexitätsanstieg in den primären und sekundären Unternehmensprozessen wird von Mitarbeiter:innen dabei häufig als Zuwachs der Arbeitsbelastung wahrgenommen.
Wohlbefinden und Gesundheit am Arbeitsplatz
Viele Arbeitnehmer:innen stellen fest, dass sich ihr Wohlbefinden im vergangen Jahr entweder verschlechtert hat oder gleichgeblieben ist. Wenn berufsbedingte Belastungen nicht mehr bewältigt werden können, beeinträchtigt dies die Leistungsfähigkeit im Beruf, was zu einer Zunahme von körperlichen und oder psychischen Erkrankungen führen kann.
Nach Angaben der Bundesanstalt für Arbeitsschutz und Arbeitsmedizin sind für 2022 in Deutschland mehr als 880 Millionen Arbeitsunfähigkeitstage festzustellen (vgl. BauA Online 2023 :o.S.). Dabei sind 130 Mio. der krankheitsbedingten Fehltage auf psychische Erkrankungen (Depressionen, Anpassungsstörungen u. a.) zurückzuführen (vgl. ärzteblatt.de 2023 :o.S.).
Als mögliche Ursachen für die Zunahme psychischer Erkrankungen sind nach Angaben des Bundesarbeitsministeriums neben der größer werdenden Offenheit im Umgang mit psychischen Erkrankungen und den aktuellen Krisen insbesondere die Veränderungen in der Arbeitswelt durch die Entwicklungen wie Digitalisierung, Dekarbonisierung und demografischen Wandel anzuführen. Ganz unstrittig ist, dass auch das individuelle Führungsverhalten grundsätzlich einen wesentlichen Einflussfaktor auf die (psychische) Gesundheit von Mitarbeiter:innen darstellt und zwar in beide Richtungen; im positiven Sinne (Führung als Ressource) als auch im negativen Sinne (Führung als Stressor).
Festzustellen ist allerdings, dass sich Führungskräfte selbst in einem Spannungsfeld von zum Teil widersprüchlichen Anforderungen zunehmend gestresst fühlen und jede vierte bis fünfte Führungskraft an ihrer Leistungsgrenze arbeitet. Obwohl sich mehr als 30 % der Führungskräfte selbst als Burnout gefährdet bezeichnen, ist festzustellen: „Der fließende Übergang von der normalen Erschöpfung über den Stress zu den ersten Stadien des Burnouts wird oft nicht erkannt, sondern als ’normale‘ Entwicklung akzeptiert“ (Buchenau 2020 :9).
Führung in der Transformation
Aus der Diagnose der rasanten Veränderungen der Arbeitswelt und der Herausforderungen für die Führungskräfte lässt sich als möglicher Referenzrahmen für eine gelingende Transformation ein multiperspektivisches Modell Integraler Führung ableiten.
Ausgangspunkt hierfür bildet die Annahmen, dass auch die mehrdimensionalen verhaltensbezogenen Führungsansätze, „die das bewusste und reflektierte Agieren der Führungskraft in Form der Art und Weise des Umgangs mit den Mitarbeitern“ (Schirmer/Woydt 2016 :163) als Erfolgsvariable von Führung in den Vordergrund rücken, allein nicht (mehr) ausreichen, um die aktuellen Herausforderungen zu bewältigen.
„Das integrale Führungsmodell ist ein Denkrahmen, der Eingefahrenes aufbrechen und zersplittertes zusammenfügen will und so eine bewusst andersartige Antwort auf diffizil gewordene Organisationsverhältnisse und eine dadurch anspruchsvoll gewordene Führungsaufgabe geben möchte“ (Weibler 2023 :653).
Der Begriff „integral“ verweist an dieser Stelle auf einen ganzheitlichen Führungsprozess, der eine dimensionale Kombination der individuellen und kollektiven Ebene mit der dualen Perspektive von Innensicht (Inneres Erleben) und Außensicht (Äußere Wahrnehmung) verbindet. Eine wesentliche Grundannahme ist dabei, dass die sich aus der Kombination der Dimensionen ergebenden vier Quadranten nicht nur gleich wichtig sind, sondern miteinander in Beziehung stehen und sich wechselseitig beeinflussen.
Führungskräfte, die integral führen, schaffen damit „einen Rahmen, in dem sich jeder Mitarbeiter individuell seinen Werten, Bedürfnissen und Erfahrungen entsprechend entwickeln kann, so dass er motiviert und engagiert seinen Verantwortungsbereich ausfüllen kann.“ (Future Excellence – Kuhlmann/Horn o.J. :o.S.)
Abbildung 1: Gesamtmodell Integraler Führung nach Weibler (2023)
Die folgenden Vorschläge für die Ausgestaltung des Modells der Integralen Führung bilden gleichsam eine Einladung zur Diskussion, Weiterentwicklung und Anpassung entsprechend der jeweiligen Rahmenbedingungen von Führungskräften in Unternehmen.
1.Bewusstsein: Intra-subjektive Selbstführung
Die Fähigkeit zur Selbstführung ist eine notwendige Voraussetzung für eine erfolgreiche Führung von Mitarbeiter:innen und Teams: „Nur wer sich selbst führen kann, kann andere führe“ (Janssen/Grün 2017 :31). Self Leadership umfasst dabei verschiedene Teilprozesse wie Selbstbeobachtung, Willenssteuerung, Gefühlregulation, Selbstmotivierung und die Entwicklung einer proaktiven Denkhaltung (vgl. Balz/Heisig 2022 :194f.).
Mit der Fähigkeit, sich selbst führen zu können, entsteht schließlich Resilienz, die Fähigkeit von Menschen, Widrigkeiten und Krisen unter Rückgriff auf persönliche oder sozial vermittelte Ressourcen zu meistern und die psychische Gesundheit wiederherzustellen. Aus Sicht von Führung hat „die Erhöhung der Resilienz“ (…) von Menschen und Systemen (…) höchste Priorität“ (Schomburg et al 2016 :95). Hier finden Sie eine Einführung zum Thema Führung und individuelle Resilienz.
Die Innenwelt der Führungskraft und seine Haltung beeinflussen das Verhalten im Umgang mit Mitarbeiter:innen maßgeblich. „Effektive Ansätze zur Selbstführung, die darauf abzielen, Energie und Fokus wiederzugewinnen, werden in einer sich ständig wandelnden Welt bedeutsamer denn je“ (Bruch/Lee 2023 :46).
2. Verhalten – Objektiviertes Führungshandeln
Das Full Range of Leadership Modell (FRLM) gehört „gegenwärtig zu den bedeutsamsten und einflussreichsten Führungsmodellen“ und nimmt für sich in Anspruch, das gesamte Führungsverhalten abzudecken. Es ist davon auszugehen, dass eine „ideale Führungsperson sowohl transformationale als auch transaktionale Führungsverhaltensweisen aufweist“ (Furtner/Baldegger 2013 :132), wobei beide Facetten für den Erfolg von Führung wichtig sind.
Die Transaktionale Führung betrachtet Führung als Austauschbeziehung bei der Belohnung (Vorteile aller Art) durch den Leader gegen Leistung der Geführten getauscht werden.
Wesentliche Ausformungen einer Transaktionalen Führung sind:
- Management by Exception (aktiv): Aufgaben werden zur selbständigen Bearbeitung delegiert. Eingriffe durch die Führungskraft erfolgen durch Überwachung und Kontrolle um mögliche Fehler und Störungen in Abläufen und Arbeitsprozessen bereits frühzeitig zu erkennen.
- Management by Exception (passiv): Führungskräfte schreiten erst nach dem Auftreten von Problemen ein.
- Contingent Reward (Bedingte Belohnung) als Kernelement der transaktionalen Führung. Die Leistungsziele und Erwartungen an die Mitarbeiter:innen sind klar kommuniziert. Motivationsanreize werden durch in Aussicht gestellte Belohnungen für bestimmte Leistungen gesetzt. Werden also die Erwartungen der Führungskraft durch die Mitarbeiter:innen erfüllt, erfolgt die kontingente Belohnung. Im Mittelpunkt stehen hier demnach zweiseitige rationale Nutzenkalküle.
Als wesentliche Verhaltensweisen einer Transformationalen Führung, die die Ideale, Werte und Ziele der Geführten transformiert und damit ein Leistungsniveau der Mitarbeiter:innen ermöglicht, welches deutlich über das herkömmliche Maß hinausgeht, gelten dabei sechs Komponenten:
Abbildung 2: Transformationale Führung nach Bass (1995) und Potsakoff et al (1996)
- Idealisierter Einfluss: Die Führungskraft hat erkennbar eine Vorbildfunktion, die Respekt und Vertrauen erzeugt, was die Identifikation mit ihr begünstigt. Ihr Verhalten ist charismatisch und sie vermittelt glaubhaft und nachvollziehbar Werte und Ideale, die von den Mitarbeiter:innen übernommen werden.
- Inspirierende Motivation: Die Führungskraft zeichnet ein attraktives Bild der Zukunft. Eine Vision vermittelt den Mitarbeiter:innen Begeisterung und Bedeutung für das eigene Tun.
- Intellektuelle Anregung: Die Führungskraft fördert kreatives und innovatives Denken. Sie regt neue und unkonventionelle Ideen an und Blickwinkel, die etablierte Sichtweisen und Vorgaben infrage stellt. Risiken werden bewusst eingegangen und Fehler werden toleriert.
- Individuelle Unterstützung: Die Führungskraft erkennt die individuellen Bedürfnisse und Fähigkeiten der Mitarbeiter:innen und nutzt umfassend sämtliche Formen der Personalentwicklung um deren Kompetenzen gezielt weiter zu entwickeln.
- Förderung von Gruppenzielen: Zur Überwindung von Egoismen und gegenseitigen Unterstützung werden vorrangig Gruppenziele gesetzt und gemeinsame Erlebnisse und positive Erfahrungen hervorgehoben, um ein Wir-Gefühl zu erzeugen.
- Hohe Erwartungshaltung: Die Führungskraft erwartet hohe Leistungen und bringt gleichzeitig ein hohes Vertrauen in die Fähigkeiten der Mitarbeiter:innen zum Ausdruck.
Gelingt ein solches konsistentes Führungsverhalten, sind nicht nur positive Auswirkungen auf die Leistung der Mitarbeitenden, sondern auch auf deren Zufriedenheit wahrscheinlich.
Betrachtet man Führung unter einem explizit gesundheitsorientierten Aspekt, gibt es eine Vielzahl von Studien, die die positive Wirkung von transformationaler Führung auf die psychische Gesundheit von Mitarbeiter:innen feststellen. Führungskräfte, die in erkennbarer Weise Wert auf die eigene Gesundheit legen und entsprechend handeln (Selbstfürsorge vorleben und Präsentismus vermeiden), haben dabei eine starke Vorbildfunktion und wirken damit mittelbar gesundheitsfördernd auch auf Mitarbeiter:innen.
Das FRLM wurde zwischenzeitlich ergänzt, da strategische und aufgabenorientierte Entwicklungen bislang nicht beinhaltet waren. Die Erweiterung um die instrumentelle Führung lässt sich durch vier Ausprägungen bestimmen, die „auf das Expertenwissen der Führungskraft und seine Implementationserfahrung“ (Weibler 2023 :367) abstellen:
- Umfeldanalyse, um längerfristige Voraussetzungen für eine Steigerung des Leistungsniveaus eines Teams zu finden.
- Strategie, um die Vision des Unternehmens für die Mitarbeiter:innen zu konkretisieren.
- Weg-Ziel-Unterstützung wie Richtung definieren, Ressourcen bereitstellen, Hindernisse aus dem Weg räumen, usw.
- Ergebnis-Feedback über den Arbeitsfortschritt, um die Mitarbeiter:innen im Sinne eines unterstützenden Lernens in ihrer Entwicklung zu unterstützen.
Auch Fastenroth und Jochmann betonen unter Bezugnahme auf eine beidhändige Führung die Notwendigkeit eines breiten Repertoires an Führungsverhalten für eine erfolgreiche Führungskraft. Diese sollten „ein Inventar aus aufgaben-, mitarbeiter- und veränderungsorientiertem Führungsverhalten besitzen“ (Fastenroth/Jochmann 2019 :o.S.), um „auf die unterschiedlichen Anforderungen einer digitalen Welt bestmöglich vorbereitet zu sein“ und um die Transformation im Unternehmen erfolgreich umzusetzen.
Ambidextrie (Beidhändigkeit) in der Führung ist mit der einen Hand auf Exploitation (Fokus Effizienz und Optimierung der vorhandenen Prozesse und Produkte) und mit der anderen Hand auf Exploration (Fokus Flexibilität und Entwicklung neuer Produkte/Geschäftsmodelle) ausgerichtet. „Eine erfolgreiche Führung im Zeitalter der Digital Economy verlangt (…) die Fähigkeit, mit beiden Händen führen zu können und in der Lage zu sein, in einer spezifischen Situation die richtige Hand auszuwählen“ – wobei die Transformation stärker und häufiger den Einsatz von (Entwicklungs-)Geschwindigkeit und Innovation fordert.
Abbildung 3: Führungsverhalten auf dem Kontinuum der Ambidextrie nach Fastenroth/Jochmann (2019)
Neben Transformational Leadership (s.o.) ist insbesondere auch die Digitale Führung geeignet, Innovation und Transformation in Unternehmen zu fördern.
Es werden verschiedene Ausprägungen von Digital Leadership diskutiert. Die bekannteste Denkrichtung ist dabei diejenige, die Führung als „zentralen Stellhebel zur Sicherung des digitalen Transformationserfolgs“ betrachtet (Weibler 2023 :713). Digital Transformative Leadership geht von einer digitalen Führungspersönlichkeit aus: „Transformative leadership is about creating a vision, inspiring others to follow that vision and empowering them to achieve it (…)“ (Abatiello 2023 :o.S.).
Das Führungsverständnis basiert auf den fünf Grundprinzipien von VOPA+:
Abbildung 4: VOPA+ Modell Petry 2016 basierend auf Buhse 2014
- Vernetzung: Führungskräfte schaffen Strukturen und setzen Technologien ein, die es den Mitarbeiter:innen ermöglichen über räumliche, hierarchische und innerorganisationale Grenzen hinweg Wissenstransfer zu ermöglichen und zusammenzuarbeiten.
- Offenheit: Führungskräfte sind offen für Neues und Experimente. Dafür geben sie den Mitarbeiter:innen die Freiräume und Möglichkeiten zu selbst organisierter Zusammenarbeit.
- Partizipation: Entscheidungen werden – in unterschiedlichen Graden – unter Einbeziehung von Mitarbeiter:innen getroffen.
- Agilität: Führungskräfte denken in Szenarien, halten Optionen offen, experimentieren mit Lösungsansätzen und lernen sehr schnell aus den gemachten Erfahrungen.
- Vertrauen: Führungskräfte vertrauen den Mitarbeiter:innen radikal und begegnen ihnen mit grundsätzlich positiven Erwartungen in Bezug auf deren zukünftiges Handeln. Dabei geht die Führungskraft davon aus, dass sich die Mitarbeiter:innen spiegelbildlich hierfür revanchieren – also Vertrauen mit Vertrauen vergelten (Reziprozitätsverhalten). Ohne eine Vertrauensbasis sind Vernetzung, Offenheit, Partizipation und Agilität nicht möglich.
Eine VOPA+ Kultur bedeutet letztlich „ein Empowerment der Mitarbeiter“, was eine positive Wirkung auf „Leistung, Arbeitszufriedenheit und Engagement“ hervorbringt (Petry 2016 :59).
Festzustellen ist hierzu allerdings, dass das Empowerment-(Leadership-)Konzept deutlich über die fünf Grundprinzipien von VOPA+ hinausgeht und stärker auf die „Ermöglichung eines autonomen Verhaltens der Geführten, sei es durch strukturelle Maßnahmen, sei es durch eine auf die Psyche abzielende indirekte Anregung“ (Weibel 2023 :678) abzielt.
Fraglich erscheint, inwieweit die Betonung eines visionären Digital Leaders mit dem Autonomie Gedanken in der Führungspraxis in Übereinstimmung zu bringen ist.
Der hier vorgenommene Bezug auf die transformationale und transaktionale Führung sowie Digital Transformative Leadership (s.o.) schließt eine Bezugnahme auf weitere Modern Leadership Ansätze (wie z.B. Complexity Leadership oder Servant Leadership) im Rahmen des Führungshandelns nicht aus.
3. Kultur – Führung in sozio-kulturellen Lebenswelten
Gegenstand dieses Quadranten ist die Beziehungs- und Kulturentwicklung innerhalb der Organisation. Zwischenmenschliche Prozesse zwischen Führungskraft und Geführten als auch zwischen den Geführten selbst (Teamentwicklung) sind hier ebenso zu betrachten wie die Verwendung von Symbolen in Führungskulturen.
„Effektive Teamarbeit ist nur in einer psychologisch sicheren Arbeitsumgebung möglich“ (Edmondson 2020 :196). Psychologische Sicherheit beschreibt dabei im organisationalen Kontext die geteilte Überzeugung in einem sicheren Umfeld zu hinterfragen, zu kritisieren, abweichende Meinungen zu vertreten, unkonventionelle Ideen einzubringen oder Fehler eingestehen zu können, ohne dafür negative Konsequenzen von den Teammitgliedern oder der Führungskraft erwarten zu müssen. Unstrittig ist, dass die Beziehungsgestaltung unter den Teammitgliedern selbst (Lernorientierung, Kommunikation und Konfliktverhalten) als auch Führung (z.B. transformational) psychologische Sicherheit entstehen lassen.
„Selbstführung und Selbstorganisation können nur durch gelingende Kommunikation und Entscheidungsprozesse im Team zu mehr Flexibilität, Kreativität und Innovationen führen“ (Bachmann/Quispe Bravo 2021 :323). Psychologische Sicherheit kann damit als wesentliches Element gelingender Teamarbeit betrachtet werden.
Die Nutzung von kommunikationsorientierten, handlungsorientierten oder objektbezogenen Symbolen durch Führungskräfte zielt insbesondere auf Sinnvermittlung, Sinnstärkung und Sinnveränderung ab. Die Nutzung von Symbolen im Rahmen der Führung erfordert soziale Kompetenzen der Führungskräfte und ist für diese herausfordernd, um tatsächlich Vertrauen zu erwecken.
4. Organisation – Führung in und durch Strukturen und Führungssysteme
Dieser Quadrant von Führung beinhaltet die strukturell-systembezogenen Führungsformen. Hierzu zählen insbesondere Formen der indirekten Führung. Zu deren Gestaltungsinstrumenten gehören z.B. Führungsgrundsätze, Beurteilungs- und Anreizsysteme, welche gewünschtes Verhalten auslösen und einem unerwünschten Verhalten entgegenwirken sollen. Von besonderer Bedeutung ist im Rahmen der Transformation auch ein integriertes und nachhaltiges Change Management. Ein solches Change Management dient dazu, „Risiken zu reduzieren, die sich durch Optimierung, organisatorische Veränderung und Transformation ergeben können“ (Keuper/Groten 2007 :12).
Führungsgrundsätze sollen für das Thema Führung bewusst sensibilisieren, einen Orientierungsrahmen für Führungskräfte und Mitarbeiter:innen und ein gemeinsames Verständnis von Führung in einer Organisation schaffen. Der Einsatz von Führungsgrundsätzen erfordert allerdings eine Aktivität des Führenden zur ständigen Überprüfung des eigenen Führungsverhaltens und bei Bedarf zu einer entsprechenden Anpassung.
Ein Anreizsystem kann als Zusammenfassung aller bewusst gestalteten Arbeitsbedingungen definiert werden. Als Anreizarten können materielle (monetär) und immaterielle (nicht monetäre) Anreize unterschieden werden. Während die monetären Anreize der Vergütung primär auf die extrinsische Motivation abzielen, wirken die nicht-monetären Anreize (Personalentwicklung, Arbeitszeitmodelle, u.a.) auf die intrinsische Motivation von Mitarbeiter:innen.
„Je besser die betrieblichen Anreize auf die Unternehmensvision und -strategie ausgerichtet sind, desto stärker fällt die Steuerungswirkung aus und desto mehr wird die operative Führungsarbeit unterstützt“ (Schirmer/Woydt 2016 :8).
Fazit
Das Konzept der integralen Führung mit seinen vier grundlegende Führungsperspektiven, bietet einen umfassenden Blick auf die Wirkfaktoren von Führung. Es stellt Führungskräften einen Rahmen für ein erfolgreiche Führung in der Transformation zur Verfügung, ohne einen „one-best-way“ zu postulieren. Statt Aktionismus und Schnellschüssen aus einer Richtung (Perspektive) ermöglicht dieser Denkrahmen das Erkennen und Ausschöpfen bisher ungenutzter Potenziale durch bewusst ganzheitliches Führungsdenken und -handeln.
Dabei entsteht eine Fülle von Antworten, wie eine gute und zukunftweisende Führung in Unternehmen auch unter schwierigen und veränderten Rahmenbedingungen gelingen kann.
Führungskräfte, die integral führen, sind in der Lage den Wandel in Unternehmen erfolgreich zu gestalten und als Vorbilder in puncto Selbstführung einen positiven Beitrag zur Stabilisierung der Gesundheit von Mitarbeiter:innen angesichts des Veränderungsdrucks zu leisten.
Die gegenwärtige Zeit fordert schließlich von Führungskräften eine klare Haltung für ein neues Miteinander zu zeigen, wie es die Initiative #Zusammenland – Vielfalt macht uns stark! zum Ausdruck bringt.
Hinweise:
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Literatur:
Abatiello, A. (2023): How transformative leadership can improve performance and drive business reinvention
Ärzteblatt.de (2023): Krankheitstage wegen psychischer Erkrankungen weiter gestiegen
Bruch, H./Lee, P. (2013): Die erschöpfte Führungskraft in: Personalmagazin Heft 11/2023
Buchenau (2020) Kleine Stresskunde in: Euler (Hrsg.) Anti-Stress Trainer. Springer Fachmedien Wiesbaden
Bundesanstalt für Arbeitsschutz und Arbeitsmedizin (2023): Volkswirtschaftliche Kosten durch Arbeitsunfähigkeit 2022
Edmondson, A.C. (2020) Die angstfreie Organisation. Vahlen Verlag
Future Excellence -Kuhlmann, H. (o.J.): Integrale Mitarbeiterführung
Janssen, B. / Grün, A. (2017): Stark in stürmischen Zeiten. Ariston Verlag
Keuper, F./Groten, H. (2007) Nachhaltiges Change Management. Springer Nature
Petry, T.Digital Leadership – Unternehmens.- und Personalführung in der Digital Economy. in Petry, T. (Hrsg.) Digital Leadership 1. Auflage (2016) Hauf-Lexware
Schirmer, U./Woydt, S. (2016) Mitarbeiterführung (3. Auflage). Springer Verlag
Schomburg, F. et al Paradigmenwechsel in der Führung – Zukunft ohne Management? In: Petry, T. Digital Leadership 1. Auflage (2016) Haufe-Lexware
Weibler, J. (2023) Personalführung (4. Auflage) Vahlen Verlag
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Stephan Pust
Stephan Pust war lange Zeit Führungskraft in der IT. Heute unterstützt er als freiberuflicher Trainer und Berater Führungskräfte beim organisationalen Wandel und als Impulsgeber für Veränderungen in der neuen Arbeitswelt. Dabei kommt ihm auch seine umfangreiche Erfahrung als Prozessmanager zu Gute. Außerdem ist er als Lehrbeauftragter für verschiedene Universitäten in Niedersachen tätig, um seine beruflichen und persönlichen Erfahrungen an zukünftige Fach- und Führungskräfte weiterzugeben.