Das interaktive Beacon

Gastbeitrag von | 20.05.2019

Wie interaktive Beacons unser Leben verändern könnten. Ein Blick in die Zukunft.

Wir leben in einem Zeitalter, in dem permanent neue Technologien auftauchen. Sie verändern die Art und Weise, wie wir miteinander umgehen. Das heute berühmte “Internet of Things” (IoT) bzw. “Internet der Dinge” stellt eine große Veränderung unserer Vorstellung von Technologie und ihrer Rolle in der Welt dar. Dabei steht das Internet der Dinge als Begriff für eine Vielzahl von Technologien, die eine Reihe von verschiedenen Möglichkeiten beschreiben, physische Dinge mit dem Internet zu verbinden. Neben den technischen Aspekten des Zusammenwirkens führt das zu gravierenden Veränderungen in unserem Weltbild. Bewegungen in der realen Welt werden ein digitales Ergebnis haben, und digitale Handlungen werden physische Veränderungen bewirken. Eine Schlüsselkomponente ist dabei die sogenannte Proximity. Proximity bedeutet, dass ein IoT-fähiges Objekt je nach Standort reagiert und sich ändert. Und das führt mich zum Thema des Beitrags: interaktive Beacons.

Was sind interaktive Beacons?

Interaktive Beacons sind eine neue proximity Technologie, mit der man in Zukunft standortbezogen und direkt mit seiner Umwelt interagieren kann. Jeder Nutzer, aber auch jedes bedienbare Gerät, jede Funktionseinheit bekommt sein eigenes interaktives Beacon, um sich wechselseitig und automatisch zu triggern, zu interagieren und Informationen auszutauschen. So sendet bspw. ein Nutzer mit Hilfe einer Beacon-App permanent parametrisierte Kurznachrichten an seine direkte Umgebung und empfängt gleichzeitig Beacon-Nachrichten anderer Nutzer. Es entsteht eine Kommunikation zwischen den Beacon-Apps aller Nutzer, die lokal, direkt und in Echtzeit mit Hilfe von digitalen Endgeräten funktioniert. Das spannende daran: weitere Infrastruktur wird nicht benötigt.

Der aktuelle Stand

Beacons werden schon seit einigen Jahren insbesondere als Lokalisierungsfunktion in Innenräumen und für Marketingmaßnahmen am Point of Sale eingesetzt. Bekannte Beispiele sind der iBeacon von Apple oder Eddystone von Android, die beide unter Bluetooth Low Energy laufen. Beide Systeme versenden lokal in ihrer Bluetooth-Reichweite eine spezielle ID, deren Spezifikation in einer Datenbank gespeichert werden. Kommt nun ein Nutzer in die Reichweite eines Beacons, wird dieser von einer Software auf dem Smartphone erkannt und damit auch die eigene Position annähernd ermittelt. Bei Eddystone kann auch direkt eine URL versendet werden, so dass der Kunde direkt auf die Angebotsseite des Ladens geführt wird, vor dessen Beacon er gerade steht.

Dieses als “Physical Web” bezeichnete Verfahren, smarte Gegenständen mit einem Beacon zu versehen, der permanent eine URL verschickt, bietet zahlreiche Vorteile, um die reale und virtuelle Welt miteinander zu vernetzen, setzt aber immer ein funktionsfähiges Internet bzw. Mobilfunknetz voraus.

Stand heute werden die Möglichkeiten von interaktiven Beacons nicht einmal ansatzweise ausgeschöpft, denn es fehlt ein globaler Standard und in der Folge auch die Marktdurchdringung mit Hilfe der großen globalen Player. Leider wiederholt sich beim Beacon-Markt die gleiche Fragmentierung in Beacons von Android und von Apple. Dies verhindert bis heute den großen Durchbruch, wobei objektiv der Eddystone-Beacon als zukunftsorientierter gilt.

Eine weitere Form von Beacons bietet der sogenannte Wireless Access Point im WLAN, der meist als Router kleine Datenpakete mit seinem Namen (SSID) und anderen Zugriffsparametern zyklisch als Broadcast versendet. Im Vergleich zu iBeacon und Eddystone wird der Inhalt des SSID-Datenpakets plattformübergreifend bei allen Betriebssystemen ohne spezielle App als Klartext angezeigt. Sichtbar wird dieser Inhalt als Netzwerkname unter verfügbaren Verbindungen bzw. Netzwerken. Tatsächlich kann ich schon heute diese Funktion als privates Beacon zur Kommunikation mit meiner unmittelbaren Umgebung einsetzen. Mein Netzwerkname „ heute volleyball 15 uhr“ wird zur Nachricht und sofort auf allen Geräten in meiner WLAN-Reichweite angezeigt. Auch Antworten sind auf demselben Wege möglich; man muss lediglich sein Gerät als Hotspot einrichten und als Netzwerkname seine Nachricht eintragen.

Auch analog funktioniert dieses Vorgehen mit wifi direct. Hier wird der Gerätename als verfügbares wifi-direct Gerät angezeigt, und sobald man den Gerätenamen als Nachricht abspeichert, wird diese für alle Geräte im nahen Umfeld sichtbar und lesbar. So lassen sich mit allen Nutzern im nahen Umfeld Kurznachrichten mit maximal 32 Zeichen austauschen. Ein Mobilfunknetz wird nicht benötigt und auch kein Internet, keine App, keine Mailadresse, denn lediglich der Gerätename oder die SSID werden wie bei einem Rundschreiben versendet und jeder Nutzer in der Umgebung – unabhängig davon ob er mir bekannt oder unbekannt ist – kann den Inhalt lesen und bei Interesse antworten.

Ein Anwendungsszenario für ein interaktives Beacon

Nehmen wir mal Herrn Meier. Wie könnte das Leben von Herrn Meier in Zukunft aussehen und was könnte sein interaktives Beacon für ihn alles leisten?

Herr Meier ist viel unterwegs, er hat auf seinem Smartphone eine Beacon-App installiert und diverse Voreinstellungen vorgenommen. Neben einem “Nickname” hat er seine Lieblingstemperatur am Tag wie in der Nacht eingetragen, sein Lieblingslicht beim Arbeiten, beim Essen und Entspannen, seine Vorlieben beim Essen und Trinken, und einige Infos zu seinem Multimediageschmack wie Musikrichtungen, Filmgenre oder Lieblingssender.

Startet er seine App, sendet sein Smartphone die eingestellten Parameter als lokale Kurznachrichten zeit- und standortabhängig, ähnlich wie eine automatische Fernbedienung. Damit seine Wünsche umgesetzt werden, muss jegliche smarte Haustechnik die Beacon-Nachrichten lesen und darauf entsprechend reagieren können, so dass im Schlaf-, Wohn- oder Arbeitszimmer die Heizung, das Licht und das Infotainment ganz automatisch entsprechend seiner Wünsche eingestellt werden.

Interessant wird es, wenn Herr Meier in andere Smart Home Bereiche kommt, die ebenfalls mit Beacons arbeiten. Auch dort muss er – obwohl unbekannt – nichts manuell einstellen, denn seine Beacon-App sorgt dafür, dass im Mietwagen, im Hotelzimmer, im ICE, im Flieger, im Restaurant, auf dem Kongress alles nach seinen persönlichen Vorlieben eingestellt wird und sich der jeweilige Bereich mit all seinen Möglichkeiten wie Licht, Heizung, Musik, TV, Getränke, Speisen usw. sofort personalisiert.

Das Besondere an dieser Technologie ist, dass Herr Meier seine App nur einmal einstellen muss, danach agiert sie komplett autonom im Hintergrund. Natürlich kann er seine Parameter immer wieder manuell verändern oder sie mit Geodaten verknüpfen, so dass bestimmte Einstellungen nur im Büro, zu Hause oder bei seinem Lieblingsitaliener aktiv im Hintergrund werkeln.

Eine interessante Anwendung wäre der Memory-Effekt bei Aufzügen. Der Aufzug merkt sich, dass Herr Meier in der 7. Etage eingestiegen und im EG ausgestiegen ist. Kommt Herr Meier mit vollen Einkaufstaschen wieder, muss er keinen Etagen-Knopf drücken, denn der Aufzug erkennt Herrn Meier anhand seines interaktiven Beacons und bringt ihn nun automatisch dorthin, woher er gekommen ist und zwar in die 7. Etage. Und möchte er stattdessen zu einem Freund, der in der 5. Etage wohnt, kann er dies wie bisher mit einem einfachen Knopfdruck initiieren.

Weitere Einsatzszenarien von interaktiven Beacons

Interaktive Beacons können als offenes System noch einiges mehr. Sie lassen sich zum lokalen Chatten nutzen, sie helfen beim Finden von Menschen mit ähnlichen Interessen oder bei der Kontaktaufnahme mit passenden beruflichen Kontakten auf Messen, Kongressen und anderen Veranstaltungen. Alles was dafür benötigt wird, gibt es bereits. Durch die Beacons werden persönliche oder berufliche Parameter versendet und die Parameter der anderen Nutzer ausgewertet. Gibt es eine Übereinstimmung, kann man die jeweilige Person kontaktieren und bei Bedarf einen persönlichen Kontakt herstellen. Versenden bspw. zwei Personen auf einer Konferenz als Schlagwort “Solar”, so erkennen beide Nutzer leicht, dass es einen weiteren Interessenten zum Thema “Solar” gibt. Zeit für ein Kennenlernen.

Ebenso lassen sich mit Parametern zu Hobbys oder Vorlieben Gleichgesinnte in der U-Bahn, im Einkaufszentrum, am Strand oder im Restaurant kennenlernen. Das interaktive Beacon agiert wie eine kleine unsichtbare Suchanfrage an die Menschen in der unmittelbaren Umgebung.

Spannend ist auch der Einsatz von interaktiven Beacons im Handel. Bspw. könnte ein Kunde mit seiner Beacon-App seine Einkaufsliste digitalisieren, die dann in Einzelhandelsbereichen wie Verbrauchermärkten, Einkaufszentren oder Fußgängerzonen permanent versendet wird. Als Folge erhält der Kunde entsprechende Angebote der Einzelhändler und wird ggf. auch direkt zur Ware navigiert. Das erspart ihm Zeit und erleichtert das Einkaufen. Und auch für den Einzelhändler wäre dies über den eigentlichen Verkauf hinaus positiv, denn mit etwas künstlicher Intelligenz könnte er dem Kunden, der eine blaue Jeans sucht, gleich ein passendes Oberteil oder ein Paar Schuhe anbieten. Werbung ließe sich endlich zielgenau im realen Leben ausspielen. Auch für ein solches Szenario gibt es bereits alles, was benötigt wird. 

Anwendungsszenarien für interaktive Beacons

Aktive und passive Beacons

Interaktive Beacon können in unterschiedlichen Modi betrieben werden. Werfen wir einen Blick auf den Heizungsklassiker:

Ein aktiver Beacon versendet immer seinen Wunschtemperatur-Parameter als Broadcast, egal wo sich der Nutzer befindet. Implizit übermittelt der Nutzer damit auch seine Anwesenheit. Die Heizung regelt daraufhin den Raum auf die gewünschte Temperatur, allerdings nur solange sich der Beacon aktiv im entsprechenden Raum befindet. Da viele unnötige Nachrichten durch das Beacon versendet werden, ist der Stromverbrauch relativ hoch. Dies ist eindeutig ein Nachteil von aktiven Beacons.

Beim passiven Beacon ist das Szenario ein anderes. Hier wartet der Nutzer mit seinem Smarphone auf den Beacon einer beacon-bedienbaren Heizungsanlage. Die Heizungsanlage hat ihren eigenen interaktiven Beacon, der anfangs nur anzeigt, dass hier in diesem Raum eine beacongesteuerte Heizungsanlage werkelt. Die Beacon-App des Nutzers erkennt dies und beginnt erst jetzt die entsprechenden persönlichen Parameter zu senden.

Auch beim passiven Beacon gilt: solange Parameter gesendet werden, ist jemand im Raum, werden keine Parameter mehr gesendet, hat der Nutzer den Raum verlassen und die Heizungsanlage kann die Raumtemperatur wieder auf den eingestellten Default-Wert regeln.

Fazit

Interaktive Beacons könnten sich zu einer neuen digitalen Form der Kommunikation entwickeln. Die Kontaktaufnahme und der Austausch untereinander, die zielgerichtete Kommunikation zwischen Kunde und Verkäufer, das Zusammenspiel von Nutzer und Haustechnik – es gibt schon heute eine Reihe von praktischen Beispielen. Da der Einsatz von interaktiven Beacon eine sehr hohe Skalierbarkeit bietet, könnten neue Geschäftsmodelle – insbesondere für standortbezogene Anwendungen – entstehen. Gerade im Zeichen eines respektvollen Umgangs mit der Umwelt kommt hier eine Technologie zur Anwendung, die primär ohne energieaufwendiges Internet bzw. Mobilfunk auskommt.

Ein letzter Gedanke zum Thema Sicherheit und Datenschutz. In Bezug auf Datenschutz ist die Verwendung von interaktiven Beacons sehr sicher, da es keinen Zwang zur Eingabe von Klarnamen oder zur Registrierung bspw. einer Geräte-ID gibt. Und auch der Missbrauch ist ebensowenig möglich, denn die Freiheitsgrade – in unserem Beispiel die Frage nach: dürfen auch “Fremde” die Temperatur regeln? – werden bspw. im Smart Home definiert. Natürlich könnte ein Smart Home System entsprechende Nutzer registrieren, aber selbst dann wären lediglich der Nickname und die ID bekannt.

Vielleicht ist es Ihnen aufgefallen: Ich bin ein Fan von interaktiven Beacons.

 

Hinweise:

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Frank-Holger Dobbert hat noch einen weiteren Beitrag im t2informatik Blog veröffentlicht:

t2informatik Blog: Rapid Prototyping mit Lego Mindstorms

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Frank-Holger Dobbert
Frank-Holger Dobbert

Als Dipl.-Ing. für Stadt- und Gebietsplanung hat sich Frank-Holger Dobbert viele Jahre mit Planungskonzeptionen und Wohngebietsprojektierungen beschäftigt. Seit 2000 ist er freiberuflich als 3D-Designer mit Schwerpunkt Architekturvisualisierung tätig. Zu seinen Hobbies zählen Radfahren und Möbelbau; beides hat er zu seinem Beruf gemacht: 2012 gründete er "Sonnenfahrrad" - ein Startup zur Entwicklung von Solarfahrrädern, 2014 folgte mit "Strandkraftwerk" ein Startup zum Bau von mobilen Solarmöbeln.