Der Abschied als Führungsaufgabe
Auswahl der zu kündigenden Mitarbeitenden – Transparenz und Fairness
Austritt- und Kündigungsgespräche – klare, empathische Kommunikation
Die Verhandlung der Abfindung – ein faires Angebot schaffen
Den Trauerprozess verstehen und begleiten
Integration der Change-Kurve im Team und beim scheidenden Mitarbeitenden
Kontakt halten – der Schlüssel für eine mögliche Rückkehr
Zusammenfassung: Abschied als Führungsaufgabe
Wie gestalten Sie Trennungsprozesse wertschätzend und zukunftsorientiert?
Wir lesen, hören und sehen es nahezu täglich in den Medien: Der deutschen Wirtschaft geht es schlecht! Oft folgt reflexartig die Entscheidung, dass die Belegschaft reduziert werden muss. Dafür gibt es verschiedene Ansätze wie Freiwilligenprogramme, Altersübergangsmodelle und natürlich die “gute alte” betriebsbedingte Kündigung. In so manchem Konzern wird sicherlich gerade intensiv mit der Arbeitnehmervertretung über solche Maßnahmen verhandelt. Und auch bei Zulieferbetrieben stehen schwierige Gespräche ins Haus.
Unabhängig davon, ist eine Kündigung für jede einzelne Person ein einschneidendes Erlebnis, das enorme Auswirkungen auf das Leben und das Selbstverständnis der Betroffenen hat. Für Führungskräfte bedeutet dies, sich einer ihrer schwierigsten Aufgaben zu stellen: Sie müssen entscheiden, wer das Team verlassen soll, die Kündigung (meist gemeinsam mit HR) aussprechen und die Auswirkungen auf das Team managen.
Dieser Artikel bietet eine ausführliche Anleitung für Führungskräfte, um Kündigungen professionell, fair und empathisch zu gestalten – denn der letzte Eindruck bleibt! Praxisnahe Beispiele sowie konkrete Do‘s and Don’ts sollen Führungskräfte unterstützen.
Lesen Sie, wie Sie diesen schwierigen Prozess so gestalten, dass trotz der Trennung eine positive Beziehung erhalten bleibt. Eine spätere Rückkehr der gekündigten Fachkräfte sollte stets das Ziel sein, denn auf jede wirtschaftliche Krise folgt ein Aufschwung. Unternehmen, die den Austritt respektvoll gestalten, haben die Chance, die dann dringend benötigten Fachkräfte zurückzugewinnen.
Dieser Prozess betrifft nicht nur den ausscheidenden Mitarbeitenden, sondern auch das verbleibende Team. Es sind oft die zurückgebliebenen Kolleginnen und Kollegen, die später von ihrer positiven oder negativen Erfahrung berichten.
Schritt 1: Auswahl der zu kündigenden Mitarbeitenden – Transparenz und Fairness
Nach der Entscheidung der Unternehmensleitung über die Einsparungssumme informiert HR darüber, wie viele Stellen in welchen Bereichen abgebaut werden sollen. Die Verantwortung, die betroffenen Mitarbeitenden auszuwählen, liegt meist bei der Führungskraft. Statt sich allein im Büro zu verschließen und das Team lange im Ungewissen zu lassen, sollten Führungskräfte offen mit dieser Herausforderung umgehen und erklären, wie sie selbst mit dieser schwierigen Situation umgehen.
Führungskräfte sollten möglichst frühzeitig ein erstes Team-Meeting anberaumen, um zu erläutern, wie die nächsten Schritte aussehen und welche nachvollziehbaren, objektiven Kriterien die Auswahl leiten. Auch alternative Optionen wie Freiwilligenprogramme und Altersübergangsmodelle sollten transparent angesprochen werden. Diese Offenheit beugt Spekulationen und Misstrauen vor und stärkt das Vertrauen in die Führung.
In dieser Phase steht das Team oft unter Schock. Auch wenn klar war, dass sich das Geschäft rückläufig entwickelt, ist die Gewissheit, dass nun Konsequenzen folgen, schwer zu verarbeiten. Das Team sieht sich mit Veränderungen konfrontiert, die es sich nicht selbst ausgesucht hat.
Schritt 2: Austritts- und Kündigungsgespräche – klare, empathische Kommunikation
Nachdem die Auswahl getroffen und mit HR abgestimmt wurde, beginnt der eigentliche Austrittsprozess mit dem Kündigungsgespräch.
- Sorgen Sie dafür, dass für die betroffenen Mitarbeitenden nach dem Gespräch keine wichtigen Termine mehr anstehen und geben Sie ihnen, wenn möglich, die Freiheit, nach Hause zu gehen.
- Das Gespräch sollte in einem geschützten, ungestörten Rahmen stattfinden, und die Botschaft sollte respektvoll sowie klar übermittelt werden. Reden Sie nicht um den heißen Brei herum, um sich selbst Zeit zu verschaffen. Bitte kein Small-Talk oder zusätzliche Themen besprechen.
Beispielhafte Dialoge für ein Kündigungsgespräch:
Einführung und Transparenz
“Herr Meier, ich weiß, dass dies ein sehr schwieriges Gespräch ist. Die Entscheidung ist uns nicht leichtgefallen, und ich möchte Ihnen die Gründe dafür transparent erläutern. Wir stehen aktuell vor wirtschaftlichen Herausforderungen und müssen leider Stellen abbauen. Ihre Arbeit war stets wertvoll, und die Entscheidung reflektiert in keiner Weise Ihre Leistung.”
Raum für Emotionen
“Ich verstehe, dass dies eine schockierende Nachricht ist. Nehmen Sie sich die Zeit, die Sie brauchen, und sprechen Sie mich gern an, wenn Sie Fragen haben.”
Zukunftsperspektive bieten
“Wir möchten Ihnen den Übergang erleichtern und stehen für eine Empfehlung zur Verfügung. Wenn sich die Situation verbessert, würden wir uns sehr freuen, Sie in Zukunft wieder an Bord zu haben.”
Schritt 3: Die Verhandlung der Abfindung – ein faires Angebot schaffen
Abfindungsangebote sollten nicht nur die gesetzlichen Mindestanforderungen erfüllen. Eine faire Abfindung signalisiert Wertschätzung und zeigt, dass die betriebliche Entscheidung den Menschen nicht aus den Augen verliert.
Wichtig: Vermeiden Sie zusätzlichen Druck während der Verhandlung und bieten Sie Unterstützung an. Ziel ist es, dass der Mitarbeitende sich gerecht behandelt fühlt und auf eine Kündigungsschutzklage verzichtet. Hier gilt es, Eskalationen zu vermeiden, die oft zu einem “Wir gegen sie”-Gefühl führen.
Schritt 4: Den Trauerprozess verstehen und begleiten
Kündigungen sind schmerzhafte Einschnitte, die als “kleiner Tod” empfunden werden können. Die Phasen der Trauer – Schock, Verleugnung, Zorn, Verhandeln, Depression und Akzeptanz – müssen anerkannt und begleitet werden.
Für den scheidenden Mitarbeitenden: Lassen Sie Raum für Trauer und Zorn. Verzichten Sie auf Phrasen wie “Das Leben geht weiter”. Ein wertschätzender Abschied, beispielsweise durch ein informelles Treffen oder eine kleine Abschiedsfeier, bietet die Möglichkeit, positive Eindrücke zu hinterlassen.
Für das verbleibende Team: Die zurückbleibenden Kollegen durchlaufen ebenfalls einen Trauerprozess. Stehen Sie für Fragen bereit und geben Sie dem Team die Chance, gemeinsam über die Situation zu sprechen.
Schritt 5: Integration der Change-Kurve im Team und beim scheidenden Mitarbeitenden
Die Change-Kurve, die den emotionalen Verlauf vom Schock zur Akzeptanz beschreibt, kann Orientierung bieten:
Beim scheidenden Mitarbeitenden: Nach dem Schock kann ein Coaching zur beruflichen Neuorientierung hilfreich sein. Der Abschluss des Offboardings sollte mit einer wertschätzenden Geste stattfinden.
Für das Team: Eine moderierte Team-Retrospektive schafft Raum für Reflexion und hilft, Zukunftsperspektiven gemeinsam zu entwickeln.
Change-Kurve: Emotionales Erleben im Veränderungsprozess
Als Führungskraft ist es notwendig, die Mitarbeitenden in der Veränderungskurve einzuordnen. Befindet sich eine Mitarbeiterin oder ein Mitarbeiter noch in der Trauerphase oder ist er schon bereit für Neues? Die Antwort bestimmt den Zeitpunkt, Dinge anzupacken. Neue Strategien oder Strukturen können nicht implementiert werden, wenn sich Mitarbeitende noch im Schock-Zustand befinden.
Schritt 6: Kontakt halten – der Schlüssel für eine mögliche Rückkehr
Der Kontakt zu ausgeschiedenen Mitarbeitenden kann langfristig wertvoll sein. Einige können zu späteren Kunden oder Botschaftern werden. Eine wertschätzende Haltung ist auch hier entscheidend:
- Einladungen zu Firmenveranstaltungen: So bleiben Ehemalige Teil des Netzwerks.
- Soziale Vernetzung: Nutzen Sie Plattformen wie LinkedIn, Xing oder Instagram.
- Persönliche Grüße: Kleine Gesten wie Geburtstagsgrüße halten die Bindung lebendig.
Zusammenfassung: Abschied als Führungsaufgabe
Abgeleitet aus diesen 6 Schritten ergeben sich für Führungskräfte einige Do’s und einige Don’ts im Zuge von Abschieden bzw. Kündigungen.
Zu den Do’s zählen:
- Transparent kommunizieren und Raum für Fragen schaffen.
- Emotionen zulassen und aktiv auf Unsicherheiten eingehen.
- Das Team einbeziehen und den Abschied würdigen.
- Den Kontakt pflegen und so Rückkehrmöglichkeiten öffnen.
Folgende Don’ts sollten Führungskräfte vermeinden:
- Kündigungen ohne Vorwarnung aussprechen.
- Kündigungen unpersönlich per E-Mail übermitteln.
- Das Team ohne Erklärung zurücklassen.
- Den Kontakt zu ausscheidenden Mitarbeitenden abbrechen.
Fazit: Ein wertschätzender Abschiedsprozess stärkt die Unternehmenskultur und legt den Grundstein für eine mögliche Rückkehr wertvoller Mitarbeitender. Führungskräfte, die mit Empathie und Weitblick handeln, gestalten den Abschied als eine langfristige Investition in die Zukunft.
Hinweise:
Wollen Sie mehr über das Thema wertschöpfendes und wertschätzendes Offboarding erfahren? Dann empfehlen wir Ihnen gerne das Buch Arbeitszeugnisse erstellen in agilen Organisationen von Natalia Hoffmann-Demsing. Und wenn Sie sich mit Frau Hoffmann-Demsing austauschen wollen, dann lohnt sich ein Besuch auf ihrer informativen Website.
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Natalia Hoffmann-Demsing hat einen weiteren Beitrag im t2informatik Blog veröffentlicht:
Natalia Hoffmann-Demsing
Natalia Hoffmann-Demsing ist Senior Business-Coach, Beraterin und Facilitator mit mehr als 30 Jahren Erfahrung in der Industrie, Telekommunikation und Finanzwesen. Sie unterstützt Führungskräfte dabei, bereichsübergreifende Zusammenarbeit und nachhaltige Veränderungen zu fördern. Als ehemalige Geschäftsführerin und HR-Chefin weiß sie, wie wichtig eine klare und wertschätzende Kommunikation der Führungskraft in Transformationsprozessen ist. Mit einem Fokus auf Agilität und individuelle Entwicklung begleitet sie Führungsteams, die ihre Rollen authentisch und wirksam gestalten möchten.
Sie ist ausgebildeter systemischer Business-Coach, lizensierte MBTI®-Trainerin, Trainerin (IHK), Agile Coach und Fachbuchautorin (Haufe und ManagerSeminare). Sie versteht sich als Bindeglied zwischen der traditionellen und der agilen Arbeitswelt und bewegt sich spielerisch zwischen den Welten. Im Zentrum ihres Wirkens steht stets der Mensch und die Schaffung von Rahmenbedingungen, in denen Menschen ihre Stärken wirksam einbringen und intrinsisch motiviert arbeiten können.