New Work meets Stand-up

Gastbeitrag von | 18.10.2018

Was wir von der Comedy-Bühne lernen können.

Viele Jahre habe ich als Stand-up Comedian auf den Bühnen dieser Republik gestanden. Live-Show-Abende mit einem Publikum, welches mitmacht, Teil der Geschichten wird und immer gut gelaunt ist. Manchmal werde ich gefragt, ob ich die Stand-up vermisse. Mehrfach habe ich diese Frage verneint und dann musste ich tatsächlich das erste Mal ein bisschen mehr darüber nachdenken: Warum vermisse ich die Stand-up nicht? Die Antwort ist relativ einfach, wenn man sich ein wenig Zeit zum Nachdenken nimmt.

Stand-up ist keine Tätigkeit oder eine Erfahrung, die man nur auf der Bühne machen kann. Stand-up ist eine Lebenseinstellung. Und damit meine ich nicht, dass ich am Samstagabend auf einer Geburtstagsparty in der Küche eine 20-minütige Darbietung abgebe. Stand-up ist mehr! Stand-up ist eine Haltung. Eine Haltung, die das eigene Leben und das der anderen Menschen um mich und dich herum auf eine erfrischende Art und Weise erheitern kann. Es geht um einen Energieaustausch zwischen allen Beteiligten im Raum. Stand-up ist Ekstase, Therapie, Traum und Wirklichkeit zugleich. Da Sie sicherlich nicht mehrere Jahre auf den Bühnen verbringen möchten, um in den Genuss zu kommen, gibt es hier die Abkürzung: Meine Grundpfeiler für mehr Freude und Tiefgang auch und besonders im Arbeitsleben!

„Always be yourself, express yourself, have faith in yourself, do not go out and look for a successfull personality and duplicate it.“ Bruce Lee

110 % Authentizität – Das Ende der Maske

Das Buzzword der letzten Jahre steht auch hier ganz vorne. Ohne Authentizität gibt es keine gute Stand-up. Nach der amerikanischen Philosophie ist es das Fundament einer gelungenen, mit dem Publikum verbundenen Bühnenperformance. Das gleiche gilt auch für den Alltag. Immer wenn wir in eine Rolle schlüpfen, verbrennen wir extrem viel Energie. Energie, um diese Rolle gekonnt auszufüllen. Wir verbergen unser wahres Ich, leben für Minuten, Stunden oder sogar ein ganzes Leben in einer Scheinwelt, die wir nach außen fröhlich präsentieren. Viele Angestellte setzen morgens auf dem Weg ins Büro eine Maske auf und setzen diese wieder ab, wenn sie Zuhause angekommen sind. Ein Zustand, der sehr viel Energie kostet und diese wiederum fehlt dann, um sich sportlich zu betätigen oder Freunde zu treffen. Manche Menschen werden im Laufe ihres Lebens eins mit der „Social Mask“. Gesicht und Maske schmelzen zusammen und man wird zu einer „neuen Person“.

Als ich vor vielen Jahren das erste Mal mit meinen Themen, der Bühne und dem Publikum eins wurde, war mir klar: Es geht nur so! Es gibt keinen Weg zurück. Ich bin ich und das bin ich auch auf der Bühne. Heute weiß ich: Das gilt überall. Ich möchte nicht in normalen Alltagssituationen eine Person sein, die ich nicht bin. Ich möchte zeigen wer ich bin, was ich denke und wofür ich brenne. Diese Konstante zwischen Arbeit und Leben ist ein extrem wichtiger Faktor, um mit dem eigenen Energiehaushalt sparsam zu wirtschaften und mehr Freude und Gelassenheit zuzulassen.

Der große Vorteil (oder betriebswirtschaftlich ausgedrückt: der wirtschaftliche Faktor) bei der Authentizität ist ganz klar die Glaubwürdigkeit. Wenn jemand real ist, dann vertrauen wir ihm oder ihr. Glaubwürdigkeit und Vertrauen sind zwei Werte, die in der Geschäftswelt einen immens hohen Stellenwert haben. Wir kaufen Produkte oder Dienstleistungen, weil wir der Firma, einer Person oder Referenz-Kunden vertrauen. Authentizität ist das Fundament für Glaubwürdigkeit. Der Turbo für Vertrauen.

Die Reflexion und das Positive im Negativen

Gute Stand-up ändert den Blickwinkel auf Geschichten und Situationen im Alltag. Durch eine neue Sicht, durch eine andere Herangehensweise und Vergleiche werden diese völlig neu dargestellt. Man lacht, fühlt sich gut und hat als Zuschauer ebenfalls einen neuen Blickwinkel angenommen. Humor ist DAS Tool um neue Sichtweisen zu kreieren und um die Ecke zu schauen. Dadurch reflektiert man als Stand-up Comedian ungemein.

Die besten Geschichten waren die Alltagssituationen, die ich zu 100 Prozent erlebt und mit einer neuen Herangehensweise reflektiert habe. Der positive Beigeschmack dieser Mechanik: Man reflektiert permanent. Alle Alltagssorgen, Beziehungsprobleme, Kommunikationsfehler im Freundeskreis oder Absurditäten innerhalb der Familie werden auf die Bühne gebracht und lösen sich danach in Luft auf. Man sieht diese Situationen auf eine andere Art und Weise und kann auf einmal damit umgehen.

Comedy is tragedy! Dieser Spruch ist in der Szene allseits bekannt. Comedy ist Tragik oder andersrum gesprochen: Aus der Tragik entsteht Comedy. Aus tragischen Situationen etwas komisches herauszuziehen ist ein Fundament der modernen Stand-up. Es geht um einen positiven Dreh. Diese Erkenntnis hilft auch fernab der Bühne. Jeden Tag gibt es negative Schlagzeilen, ein wichtiges Projekt kippt oder man hat eine Meinungsverschiedenheit mit dem Chef. Humor hilft in diesen Situationen ungemein. Man dreht etwas Negatives in Bruchteilen von Sekunden ins Positive. Humor ist sozusagen ein modernes Therapiemittel, welches in homöopathischen Dosen selbst verabreicht wird.

Vor einigen Jahren sagte mal ein sehr erfolgreicher Unternehmer zu mir: „Die meisten Menschen reflektieren einfach nicht oder zu wenig. Aber genau darin liegt der Grundstein für Erfolg.“ Ein Satz, der mich damals zum Nachdenken gebracht hat und für mich noch heute relevant ist. Ich bin der felsenfesten Überzeugung, dass wir uns vielleicht sogar zwingen müssen neue Sichtweisen einzunehmen, um über den Tellerrand hinauszublicken. Wer kennt noch die Zeit im Studium, als die BWLer mit den BWLern zu tun hatten, Juristen mit Juristen redeten und auch die Mediziner abgeschottet waren. In einer Welt, die sich so schnell ändert, muss man sich austauschen, um neue Ideen zu bekommen und dabei spielerisch zu reflektieren. Genau das ist Stand-up!

Monolog war gestern – Dialog is king!

In meiner Karriere habe ich ziemlich schnell gelernt, dass es in den verschiedenen Comedy Clubs Situationen gab, die magisch waren. Wenn ich im Nachgang darüber nachgedacht habe, war meistens eine Interaktion mit dem Publikum vorausgegangen. Ein Zuschauer lacht besonders laut, ein Pärchen hält sich in der ersten Reihe die Händchen, Zwischenrufe oder absurde Handlungen während der Show. Auf diese Situationen habe ich sehr spontan reagieren müssen. Damit habe ich meine Komfort-Zone verlassen und es war nicht sicher, dass das Publikum diese Interaktionen lustig findet. Im Laufe der Zeit habe ich festgestellt, dass die Zuschauer Spontanität und Improvisationen lieben, genauso ging es mir dann auch. Die Magie der Ahnungslosigkeit, nicht zu wissen, was durch den nächsten Dialog passiert wird, führte immer öfter zu einer heftigen Publikumsreaktion. Die Lacher waren lauter und länger und manchmal gab es Sequenzen in der Show, die komplett improvisiert waren (Mein ungewollter Rekord lag bei ca. 35 Minuten reiner Dialog mit dem Publikum).

Heute weiß ich: Die Zuschauer werden gerne zu einem Teil der Seifenoper und in die Geschichten integriert. Jeder Abend ist anders, jede zufällige Situation verschiebt „das Ganze“ in eine neue Richtung. Das ist die Magie auf der Bühne, aber das ist auch vollkommen normal! In jedem Gespräch mit einer Person, die wir gerade kennenlernen, haben wir die Wahl: Erzähle ich gleich von meinem Job, was ich studiert habe, die gleiche, wiederkehrende Geschichte oder improvisiere ich, lasse ich mich vom neuen Gesprächspartner inspirieren und auf neue Wege leiten. Vielleicht erzähle ich auf einer Geburtstagsparty nicht direkt, was ich beruflich mache, sondern wir reden über Reiseziele, die besten asiatischen Restaurants in Berlin, über richtig guten Kaffee, Espressomaschinen und warum man gerne noch mal am Meer wohnen möchte, die Berge aber auch ganz toll findet. Vielleicht reden wir über Themen, Standpunkte, Meinungen, die erst vor kurzem erschaffen wurden, weil wir an der Amalfi-Küste in der Nähe von Neapel im Urlaub waren und es dort das Meer gibt, aber auch Berge. Dazu der Espresso und die Pizza erst – Auf Instagram steht: Amazing! Wenn der Gegenüber es genauso interessant findet, ist das Gespräch im Dialog, dazu vollkommen improvisiert, allemal interessanter als jede Form der Selbstdarstellung. Zwei Menschen teilen sich den Posten des Regisseurs und entwickeln gemeinsam einen Gesprächsablauf, der sie verbindet. Man könnte auch sagen: „Jobsharing as it´s best!“

Genau das gleiche Credo gilt in allen Teilen der Arbeitswelt. Der Monolog egal wo, hat ausgedient. Kunden wollen gehört werden, Hierarchien werden abgebaut, extrem redselige Verkäufer nerven immer mehr. Dialoge sind das Kommunikationsmittel der Wahl. Was auf der Bühne anfangs sehr schwierig war, dann zum Standard wurde, ist im normalen (Arbeits-)Leben viel einfacher umzusetzen und wird in den nächsten Jahren auch dort die Norm werden.

Stand-up im Alltag: Und jetzt?

Diese drei Punkte sind meiner Meinung nach ein starkes Fundament für Stand-up und deshalb auch für ein Leben in der neuen Arbeitswelt. Man muss jedoch nicht auf die Bühne gehen um zu üben. Jedes Gespräch mit dem Kassierer an der Supermarkt-Kasse und jeder Smalltalk an der Kaffeemaschine kann ein Trainingsplatz sein. Wo setzt du dir eine Maske auf? Was an dieser Situation könnte positiv sein? Hörst du anderen zu und stellst Fragen? Wenn du dir ab und an diese Fragen stellst, wirst du automatisch zu einer Stand-up Comedienne oder einem Comedian. Zwar nicht auf der Bühne, aber da wo es wirklich zählt: In deinem eigenen Leben!

 

Hinweise:

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Arbeitsphilosophen - der Podcast

Frank Eilers betreibt einen sehr bekannten Podcast. Gemeinsam mit Unternehmern, Vordenkern, Wissenschaftlern, Künstlern und Politkern fragt er sich, wie wollen wir leben und wie werden wir in Zukunft arbeiten? Hören Sie einfach mal rein, bei den Arbeitsphilosophen.

Bildnachweis: Daniel Mühlebach (Porträt Frank Eilers)

Frank Eilers
Frank Eilers

Frank Eilers ist Keynote Speaker und ein bekannter Podcaster. Seit mehreren Jahren beschäftigt er sich mit den Zukunftsthemen Digitale Transformation, Künstliche Intelligenz und die Zukunft der Arbeit. Für seine pointierten Analysen ist er bekannt. Seinen letzten Auftritt als Stand-up Comedian hatte er im Mai 2018 im Quatsch Comedy Club.