Das PARIS-Modell im Service

Gastbeitrag von | 14.10.2021

Service ist nicht nur das Kellern im Restaurant und auch nicht nur der Support an Maschinen und Anlagen. Service sind sämtliche Dienstleistungen, die Menschen durchführen, und daher finden Services in allen Branchen, an allen Stellen, überall statt. Everything is a Service!

Oftmals wird das Umsatz- und Ergebnispotenzial, welches in Services steckt, unterschätzt. In meinen vielen Jahren als Unternehmensberater habe ich zahlreiche Investitionsprojekte begleiten dürfen, wobei die Serviceprojekte um ein Vielfaches größer waren. In ihnen steckt jede Menge Potential und dieses lässt sich aktiv nutzen: mit dem PARIS-Modell.

Wir sind Servicenutzer

Werfen wir vor dem Einstieg in die Welt des Service einen kurzen Blick in die Vergangenheit. Erinnern Sie sich noch an Ihren ersten PC?

Ein technisches Meisterwerk. VGA-Karte, Schnittstellen, Festplattenkapazität, Arbeitsspeicherkapazität, Prozessorgeschwindigkeit, Betriebssystem und diverse Softwareinstallationen spielten eine Rolle. Man musste sich auskennen, um das Gerät zum Laufen zu bringen. Man war ein halber Informatiker, ein halber Techniker, wollte man einen PC benutzen. Heute? Der PC ist immer noch viel Technik, aber eigentlich benutzen wir nur noch einen PC-Service, der mit Cloud-Services und Software as a Service (SaaS) funktioniert. Die Technik dahinter ist immer noch vorhanden, sie bleibt aber hinter dem PC- oder Cloud-Service verborgen. Wir sind keine kleinen Informatiker mehr, wir sind Servicenutzer.

Szenenwechsel. Wissen Sie noch, wie Sie früher Musik konsumiert haben?

Vielleicht haben Sie mit Acryl-Schallplatten begonnen, vielleicht waren es Musikkassetten oder CDs, mit denen Sie Ihren Einstieg in die Welt der Musik erlebten. Immer brauchten Sie einen „Tonträger“ und ein entsprechendes Abspielgerät. Sie mussten zwar kein Experte sein, aber ein wenig Ahnung von Technik war schon notwendig, dass am Ende vernünftige Musik heraus kam. Heute? Sie nutzen Apple Music, Spotify oder andere Cloud-Services und hören Musik, indem sie einen einzigen Knopf drücken. Sowohl der Tonträger als auch die gesamte Technik sind in „Music as a Service“ verborgen.

Konsumenten, gleich ob Endkunden oder Unternehmen, wünschen sich Services. Services und Dienstleistungen sind das wachsende Geschäftsfeld. Spricht man von Dienstleistungsgesellschaft, meint man damit nicht etwa, dass man etwas Support rund ums Produkt platziert, sondern dass die Dienstleistungen zum Produkt werden.

Die Unterschiede von Services

Service und Dienstleistungen sind schwierige Begriffe, da jeder, der die Begriffe hört oder verwendet, etwas anderes darunter versteht. Unterscheiden lassen sich vier Dimensionen:

  1. Zunächst gibt es die reine Dienstleistung, den reinen Service, ohne Produkt: Beratungen, Weiterbildungen, Ingenieurleistungen, Projektleistungen, auch Betriebsleistungen, medizinische Services usw. gehören dazu.
  2. Dienstleistungen für Produkte. Üblicherweise gehören auch hier Beratung, Implementierung und der Betrieb des Produktes, beispielweise Maintenance und Support, aber auch Weiterbildung und Qualifizierung, hinzu.
  3. Managed Services. Hier wird das Produkt mit der Dienstleistung vollständig umhüllt. Zu diesen Managed Services-Leistungen gehören beispielsweise Netflix, IT-Cloud-Services, Spotify, Apple Music, aber auch Autovermietungen. Auch dort ist das Auto nur noch „Mittel zum Zweck“. Der Kunde kauft eigentlich Mobilität.
  4. Für all diese Services gibt es nun noch einen Support, einen Kundenservice. Die Hotline von Netflix, das Büro der Autovermietung usw. zählen dazu.

Viele „klassische Produkte“ lassen sich als „As a Service“ denken oder mindestens mit Services aufwerten. Man muss nur etwas anders denken. Und genau dieses neue Denken führt uns zur Strategie.

Service als Produkt – die neue Servicestrategie

Wenn man mit Dienstleistungen und Services Umsatz und Gewinn erzielen möchte, dann muss das zunächst strategisch im Unternehmen verankert werden. Aus den „Beiprodukten“ Service und Dienstleistungen werden strategische Geschäftsfelder.

Der allererste und wichtigste strategische Schritt ist es dabei, Serviceprodukte zu definieren. Ich stelle sie mir in einer „Kiste“ vor. Der Service „steckt drin“. Die Beschriftungen auf der Kiste beschreiben den Inhalt. Haben Sie solche Kisten für Ihre Services? Wenn nicht, das ist der erste Schritt.

Am besten sollten diese Services genauso entwickelt und engineert werden, wie alle anderen Produkte auch. Ich nenne diesen Vorgang Servicearchitektur: Ein strukturierter Prozess, um von einer Idee zu einem Serviceprodukt zu kommen. Das Serviceprodukt hat

  • eine klare Beschreibung,
  • definierte Attribute,
  • definierte Servicelevel und
  • natürlich auch einen Preis.

Ich verwende auch bei Services bewusst den Begriff des Produktes. Serviceprodukte sollten, nachdem sie definiert wurden, genauso verkauft und produziert werden wie Sachprodukte. Das ist der Blick in den Shop und in die Werkstatt. Beide Dimensionen hängen am Produkt. Mit der strukturierenden Matrixmethode der Servicearchitektur¹ lässt sich ein ordnender Blick in Werkstatt und Shops werfen und erkennen, welche Prozesse an welchen Objekten durchgeführt werden. Und so entsteht zügig eine Struktur, die das Potenzial für Verbesserungen, Optimierungen und Entwicklungen eröffnet.

Bausteine eines Services – das PARIS-Modell

Und wie lassen sich Services strukturieren? Mit Hilfe von fünf Bausteinen, die ich mit PARIS abkürze:

  • P wie Prozesse. Wesentliches Element, sowohl in der Werkstatt als auch im Shop, sind die Prozesse. Die Prozesse für die Produktion und für die Vermarktung von Services.
  • A steht für Anwendungen. Hiermit sind Softwareanwendungen gemeint, die sowohl in der Werkstatt als auch im Shop unterstützend zum Einsatz kommen. Besonders bedeutend sind heute Online-Marketingprozesse, die beispielsweise das A im Shop eines Dienstleisters darstellen können.
  • R steht für Ressourcen. In meinem Falle wird das R nochmals differenziert in Finanzressourcen, in Mitarbeitende, in Wissen und Sachmittel. Zur Erbringung von Dienstleistungen und Services sind demnach Menschen notwendig, die natürlich auch bezahlt und vergütet werden müssen, sie bringen Wissen mit oder müssen Wissen erwerben, sie benötigen Sachmittel um ihre Tätigkeit zu erledigen.
  • I steht für Infrastrukturen. Das sind all die Einrichtungen wie Werkstätten, Praxen, Läden, aber auch Fahrzeuge und Werkzeuge, die erforderlich sind, um den Service zu erbringen.
  • S steht für Steuerung. Oder etwas weiter gedacht für Management. Von Anfang an sollte definiert werden, welche Kennzahlen einen erfolgreichen Service auszeichnen, welche Zeiten, welche Eurobeträge, welche Ressourcenverbräuche, welche qualitativen Kriterien notwendig sind, um einen erfolgreichen Service als solchen zu identifizieren. Servicemanagement, Servicesteuerung wird unter dem S meines PARIS-Modells zusammengefasst.

Eine Besonderheit bei Services habe ich noch nicht erwähnt: üblicherweise lassen sich Services nicht speichern. Sie werden immer erst dann “produziert”, wenn sie auch bestellt werden. Auch dafür bietet das PARIS-Modell mit seinem strukturierten Ansatz nützliche Dienste.

Fazit

Wir leben in einer Dienstleistungsgesellschaft, in der es sinnvoll ist, Dienstleistungen wie Produkte zu betrachten und zu entwickeln. Für mich ist das Serviceprodukt Dreh- und Angelpunkt im Servicebusiness. Je intensiver es in der Unternehmensstrategie verankert ist, umso mehr positioniert sich das Unternehmen als „Serviceprovider“ oder Dienstleistungsunternehmen. Hier hilft das PARIS-Modell als Methode bei der strukturierten Entwicklung einer Servicearchitektur. Es legt die Basis für erfolgreiches Verkaufen und hilft auch bei der Skalierung von Services. Voraussetzung ist aber, dass alle fünf Bausteine von Anfang an vollständig durchdacht werden.

Denken Sie daran: in Service steckt viel Potential. Und vielleicht heißt es auch bei Ihnen im Unternehmen demnächst: Everything is a Service!

 

Hinweise:

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[1] Heiko Rössel hat zum Thema Servicearchitektur ein lesenswertes Buch veröffentlicht, in dem er alle notwendigen Maßnahmen und Handlungsfelder des Service Engineering beschreibt. Es heißt: Mehr Erfolg durch professionellen Service.

Mehr Erfolg durch professionellen Service - Blog - t2informatik
Servicearchitekt – so heißt der zu empfehlende Podcast von Heiko Rössel. Sie finden sie in der Podcastapp Ihrer Wahl oder unter www.servicearchitekt.com/podcast.

Heiko Rössel hat im t2informatik Blog einen weiteren Beitrag veröffentlicht:

t2informatik Blog: Positionierung für Selbstständige

Positionierung für Selbstständige

Heiko Rössel
Heiko Rössel

Heiko Rössel ist Unternehmer und systemischer Unternehmensberater. Sein Schwerpunkt ist die Produktisierung von Dienstleistungen und Services und die Positionierung. Er ist Dozent für Servicemanagement an der HTW in Aalen. Durch seine Vita kombiniert Rössel Theorie, Methodik und Erfahrung.